Warenzustellung mit Drohnen:Kleine Schwestern der großen Killer

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Sie können Medikamente in unwegsames Gelände bringen, helfen Wissenschaftlern bei Messungen, nun will der Online-Versandhändler Amazon mit ihnen Waren ausliefern: Mini-Drohnen sind längst viel mehr als Spielzeug. Doch die gesetzliche Lage ist in vielen Ländern unklar.

Von Johannes Boie

Die Proteste in Bangkok sind unübersichtlich geworden, aber die englischsprachige Bangkok Post wusste sich vor ein paar Tagen zu helfen. Sie zeigte als großes Titelbild Tausende protestierende Thailänder aus der Vogelperspektive. Das Bild hatten die Journalisten mit einer Drohne aufgenommen.

Die "Unbemannten Luftfahrtsysteme", wie Drohnen in der Fachsprache heißen, übernehmen immer mehr Aufgaben, manche Branchen ändern sich durch den Einsatz der Geräte: Sie sind kleine Varianten der großen Killer, die man aus Kriegseinsätzen kennt. Diese Mini-Drohnen gibt es mit vier, sechs oder acht Rotoren schon von circa 60 Euro an zu kaufen - für jeden. Je nach Qualität fliegen sie mehrere Stunden, bleiben dank ausgeklügelter Steuersoftware auch im Wind ruhig in der Luft stehen oder ziehen gelassen ihre Flugbahnen. Sie können je nach Größe und Motorleistung mehrere Kilogramm schwere Fracht transportieren. Die Preise sinken. Und die Drohnen sind längst viel mehr als Spielzeug.

Wie das Beispiel der Bangkok Post zeigt, können mit Kameras ausgestattete Drohnen helfen, Aufnahmen von schwer zugänglichen oder gefährlichen Orten zu machen. Den Anfang des Trends markierte die polizeiliche Räumung des Occupy-Protests im New Yorker Zuccotti Park 2011, als Demonstranten Polizisten aus der Luft beobachteten und filmten.

Bier-Lieferung per Drohne

Drohnen und ihre am Boden sitzenden Piloten kontrollieren weltweit Grenzen und Innenstädte, in Deutschland zum Beispiel im Auftrag der Polizei während Demonstrationen. Wissenschaftler messen mit Drohnen in gefährlichen Gegenden Magnetismus, Wärme- und Rauchentwicklung und Gasdichte, sie zählen in der Wildnis Affenpopulationen aus der Luft, ohne die Tiere zu stören.

Dabei ist das Prinzip in der Regel dasselbe: Das Fluggerät an sich wird je nach Einsatzzweck mit einem Zusatz ausgestattet: einer Kamera oder Sensoren. Weil Drohnen wie fast jedes elektrisch oder benzinbetriebene Fluggerät kleine Computerchips enthalten, können sie in der Regel auch programmiert werden. Das bedeutet, dass Drohnen bei drohendem Akkuleerstand automatisch zu einer Ladestation fliegen können und so theoretisch unbegrenzte Zeit autark handeln können: fliegen, laden, fliegen, laden - und irgendwo sitzt ein Mensch und bekommt drahtlos die Daten geliefert, egal ob Bilder oder Messdaten.

Je stärker die Maschinen werden, umso wichtiger werden sie als Transportmaschinen. Nicht nur Amazon plant langfristig, bestellte Produkte per Drohne auszuliefern. Auf einem Festival im südafrikanischen Northam wurde unlängst Bier per Drohne an die Kunden gebracht, die per App bestellt hatten.

Ein Netz aus Drohnen

Der amerikanische Unternehmer Andreas Raptopoulos möchte mit Drohnen jene Milliarde Menschen versorgen, die ohne befestigte Straßen leben müssen, die meisten von ihnen in Afrika. Raptopoulos hat zum Beispiel die Versorgung von Aids-Kranken in Lesotho angekündigt, von denen viele derart abgelegen wohnen, dass Medikamente nur selten in der notwendigen Zeit ihren Weg zu den Patienten finden.

Dafür plant er ein ganzes Netz aus Drohnen, die - untereinander per Software verbunden - jeweils die schnellste Route zu einem Patienten finden sollen. Zwei Kilogramm können seine Geräte über zehn Kilometer innerhalb von 15 Minuten befördern. Ein Flug würde nach seinem Modell nur 24 Cent kosten, könnte aber lebensnotwendige Medikamente zu den Kranken bringen und Blutanalysen in ein Labor. Dabei sind die Geräte mit den wiederaufladbaren Akkus zumindest hinsichtlich ihrer Co2-Belastung auch noch umweltfreundlich.

Die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne plant derweil einen mit mehreren Millionen Dollar ausgestatteten Wettbewerb zur Entwicklung einer Transportdrohne, die 20 Kilogramm tragen kann. Zunächst soll sie in Kenia getestet werden, dann wollen die Schweizer ganze Dörfer an den globalen Markt anschließen.

Das Potenzial der Drohnen kennen natürlich nicht nur Philanthropen. In Calhoun, Georgia, wurden im November vier Männer festgenommen, die via Drohne Handys und Tabak ins örtliche Gefängnis lieferten. Ihren nächsten Besuch im Knast werden die Schmuggler wohl persönlich unternehmen, bis zu 20 Jahre drohen ihnen.

Überhaupt sind Drohnen für Gesetzgeber und Regierungen rund um die Welt eine neue Herausforderung. So gerne sie von den Sicherheitsbehörden zur Überwachung der Bürger eingesetzt werden, so unklar ist vor allem in den Vereinigten Staaten die gesetzliche Lage, wenn ein Bürger selbst zur Drohne greifen möchte, denn das "unbemannte Luftfahrtsystem" ist weder Flugzeug noch Spielzeug. In den USA werden entsprechende Gesetze derzeit debattiert.

Behördliche Erlaubnis notwendig

In Deutschland ist die rechtliche Einordnung sehr viel klarer: Alles, was mehr als 25 Kilogramm wiegt oder den Sichtbereich des Piloten am Boden verlässt, ist verboten. Außerdem muss jedes Fluggerät, das nicht klar als Sportgerät oder Spielzeug erkennbar ist, eine behördliche Erlaubnis haben. Diese erteilen die Landesluftfahrtbehörden.

Ausnahmen von den Regeln werden dabei nicht gemacht, der Gesetzgeber argumentiert vor allem mit der Gefährdung Dritter, etwa im Fall eines Absturzes oder einer Kollision. Je kleiner und leichter eines dieser Fluggeräte ist, umso problemloser stimmen die Behörden dem Betrieb allerdings in der Regel zu. Der Betrieb der von Amazon geplanten Drohnen wären in Deutschland derzeit also kaum möglich.

Ebenso wenig übrigens wie ein allzu detaillierter Blick auf Nachbars Balkon: Auch ein deutscher Drohnenbesitzer ist jederzeit dazu verpflichtet, Datenschutz, Urheberrechte und Persönlichkeitsrechte zu achten.

© SZ vom 03.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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