Weg aus der Krise:Was in Griechenland schiefgelaufen ist

Greek Economy Ahead Of 450 Million Euro Payment Deadline

Von wegen Glück: Ein Mann verkauft Lotto-Scheine in den Straßen von Athen.

(Foto: Bloomberg)
  • Griechenland ist auch 2015, fünf Jahre nach Ausbruch der Krise, wirtschaftlich stark geschwächt - anders als etwa Portugal hat der Staat die Wende nicht geschafft.
  • Ein wichtiger Grund: Das Land hat zwar extrem gespart, aber wichtige Reformen unterlassen.
  • Die Regierung Tsipras wollte dies angehen, macht dabei allerdings gravierende Fehler.

Von Catherine Hoffmann und Nikolaus Piper

Am Donnerstag konnte Europa erst einmal aufatmen. Die griechische Regierung überwies nach offiziellen Angaben fristgemäß 450 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) . Damit ist der gefürchtete Staatsbankrott des Euro-Landes erst einmal abgewehrt. Alle Beteiligten wissen aber, dass die schwierigste Aufgabe erst noch bevorsteht. Die Mitglieder der Euro-Gruppe und die Regierung von Alexis Tsipras müssen sich auf ein Hilfsprogramm mit harten Auflagen einigen. Sonst ist Athen spätestens im Sommer zahlungsunfähig und könnte aus der Euro-Zone ausscheiden.

Immer dringlicher stellt sich dabei die Frage: Warum ist die Sanierung Griechenlands so gründlich schief gegangen? Die übrigen Krisenländer von 2010 - Spanien, Portugal und Irland - haben die Wende geschafft. Die Wirtschaft wächst wieder, die Haushaltszahlen bessern sich. Nur in Griechenland ist das anders. Zwar sagten die Prognostiker des IWF dem Land noch vor Kurzem ein Wachstum von 2,9 Prozent voraus, doch Experten sagen, dass dies viel zu optimistisch gerechnet ist. In Wirklichkeit steckt Griechenland auch 2015 in der Rezession, und dies fünf Jahre nach Ausbruch der Schuldenkrise in der EU.

Athen hat Erstaunliches geleistet - was das Sparen betrifft

Im Rest Europas, besonders in Deutschland herrscht der Eindruck: Die griechische Regierung hat zwar Reformen versprochen - den Beamtenapparat zurückzufahren, das Steuersystem effektiver zu machen, Korruption zu bekämpfen. Verwirklicht habe sie jedoch so gut wie nichts. Doch dieser Eindruck ist nicht ganz richtig. Tatsächlich hat Athen Erstaunliches geleistet, zumindest, was das Sparen betrifft.

Bis zum Jahr 2009 hatte das Land dank der billigen Euro-Kredite weit über seine Verhältnisse gelebt. Als die Krise ausbrach, klaffte im Staatshaushalt der Griechen ein Defizit von nicht weniger als 15,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Unter dem Druck der Institutionen IWF, Europäische Zentralbank und EU-Kommission begann die Regierung massiv zu sparen. Zwar wurden nicht alle Vorgaben der früher so genannten Troika umgesetzt, aber die Regierung hat die Ausgaben doch so stark gekürzt wie kaum ein Industrieland in Friedenszeiten.

Die entscheidende Größe dafür ist der Primärsaldo im Staatshaushalt. Dieser stellt laufende Einnahmen und Ausgaben eines Staates gegeneinander, wobei Vermögensaufwendungen nicht berücksichtigt sind. Das sind Zins und Tilgung für die Staatsschuld und die Ausgaben für die Rekapitalisierung der Banken. Bei einem ausgeglichenen oder positiven Primärsaldo muss die Regierung keine neuen Kredite mehr aufnehmen, um ihre Kernaufgaben zu erfüllen. Deshalb ist die Zahl so wichtig.

2009 war dieser Haushaltssaldo tief im Minus - mit 9,6 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das Defizit wurde bis 2013 in einen Überschuss verwandelt, wobei unter Experten umstritten ist, wie hoch dieser Überschuss tatsächlich war.

"Das eigentliche Problem ist die Schwäche der staatlichen Institutionen"

Es bleibt eine eindrucksvolle Leistung, die aber ihren Preis hatte. Die Wirtschaft schrumpfte, die Einkommen gingen zurück, der Staat erhielt weniger Steuern. Das BIP ging über nicht weniger als 18 Quartale in Folge zurück. Endlich, im vergangenen Jahr, schien sich eine Wende abzuzeichnen. Die Wirtschaft wächst wieder ein wenig, nach Schätzung des IWF um 0,6 Prozent. Ende des Jahres stieg auch die Industrieproduktion leicht. Die Zahl der Beschäftigten wuchs im dritten Quartal 2014 und sogar die Löhne wurden ein wenig erhöht. Im Herbst konnte Athen sogar wieder eine Anleihe platzieren.

