Das technische Wunderwerk ist so winzig, dass davon locker zehn auf eine Ein-Cent-Münze passen. Und trotzdem misst ein solch kleiner Sensor zuverlässig, in welche Richtung zum Beispiel ein Smartphone bewegt wird oder wie stark die Beschleunigung ist, der ein Fitness-Armband ausgesetzt ist. Andere Sensoren erfassen, in welchem Rhythmus Blut durch die Adern fließt und ob es mehr oder weniger mit Sauerstoff gesättigt ist. Alles bekommt einen in Zahlen ausgedrückten Wert, der auf dem Fitnessarmband ausgespuckt wird. Wearables nennt man diese Art von tragbaren Computern. Sie sind klein, schick und enorm angesagt - aber erfüllen sie auch ihre Versprechungen?
Denn Messungen, mögen sie noch so präzise daherkommen, sind das eine. Das andere sind Messfehler und - noch wichtiger - die Interpretation der Daten.
Das zeigt zum Beispiel eine Studie der Universität Stanford. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, wie präzise Fitness-Armbänder Vitalwerte wie Herzschlag und Kalorienverbrauch erfassen. Das Ergebnis hat auch die Forscher überrascht. Während der Herzschlag von nahezu allen Geräten mit einer Abweichung von nur fünf bis zehn Prozent korrekt erfasst wurde, lautet ihr Fazit beim Kalorienverbrauch: Lieber nicht darauf verlassen. Die individuellen Unterschiede der Probanden seien zu groß, als dass man mit allgemeinen Annahmen eine brauchbare Schätzung errechnen könne.
Der allzu tiefe Glaube an die Werte kann auch dazu führen, dass Freizeitsportler mehr auf die Werte schauen als auf ihren Körper hören. Natürlich kann es Hobby-Radlern helfen zu erfahren, wie sich ihre Herzfrequenz in den vergangenen Monaten auf der gleichen Strecke entwickelt hat oder wie es um die Ausdauer steht. Trotzdem sollte stets klar sein: Viele der Informationen können fehlerhaft sein. Da muss nur das Armband der Uhr verrutschen, schon stimmt die Messung der Herzfrequenz nicht mehr. Das Ergebnis kann auch vom Algorithmus verzerrt werden, von den Regeln also, die den Berechnungen zugrunde liegen. Also weg mit dem ganzen Wearables-Zeug?
Ein Professor trug zwei Jahre lang sieben verschiedene Wearables. Und war überrascht
Michael Snyder würde da energisch widersprechen. Gut möglich, dass es ihm heute erheblich schlechter ginge, hätte er nicht ein Experiment gemacht. Snyder, Biologie-Professor an der Stanford University, trug zwei Jahre lang sieben verschiedene Wearables, die Werte wie Hauttemperatur und Herzschlag erfassten. Insgesamt 250 000 Messpunkte pro Tag. Eines Tages stellte er fest: Er hatte plötzlich weniger Sauerstoff im Blut, leichtes Fieber. Die Diagnose lautete, dass er sich durch Zecken eine Borreliose eingefangen hatte, eine Infektion, die sich zwar leicht mit Antibiotika behandeln lässt, aber schwerwiegende Folgen haben kann, wenn man sie nicht bemerkt.
Snyder ist nicht nur wegen seiner persönlichen Erlebnisse sicher, dass die Überwachung von Vitaldaten helfen kann, Krankheiten früher zu erkennen und so die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung zu vergrößern. Unzählige Forschungsvorhaben laufen dazu, viele davon werden von den Krankenkassen gefördert, die großes Interesse daran haben, durch Früherkennung Behandlungskosten zu sparen.
Die Medizin, das lässt sich prognostizieren, wird sich durch immer bessere Auswertungsmethoden stark verändern, vor allem aber ermöglicht die Datenerhebung eine immer stärkere Individualisierung. Dadurch tun sich viele Fragen auf: Wem gehören diese Daten, wer hat darauf Zugriff? Nicht immer ist das Machbare auch das Vernünftige.