Wechsel in die Wirtschaft:Die Politiker und das Geld

Darf der das? Darf Roland Koch, der einst als Politiker über den Bau der dritten Startbahn am Frankfurter Flughafen mitentschieden hat, jetzt zu Bilfinger Berger wechseln? Schließlich war die Firma am Großprojekt beteiligt gewesen. Die Aufregung jedenfalls ist groß.

Karl-Heinz Büschemann

Auf die Deutschen und ihre misstrauischen Reflexe ist Verlass. Kaum war herausgedrungen, dass der zurückgetretene hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) auf den Chefposten des Baukonzerns Bilfinger Berger wechseln wolle, ging das Geraune los. Ein Mann wie Koch dürfe nicht in ein Spitzenamt der Wirtschaft wechseln. Schon gar nicht sei es in Ordnung, wenn ein Politiker, der den Bau der dritten Startbahn am Frankfurter Flughafen mitentschieden hat, in eine Firma wechsele, die an dem Großprojekt mitbaue. Da könne ein Interessenkonflikt liegen, sagen die Kritiker.

Roland Koch wird Vorstandsvorsitzender von Bilfinger Berger

Neuer Job für Koch: Der ehemalige hessische Ministerpräsident heuert als  Vorstandsvorsitzender bei Bilfinger Berger an.

(Foto: dapd)

Die Debatte ist berechtigt, und der Grad der Aufregung legt offen, dass es in dieser heiklen Frage im deutschen Staats- und Wirtschaftssystem einen bedauerlichen Mangel gibt. Es gibt keine Regeln, kein vernünftiges Verfahren für den Wechsel von Politikern in die Wirtschaft und andersherum. Das sollte geändert werden.

Massives Misstrauen

In Deutschland kommt es selten vor, dass ein Politiker in eine echte Führungsposition der Wirtschaft wechselt. Noch seltener ist, dass ein Manager oder Unternehmer in der Politik Verantwortung übernimmt. Die politische Klasse und die Kaste der Unternehmer und Manager sind in diesem Land stark voneinander getrennt. Wohl auch deshalb gibt es zwischen Politikern und Managern ein so massives Misstrauen. Politiker gelten in der Wirtschaft gemeinhin als realitätsfremde Blockierer des Fortschritts. Manager sind in den Augen von Politikern nicht selten gierige und rücksichtslose Vertreter profitgetriebener Einzelinteressen.

Klar, es gibt Unterschiede zwischen dem politischen System und der Welt der Wirtschaft. Das muss auch so sein. Die Wirtschaft braucht mit Politik und Staat eine stark ordnende Hand. Dennoch ist es nicht einzusehen, warum zwischen beiden Sphären nicht ein größerer Austausch stattfinden sollte. Manager können von Politikern lernen und umgekehrt. Nicht zuletzt dient es der Kreativität des politischen Systems, wenn Abgeordnete oder Minister weit vor dem Erreichen des Rentenalters den Wunsch äußer, die Tretmühlen und Fallstricke der politischen Welt zu verlassen, um noch einmal etwas anderes zu tun. Niemand kann ein Interesse an Politikern haben, die an ihren Sesseln kleben, nur weil sie keine andere berufliche Option haben.

Aber auch niemand kann ein Interesse an Politikern haben, die nur deshalb in führende Funktionen der Wirtschaft wechseln, weil sie dort abkassieren können. Mancher Politiker hätte auf den Wechsel in einen führenden Managementposten besser verzichtet. Altkanzler Gerhard Schröder dient heute als Aufsichtsratschef einer deutsch-russischen Ölpipeline-Gesellschaft, die mehrheitlich dem russischen Staat gehört. Das ist nicht verboten. Mancher sagt sogar, Schröder handele im Interesse dieses Landes. Aber ein Altkanzler, der im Dienste eines anderen Staates steht, macht sich angreifbar. Auch der frühere Bundeswirtschaftsminister Werner Müller wäre besser 2003 nicht Chef der Kohlegesellschaft RAG geworden. Der größte Subventionsempfänger des Landes sollte nicht von einem früheren Wirtschaftsminister geführt werden. Dass Müller auch seinen damaligen Staatssekretär Alfred Tacke nachzog, um ihn auf den Chefposten der RAG-Tochter Steag zu hieven, war mehr als ungut. Solche Interessenverquickung ärgert die Bürger.

Doch nicht jeder Wechsel ist problematisch. Der profilierte CDU-Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz darf einer Anwaltskanzlei beitreten. Wenn Altkanzler Helmut Schmidt als Herausgeber der Zeit über die Politik schreibt, die er früher mitgestaltete, ist das kein Interessenkonflikt. Dass Lothar Späth nach seiner Zeit als Ministerpräsident von Baden-Württemberg 1991 als Geschäftsführer zur Jenoptik GmbHin Jena ging, war nicht zu beanstanden.

Aber es gibt Zweifelsfälle, die den Bürger beunruhigen. Deshalb wäre der Gedanke zu prüfen, den die Antikorruptionsorganisation Transparency International und die Grünen in die Debatte brachten. Sie schlagen einen unabhängigen Ethik-Rat vor, der alle Wechsel von der Politik in die Wirtschaft unter dem Aspekt prüft, ob ein Politiker mit dem neuen Managerjob für eine Entscheidung aus seiner Politikerzeit belohnt werden soll. Eine solche Kommission könnte zwar auch nur Empfehlungen geben, aber sie könnte im Streitfall für Transparenz sorgen und die Diskussion versachlichen. Vor allem könnte sie in unproblematischen Fällen verhindern, dass Personen in einer aufgeregten Stammtischdebatte beschädigt werden. Solche Ethik-Räte oder -Kommissionen gibt es bereits in Deutschland wie in Brüssel. Sie könnten Fehlentwicklungen nicht ganz verhindern, aber die Risiken ließen sich verringern.

Erwartungen nicht erfüllt

Politiker, die vom großen Geld träumen, sollten sich aber von den Aussichten in der sogenannten freien Wirtschaft nicht täuschen lassen. Der frühere deutsche EU-Kommissar Martin Bangemann war seinen gutbezahlten Job beim spanischen Telefonunternehmen Telefónica nach zwei Jahren wieder los, weil er offenbar den Erwartungen seiner neuen Chefs nicht entsprach. Die Wirtschaft ist nicht bekannt dafür, dass sie für wenig Leistung viel Geld ausgibt. Auch Roland Koch wird bald spüren, dass er für sein künftiges Millionengehalt bei Bilfinger Berger wird viel arbeiten müssen. Wenn seine Leistung den Wünschen der Aktionäre nicht entspricht, wird er sich nicht lange halten können. Aktionäre sind weniger tolerant als Wähler.

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