Süddeutsche Zeitung

Was die CSU wusste:"Wie beim Mikado"

Wie es um die BayernLB steht, soll die alte CSU-Regierung schon lange gewusst haben. Und nicht nur die.

Thomas Fromm und Klaus Ott

Um 15.15 Uhr hatten sich die Teilnehmer der Verwaltungsratssitzung im fünften Stock der BayernLB-Zentrale an der Münchner Brienner Straße zurückgezogen. Als BayernLB-Chef Michael Kemmer und seine Verwaltungsräte Erwin Huber und Siegfried Naser dann endlich um kurz nach 20 Uhr vor die Presse treten, sind die Gesichter lang und blass.

Das, was sie mitzuteilen haben, hat es in sich: 6,4 Milliarden Euro braucht die Bank an frischem Kapital, 5,4 Milliarden allein vom Bund. Der Bund, das wissen die drei, wird künftig mitzureden haben über die Geschäftspolitik des Hauses. Und die Zeit, in der man unter sich die Angelegenheiten der zweitgrößten deutschen Landesbank austarieren konnte, ist nun vorbei.

Die Landesbank erwartet einen Verlust von drei Milliarden Euro in diesem Jahr - zu viel, als dass alles beim Alten bleiben könnte. "Es wird kein 'Weiter so' geben", sagt Kemmer. Dass die Bank so viel Geld vom Bund braucht, ist wohl die eine Sache. Dass sie dies als erstes deutsches Institut auch offen zugibt, die andere.

Es laufe wie beim Mikado-Spiel, sagt Kemmer. Einige Kollegen glaubten immer noch, dass derjenige verliere, der sich als erster bewegt. Er könne damit gut leben. Jemand aus dem Publikum fragt, ob man sich nicht für die Krise der Bank entschuldigen wolle. Finanzminister Huber und der bayerische Sparkassenchef Naser, die bisher über die finanzielle Lage der Bank referierten, bleiben sicherheitshalber im Hintergrund stehen und lassen BayernLB-Chef Michael Kemmer den Vortritt.

Das sei dann wohl Sache der Banker, murmelt Kemmer, geht langsam zum Mikrophon und sagt dann: Wer ohne Sünde sei, der werfe den ersten Stein. Huber und Naser hören stumm und mit eisiger Miene zu.

Für Naser war wohl längst klar, was auf ihn zukommen würde. Sparkassenfunktionäre aus ganz Bayern waren bereits Tags zuvor zu einem Krisentreffen nach München geeilt und hatten ihren Ohren nicht getraut. Der Verbandschef war forsch aufgetreten, in einer Art, die sogar der CSU noch große Probleme bereiten könnte - aus der Naser jetzt nach vielen Jahren Parteizugehörigkeit ausgetreten ist.

Er beschrieb die BayernLB als eine Art Sanierungsfall und ließ durchblicken, die alte CSU-Regierung habe seit Wochen gewusst, wie schlimm die Lage sei. Der Verbandschef sprach vielen Zuhörern aus dem Herzen, auch dem Altöttinger Landrat und Sparkassenfunktionär Erwin Schneider (CSU). Der schlug nach Angaben von Sitzungsteilnehmern vor, die Sparkassen sollten aus der BayernLB aussteigen. "Die Landesbank ist für uns Sparkassen das größte Risiko", soll Schneider gesagt haben.

CSU-Mann Schneider brachte so die Stimmung auf den Punkt. Die Sparkassen wollen von ihrer Landesbank nicht in den Abgrund gerissen werden. Rette sich, wer kann, lautet das Motto, offenbar auch bei Sparkassenpräsident Naser. Er nimmt seit Jahren eine führende Funktion im Aufsichtsgremium der BayernLB ein, dem Verwaltungsrat, und ist insofern mitverantwortlich für den Kurs der Staatsbank. Naser wollte das Geldhaus mit Zukäufen und Fusionen zu einem international bedeutenden Finanzinstitut ausbauen. Doch der Einsatz war wohl zu hoch, jetzt muss die Bank gerettet werden.

Debakel vor der Wahl absichtlich verschwiegen?

Beim Sparkassentreffen trat der Verbandspräsident die Flucht nach vorne an und erzählte, ihm sei in der CSU unterstellt worden, er habe die Koalitionsverhandlungen mit der FDP fast zum Platzen gebracht, weil er bei diesen Gesprächen den hohen Kapitalbedarf der BayernLB mitgeteilt habe.

Diese Unterstellung sei eine "Unverschämtheit", polterte Naser. Die Zahlen habe "jeder Verwaltungsrat" der BayernLB gekannt. Im Kontrollgremium sitzen mehrere Vertreter der alten Regierung, auch Huber. Naser berichtete sogar, er habe vor der Landtagswahl am 28. September absichtlich keinen Rundbrief mehr über die Lage bei der Landesbank an die kommunalen Kreditinstitute geschickt, damit nichts an die Presse durchsickere.

Das legt den Verdacht nahe, Naser und die alte CSU-Regierung hätten ein sich frühzeitig abzeichnendes Debakel bei der Landesbank vor der Wahl absichtlich verschwiegen. Einen Tag nach der Wahl sprach Naser erstmals öffentlich von einem Kapitalbedarf von "einer Milliarde Euro plus X" bei der BayernLB. Bis dahin hatte der Sparkassenchef eher beschwichtigt, doch diese Zeiten sind vorbei. Die CSU regiert nicht mehr alleine, auch in den Sparkassengremien haben sich nach den Kommunalwahlen vom Frühjahr die Verhältnisse geändert. Viele Vertreter der Grünen und der Freien Wähler sitzen mit am Tisch.

Mit Hilfe der CSU hat Naser Karriere gemacht, jetzt gibt er sein Parteibuch zurück. Nun will der Sparkassenchef seine "politische Neutralität" zeigen. In die CSU zurückkehren will er nach dem Ende seiner Dienstzeit in sieben Jahren - sofern er noch so lange im Amt bleibt.

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SZ vom 22.10.2008/hai
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