Was kommt:Alles wird neu

Die digitale Revolution verändert die grundlegenden Mechanismen der Wirtschaft. Nichts bleibt, wie es ist. Ihren Ausgangspunkt nahm die Revolution im Silicon Valley. Berichte aus dem Tal, in dem alles anfing.

Von Ulrich Schäfer

Von Siemens-Chef Joe Kaeser stammt der schöne Satz: "Wir müssen das Silicon Valley nicht kopieren, aber wir müssen es kapieren." Auch der Chef des größten deutschen Industriekonzerns ist oft in diesem Tal unterwegs, in dieser Ansammlung von mittelgroßen, ziemlich gesichtslosen Städten, die fließend ineinander übergehen: Palo Alto, Cupertino, Moutain View, San José, San Mateo, Sunnyvale, Menlo Park - und wie sie alle heißen.

Das Valley kapieren: Das versuchen derzeit viele in Deutschland. Besuchergruppen zuhauf reisen an, um sich dort umzuschauen. Manche bleiben länger, mieten sich - wie der Chefredakteur der Bild-Zeitung - in einer Villa ein und lassen sich einen Bart wachsen. Vor allem Journalisten und Verlage fragen: Was können wir von Google und Co. für unser Geschäft lernen?

Doch die digitale Revolution, die von dieser pulsierenden Gegend in Kalifornien ausgeht, verändert ja nicht bloß die Medien, und auch nicht bloß die Art und Weise, wie Waren vertrieben werden (immer häufiger online, immer seltener im Geschäft). Sondern diese Revolution verändert von Grund auf die Mechanismen unserer Wirtschaft. Die Regeln von einst: Sie gelten nicht mehr. Die Geschäftsmodelle von einst: Sie funktionieren nicht mehr. Alles wird neu.

Diesem rasanten Wandel haben auch wir im Silicon Valley nachgespürt, bei den ganz Großen, bei Facebook, Google, Cisco oder Salesforce, bei jungen Gründern aus den USA, aber auch aus Deutschland, Lateinamerika oder Israel, bei Risiko-Kapitalgebern, Business Angels, Beratern, Ökonomen. Und auch bei deutschen Industriekonzernen, die - weil sie nicht bloß kapieren wollen - häufig auch eigene Entwicklungslabors im Großraum San Francisco betreiben. Die Serie, die wir an diesem Samstag dazu starten, heißt Die Stunde 4.0. Denn wir erleben mit dem Internet der Dinge derzeit einerseits einen Anfang: die Stunde Null eines neuen digitalen Zeitalters. Andererseits hat die Computerwelt sich in den letzten Jahrzehnten schon mehrmals gewandelt. Deshalb 4.0. Aber noch nie war dieser Wandel so radikal und einschneidend wie jetzt.

Die Serie besteht aus einer Abfolge von Essays, die stets am Samstag erscheinen. Sie beschreiben, wie faszinierend und zugleich beängstigend diese Entwicklung ist - und welche Chancen und Risiken sie birgt. Die Essays werden ergänzt durch eine Reihe von Mittwochsporträts, die beispielhaft erzählen, wie führende Köpfe aus dem Silicon Valley ticken: der Gründer des Streaming-Anbieters Netflix, Reed Hastings; der Gründer des digitalen Bettenvermittlers AirBnB, Nathan Blecharczyk; der deutsche Venture-Capital-Finanzier Mathias Schilling; und Noam Bardin, der in Israel den Kartendienst Waze gegründet und vor einem Jahr an Google verkauft hat. Nun arbeitet auch er in Mountain View in einem Großraumbüro.

Was noch? Nächste Woche starten wir noch ein weiteres neues Format im Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung: eines, das Leser immer wieder angeregt haben. Jeden Freitag erscheint künftig an dieser Stelle, auf der zweiten Seite des Wirtschaftsteils, eine Ökonomie-Kolumne. Nikolaus Piper, Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung und bestens bekannt durch seine wirtschaftspolitischen Essays und Kommentare, und Thomas Fricke, der lange Jahre als Chefökonom der Financial Times Deutschland tätig war und nun im Internet das Portal Wirtschaftswunder betreibt, werden im wöchentlichen Wechsel grundlegende Fragen der Ökonomie beleuchten. Nikolaus Piper wird am kommenden Freitag den Anfang machen. Und seine These für die erste Kolumne von "Pipers Welt" ist vielversprechend. Sie lautet: "Kapitalismus gibt es nicht."

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