Warnstreiks in Kitas:Wer gut verdienen will, darf sich nicht um andere kümmern

Kinderpfleger, Erzieher und Sozialarbeiter wollen besser bezahlt werden. Für die Forderung finden sie breite Unterstützung in der Politik und Gesellschaft - weil sich kaum jemand verpflichtet fühlt, zu zahlen.

Kommentar von Detlef Esslinger

Warnstreiks in den kommunalen Kitas

Warnstreik der Erzieher in der Münchner Innenstadt: Ihre Forderungen finden breite Unterstützung. Unklar ist, wer zahlen soll.

(Foto: dpa)

Tag für Tag sich um die Kinder anderer Leute kümmern - das ist ein Job, der in Deutschland nicht schlecht bezahlt wird, aber auch nicht gut. Erzieher bekommen zumeist zwischen 2400 und 3300 Euro brutto, je nachdem, wie lange sie im Beruf sind. Solche Summen sind schon deshalb kaum üppig, weil die Ausbildung in manchen Bundesländern vier oder sogar fünf Jahre dauert. Wer es in die Leitung einer Kita schafft, kann es auf maximal 4700 Euro bringen. Aber das hängt davon ab, wie groß die Kita ist. Faustregel: Je weniger Kinder, umso geringer das Gehalt der Chefin respektive des Chefs. Man kann auch eine Kita leiten und trotzdem nur etwas mehr als 2400 Euro erhalten; macht in Steuerklasse eins netto weniger als 1800 Euro. Dafür würde sich in der Autoindustrie niemand ans Fließband stellen.

Drei Gewerkschaften verhandeln derzeit mit dem Verband Kommunaler Arbeitgeber (VKA) über die Bezahlung von Kinderpflegern, Erziehern und Sozialarbeitern. Es geht diesmal nicht direkt darum, um wie viel Prozent die Einkommen steigen sollen. Es geht darum, welche Tätigkeit künftig in welche Entgeltgruppe eingeordnet und bezahlt wird. Der Verhandlungsgegenstand hört sich vielleicht ungeheuer technisch an. Aber das Ergebnis wird höchst konkrete Folgen haben. Ob eine Erzieherin in der Entgeltgruppe 6 bleibt oder in die Entgeltgruppe 10 gehievt wird, wie es Verdi, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der Beamtenbund fordern - das macht im Monat einen Unterschied von mehreren Hundert Euro aus. An diesem Donnerstag gehen die Verhandlungen weiter. Sie sind Anlass, aber nicht unbedingt Ursache für die Warnstreiks vom Dienstag und Mittwoch. Dies ist die Phase in einer Tarifrunde, in der es Gewerkschaften nicht dringend um eine Einigung, jedoch sehr dringend um Mitgliederwerbung geht. Die funktioniert bei Streiks am besten.

Viele Erzieher bekommen weniger Geld als Angelernte am Fließband

Aber das ist Taktikgedöns; die eigentlich bedeutsame Frage ist eine andere: Welche Arbeit ist der Gesellschaft wie viel wert? Wenn man Passanten oder Politikern ein Mikrofon vor die Nase hält, kommen Sätze wie: "Bei der Bezahlung besteht Nachholbedarf" (Bayerns Familienministerin Müller, CSU). - "Es ist wichtig, einen guten Abschluss zu finden" (Bundesfamilienministerin Schwesig, SPD). "Wir unterstützen den entschlossenen Streik der Beschäftigten" (Parteivorsitzender Riexinger, Die Linke).

Solchen Äußerungen werden sich all diejenigen anschließen, die mit den drei Politikern eins gemeinsam haben: dass sie glauben, zusätzliche Kosten nicht bezahlen zu brauchen. Aber wer gönnt Erzieherinnen höhere Gehälter so sehr, dass er dafür zum Beispiel höhere Kita-Beiträge in Kauf nähme? Es ist ja bezeichnend, was in den vergangenen Jahren in vielen Bundesländern jeweils ein Wahlkampfhit war: nicht der Ausbau von Kindergärten, sondern die Beitragsfreiheit.

Will man es in Deutschland zu Wohlstand bringen, kümmert man sich besser nicht um andere; weder um Kinder noch um Kranke oder Alte. Dies ist kein Dienstleistungs-, sondern ein Maschinenbauerland. In der bayerischen Metallindustrie beträgt das niedrigste nur mögliche Gehalt 2194 Euro, es ist das Gehalt fürs Hofkehren. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung wiederum steigt man bei 2800 Euro ein. Bei den Erzieherinnen sind das zum Teil schon Chefeinkommen.

Gehälter müssen immer auch erwirtschaftet und von jemandem bezahlt werden. Kinderbetreuung? Ist vielen Menschen sicher lieb - das neue Auto aber teuer. Die Auseinandersetzung, die die Gewerkschaften führen, ist daher weniger eine mit kommunalen Arbeitgebern. Im Grunde stellen sie der Gesellschaft die Frage, wofür sie bereit ist, Geld auszugeben.

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