"Bevor das Syriza-Risiko akut wurde, also bis einschließlich November 2014, war Griechenland auf dem richtigen Wege", sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. "Nun aber regieren Populisten von links und rechts das Land. Mit einer Koalition aus dem Sahra-Wagenknecht-Flügel der Linken und dem Alexander-Gauland-Flügel der AfD würde sogar Deutschland nach kurzer Zeit vor die Wand fahren." Nur dass Griechenland nach langer Krise (2010 bis 2013) noch recht wacklig ist und sich die Folgen einer wirtschaftspolitisch inkompetenten Regierung schneller zeigen.

Tsipras macht einiges falsch, zeigen Beispiele

"Das eigentliche Problem in Griechenland ist die Schwäche der staatlichen Institutionen", sagt ein Insider, der sich mit der Arbeit der Troika zur Rettung Griechenlands befasst hat. Das führte dazu, dass die Regierung zwar gespart hat, dass die Reformen, die den Wiederaufstieg des Landes einleiten sollten, aber unterblieben. Die Sanierer in Brüssel, Frankfurt und New York hatten sich darauf eingestellt, dass Syriza nach einem Machtwechsel einige Sparmaßnahmen zurücknehmen würde, dass dies aber dadurch ausgeglichen würde, dass die Neuen konsequent gegen Korruption und Vetternwirtschaft vorgehen würden. "Das war eine bittere Enttäuschung", meint der Insider.

Ein Beleg dafür ist der Streit um einen Anti-Korruptionsbeauftragten der Regierung. Die Troika hatte den früheren konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras gedrängt, für den Kampf gegen Bestechlichkeit im öffentlichen Dienst eine unabhängige Behörde zu schaffen, um eine Brandmauer zu möglichen Übeltätern zu errichten. Der neue Regierungschef Tsipras gliederte die Behörde kurzerhand ins Finanzministerium ein. Die Brandmauer ist weg.

Oder das Beispiel Immobiliensteuer: Die Regierung Samaras hatte die Steuer auf Drängen der Troika eingeführt, um reiche Griechen zur Finanzierung des Staatshaushalts heranzuziehen. Sie war unpopulär, auch weil viele Immobilienwerte nach fünf Jahren Krise nur noch fiktiv waren. Im Wahlkampf versprach Syriza eine Lockerung, ohne freilich für Ersatz zu sorgen. Als Ergebnis brach schon vor der Wahl das Aufkommen aus der Steuer zusammen - die Griechen nahmen den Wahlsieg von Syriza schon voraus. Dadurch verwandelte sich vermutlich der Primärüberschuss wieder in ein Defizit. Genaue Zahlen sind derzeit nicht zu bekommen.

7000 Griechen mit einer Steuerschuld von mehr als einer Million Euro

Ein weiteres Beispiel ist der Streit um Steuerstundungen. Schon die Regierung Samaras hatte sich geweigert, Steuerrückstände konsequent einzutreiben. Ein Gesetz erlaubt es, sehr zum Unwillen der Kreditgeber Griechenlands, Steuerschulden in 100 Monatsraten abzutragen. Syriza lockerte die Bedingungen für die Schuldner weiter. Nach Überzeugung der Troika wird dadurch die Steuermoral weiter untergraben. Derzeit gibt es bis zu 7000 Griechen mit Steuerschulden von mehr als einer Million Euro. Das können kaum arme Leute sein.

Schließlich das Gesetz gegen Zwangsversteigerungen. Angeblich um arme Leute davor zu schützen, aus ihrem Haus geworfen zu werden, ist es Banken verboten, bei säumigen Schuldnern das Immobilienvermögen zu sichern. Die Regierung von Alexis Tsipras hat nun nicht etwa den Schutz auf die Bedürftigsten beschränkt, sondern im Gegenteil, Immobilienvermögen von bis zu 500 000 Euro mit einbezogen. Aus Sicht der Banken bedeutet das: Sicherheiten für Kredite sind heutzutage nichts mehr wert, selbst gegen Betrügereien sind sie nicht geschützt. Also machen sie das Nächstliegende und vergeben keine Kredite mehr, was den Bau neuer Häuser und die Erholung der griechischen Bauindustrie verhindert.

Sagt ein Banker: "Ich kenne wenig Regierungen, die dem eigenen Land in so kurzer Zeit so sehr geschadet haben, wie Syriza dies getan hat."

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