Energiewende:Wettbewerb um Wasserstoff

Wasserstofftankstelle

Wasserstoff - der Stoff der Zukunft. Doch nicht überall ist die Technologie gleich weit entwickelt.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

In Sachen grün erzeugtem Wasserstoff sind Deutschlands Ballungsräume unterschiedlich weit, zeigt eine neue Studie. Doch sie könnten sich gut ergänzen.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

Auf keinem Element ruhen dermaßen viele Hoffnungen. Wasserstoff soll künftig klimaschädliches Erdöl oder Kohle ersetzen, wo es Ökostrom allein nicht kann: in Stahlhütten und Flugzeugen etwa, im Antrieb schwerer Lkws oder auch in Heizungen. Und all das klimafreundlich, wenn der Wasserstoff mit viel erneuerbarer Energie gewonnen wird.

Doch welche Gegenden profitieren, wenn die Wasserstoffwirtschaft wächst? Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln hat im Auftrag des Regionalverbands Ruhr nun große Regionen Deutschlands untersucht: Welche Unternehmen und Forscher arbeiten bereits mit Wasserstoff, wo liegen Netze und was fördert der Staat? Dazu hat das IW Forschungsdatenbanken und Firmenwebseiten durchleuchtet sowie Mitglieder des Nationalen Wasserstoffrats befragt, des Expertengremiums der Bundesregierung. "Es wird deutlich, dass die einzelnen Metropolregionen unterschiedliche Stärken und Schwächen aufweisen", resümieren die Forscher.

Hohes Potenzial im Ruhrpott, in Süddeutschland und an der Küste

Im Ruhrgebiet, attestiert das IW, ballen sich viele wasserstoffaffine und internationale Unternehmen. Die Industrie im Pott emittiere viele Treibhausgase, umso höher sei der Druck zur Veränderung. Ein Vorteil sei das enge Netz an Schienen und Straßen, Flüssen und Kanälen sowie ersten Wasserstoffleitungen. "Die Wasserstoffindustrie der Metropole Ruhr ist vergleichsweise weit entwickelt", sagt Hanno Kempermann, Branchen- und Regionen-Forscher bei IW Consult.

Ähnlich gut schneiden die Regionen Stuttgart und München ab, die von der Autoindustrie geprägt sind. Dort gebe es besonders viele geförderte Wasserstoffprojekte und Kooperationen, zudem vergleichsweise viele Wasserstoff-Start-ups.

Norddeutschland punkte indes mit vielen Windrädern an Land und auf See, die Ökostrom erzeugen. Zudem kann in den Häfen Wasserstoff aus dem Ausland anlanden. Und Hamburg beherberge eine vergleichsweise junge Forschungslandschaft um Wasserstoff in der Luftfahrt.

Für die Braunkohlereviere in Ostdeutschland und im Rheinland spreche, dass sie vergleichsweise viel Grundlagenforschung betreiben. Und diese Regionen brauchen Wachstumsfelder, da Deutschland bis spätestens 2038 aus der klimaschädlichen Kohleverstromung aussteigen will. Die Wasserstoffakteure in den Kohlerevieren seien regional zwar gut vernetzt, international aber vergleichsweise schwach. Relativ niedriges Potenzial sprechen die Forscher der Wasserstoffwirtschaft im Rhein-Main- und Rhein-Neckar-Gebiet zu.

Synergien müssen stärker genutzt werden

International laufe bereits ein Wettbewerb um Wasserstoff, mahnt das IW zur Eile, Kapazitäten entstehen beispielsweise in Kanada oder Skandinavien. "Deutschland hat das Potenzial, hier aufzuschließen." Dazu sollten Politik und Wirtschaft freilich die Stärken einzelner Regionen stärken und Synergien nutzen, empfehlen die Forscher: zusammen arbeiten statt jeder für sich. Sie sprechen sich daher für eine nationale Koordinierungsstelle aus, die sich mit den Regionen abstimmen, Wissen bündeln sowie die Arbeit an regionalen Konzepten begleiten soll.

Einer Sache können sich die Wasserstoffregionen jedenfalls sicher sein: Hilfe von der Politik. So will die Bundesregierung der Wasserstoffwirtschaft in den nächsten Jahren mit bis zu neun Milliarden Euro auf die Beine helfen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: