Eine einfache, aber wirksame Regel für den Flohmarkt lautet: Grässlich geht gut. Deshalb braucht es für jeden alten Atlas, den man loswerden will und jeden Wintermantel, den man zu Geld machen will, vor allem eines: einen möglichst obskuren, hässlichen Gegenstand von schwer definierbarer Funktion, der danebenstehen kann. Nun mag man sich fragen: Warum sollen ausgerechnet unschöne Dinge schöne Summen bedingen?
Die Antwort ist wenig schmeichelhaft für unsere Gattung: Vieles, was der Mensch tut, ist von Neugier und Voyeurismus getrieben. Mal schauen, was die anderen so an Mist haben, ist das ungeschriebene Motto. Ein in Naturfarben gefärbter Bastbaum zum Beispiel, dessen ursprüngliche Farbe oder Sinn nicht erkennbar sind, ist perfekt - die Stöberer laufen in die Falle. "Was ist denn das?", ist nämlich nur der Anfang eines unterhaltsamen Gesprächs über die Beziehung des Verkäufers zum Objekt der Abscheu.
Wer gut ist, erzählt eine anekdoten- und erfindungsreiche Begründung für den Besitz. Die dauert im Idealfall so lang, dass der Kunde den Blick auf andere Dinge wirft: den alten Globus, die Blumentöpfe, den Kinostuhl. Danach ist es nur eine Frage der Zeit, bis er kauft. Und ganz am Ende findet sich jemand, der eine andere Definition des Begriffes grässlich hat, den Baum schnappt und sagt: So ein schöner Untersetzer!