Süddeutsche Zeitung

Wege aus der Schuldenkrise:Frag, was du tun kannst!

Egal welchen Weg der Euro-Klub in der demütigenden Suche nach Geld einschlägt, zusätzliche Milliarden zu sammeln wird schwer bis unmöglich. Es ist an der Zeit, dass sich reiche EU-Bürger selbst an der Euro-Rettung beteiligen.

Cerstin Gammelin

Hin und wieder kommt es vor, dass es an der Haustür klingelt und jemand diverse Dinge zum Erwerb anbietet. Meist wird dieser Mensch dann höflich, aber bestimmt, abgewiesen. Wer kauft schon gern, was einem aufgedrängt zu werden scheint? Dass diese Art Geschäfte eher nicht funktionieren, ist schon lange bekannt - sollte man jedenfalls meinen. Umso erstaunlicher ist es, dass sich ausgerechnet der stolze Euro-Klub nicht zu schade ist, sich seit Monaten schon in ähnlichen Geschäften an globalen Haustüren zu versuchen.

Die demütigende Tour begann im Oktober. Auf dem damaligen Gipfeltreffen sannen die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Länder nach neuen Wegen, den Euro-Rettungsfonds EFSF finanziell schlagkräftiger zu machen. Sie beschlossen schließlich den hinlänglich bekannten und beschriebenen Finanz-Hebel; mittels Versicherungen und Garantien sollte die Schlagkraft des Euro-Rettungsfonds auf mehr als eintausend Milliarden Euro erhöht werden. Um das zu erreichen, mussten neue, interessierte Investoren gefunden werden, und so schickte der Gipfel den Chef des Fonds auf Reisen - nach Asien.

Doch als der Mann dort an die Türen von japanischen oder chinesischen Fonds klopfte und seinen EFSF-Hebel anbot, schlug ihm Misstrauen und Unverständnis entgegen. Ein Vertreter eines wohlhabenden Kontinents der Welt, aus Europa, bettelt beinahe um Geld? Warum sollen wir kaufen, was die reichen Europäer selbst nicht wollen?

War die Mission, die der EFSF-Chef auszuführen hatte, an sich schon demütigend genug, so ist es das Resultat erst recht. Der stolze Euro-Klub verspielte unversehens einen großen Teil seines Ansehens - und seiner Glaubwürdigkeit. Statt der gewünschten Zusagen, in den EFSF zu investieren, senkten die Asiaten reihenweise den Daumen. Die Japaner flüchteten geradezu aus europäischen Papieren. Der Chef des EFSF kehrte mit der traurigen Gewissheit zurück, dass Anleger in Übersee den Euro-Papieren weniger trauen als zuvor. Die finanzielle Schlagkraft des Fonds kräftig zu erhöhen - das erschien plötzlich wie ein Wunsch aus längst vergangenen Zeiten.

Widerstand gegen das Ansinnen der Europäer

Die zweite globale Demütigung erfolgte an diesem Montag. Den Euro-Ländern gelang es nämlich auch auf anderem Wege nicht, Geld zu sammeln. Sie wollten Länder mit anderen Währungen motivieren, die finanziellen Mittel des Internationalen Währungsfonds deutlich aufzustocken, um so ein Polster für notleidende Euro-Länder zu schaffen.

In den USA regt sich schon lange Widerstand gegen das Ansinnen der Europäer, den Weltwährungsfonds immer öfter zur Rettung klammer Schuldner aus Euro-Land zu nutzen. Und auch China, Russland oder Brasilien zeigen nur mäßig Interesse. Wenn überhaupt, so wollen sie dafür mitreden können im Euro-Klub. Was dieser wiederum nicht will. Schließlich zeigen auch europäische Länder die kalte Schulter. London gab zu Protokoll, der Weltwährungsfonds solle arme Länder unterstützen, aber keine Währung retten. Es gelang dem Euro-Klub nicht, zusätzlich 200 Milliarden Euro für den Währungsfonds zusammenzubekommen. Das Konzept, mit Dollar, Yuan oder Rubel den Euro zu retten, ist nicht aufgegangen.

Es ist höchste Zeit, dass sich Europa darauf besinnt, dass es selbst reiche Länder und so richtig vermögende Menschen hat. Damit sind nicht nur die Schweiz oder Norwegen gemeint, sondern auch Deutschland, Frankreich oder Luxemburg. Statt mit dem Bettelstab durch die Welt zu ziehen, sollten sich die Euro-Politiker daran machen, die gemeinsame Währung oder europäische Anleihen für heimische Anleger interessant zu machen. Und diese wiederum sollten gelegentlich an den bekannten Satz des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy denken: Frag nicht immer, was dein Land für dich tut, sondern, was du für dein Land tun kannst.

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SZ vom 21.12.2011/bürk
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