Cum-Ex:Hamburger Privatbank verklagt Deutsche Bank

FILE PHOTO: The headquarters of Germany's Deutsche Bank are seen early evening in Frankfurt

Haftet die Bank auch in jenen Fällen, in denen sie nur als Dienstleister agierte?

(Foto: Kai Pfaffenbach/REUTERS)
  • Die Hamburger Privatbank Warburg fordert im größten deutschen Steuerskandal Schadenersatz von der Deutschen Bank.
  • Hätte die Deutsche Bank pflichtgemäß Steuern eingetrieben und gezahlt, wären die Steuerermittler nicht hinter der Hamburger Bank her, behauptet Warburg.
  • Zahlreiche weitere Banken könnten von den Finanzbehörden in Anspruch genommen werden.

Von Georg Mascolo und Klaus Ott, Hamburg/München

Im größten deutschen Steuerskandal, bei dem der Fiskus um mehr als zehn Milliarden Euro betrogen worden sein soll, gibt es schwere Vorwürfe gegen die Deutsche Bank. Nach Informationen von SZ, NDR und WDR hat das Hamburger Geldinstitut Warburg beim Landgericht Frankfurt Klage gegen die Deutsche Bank eingereicht. Diese soll es bei großen Aktiengeschäften jahrelang "pflichtwidrig" unterlassen haben, fällige Steuern einzubehalten und an die Finanzämter abzuführen. Die Deutsche Bank könne sich "nicht auf etwaige Rechtsirrtümer" berufen, steht in der Klageschrift von Warburg, die vom 21. Dezember 2018 datiert. Die Deutsche Bank weist alle Vorwürfe zurück.

Warburg sieht sich selbst heftigen Anschuldigungen von Staatsanwälten und Steuerfahndern ausgesetzt. Die Hamburger Privatbank soll beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende bis zu 146 Millionen Euro beim Fiskus abgegriffen haben. 47 Millionen Euro fordert das Hamburger Finanzamt für Großunternehmen bislang zurück. Inklusive Zinsen könnte der Fiskus möglicherweise bis zu 190 Millionen Euro geltend machen (wovon Warburg nicht ausgeht). Bei Cum-Ex-Geschäften täuschten Banken, Börsenhändler und Aktienfonds trickreich die Finanzämter und ließen sich die auf Dividendenerlöse fällige, einmal gezahlte Kapitalertragsteuer gleich mehrmals erstatten.

Christian Olearius, Aufsichtsratsvorsitzender von Warburg, erklärte, sein Institut habe sich rechtmäßig verhalten. "Mit unserer Klage wahren wir unsere Interessen." Der Klage zufolge hat die Deutsche Bank bei den betreffenden Aktiengeschäften als Dienstleister agiert. Warburg fordert, dass die Deutsche Bank "die gesamte Steuerlast tragen" solle. Also für alle Forderungen aufkommen müsse, die der Fiskus jetzt oder künftig gegen das Hamburger Institut habe. Die Deutsche Bank müsse Warburg außerdem den Schaden ersetzen, der durch die Vorwürfe gegen das Hamburger Institut ausgelöst worden und dessen Höhe noch zu bestimmen sei. In einem Schreiben an die Finanzaufsicht Bafin bezeichnet Warburg den Schaden als immens.

Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen Warburg-Aufsichtsratschef Olearius und etliche weitere Beschäftigte wegen Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. In der Klage von Warburg gegen die Deutsche Bank heißt es, hätte diese "ihre steuerlichen Pflichten" erfüllt, wären keine Nachteile für den Fiskus entstanden. In der Klageschrift sind zahlreiche Aktiengeschäfte aufgelistet, bei denen die Deutsche Bank nicht korrekt agiert haben soll. Bei Warburg sei dadurch ohne eigenes Zutun und Wissen eine Steuerschuld entstanden. Das Hamburger Geldinstitut verweist auf einen Rückforderungsbescheid des Fiskus, der Warburg zuging. Darin steht, da die Deutsche Bank keine Steuern einbehalten habe, hätte das Hamburger Institut auch keine Erstattungen erhalten dürfen.

Die Klage hat grundsätzliche Bedeutung und könnte dazu führen, dass nicht nur jene Banken haften müssen, die selbst Cum-Ex-Geschäfte betrieben haben. Sondern auch jene Institute, die bei diesem Aktienhandel als Dienstleister tätig waren und auf die nun hohe Belastungen zukommen könnten. Das betrifft neben der Deutschen Bank zahlreiche andere Geldhäuser aus dem In- und Ausland, die solche Geschäfte abgewickelt hatten.

Der Klageschrift zufolge hatte Warburg bei den vom Fiskus im Nachhinein beanstandeten Geschäften die Aktien von einem Börsenhandelsunternehmen aus London gekauft. Die Handelsfirma aus London wiederum habe sich der Deutschen Bank als sogenannter Depotbank bedient, die Aktien verwahrt oder Kauf- und Verkaufsaufträge ausführt. Warburg behauptet, man habe im Gegensatz zur Deutschen Bank nicht erkennen können, ob es bei den betreffenden Börsengeschäften um einen Leerverkauf von Aktien gegangen sei.

Bei Leerverkäufen geht es um den Handel mit Aktien, die noch nicht im Besitz der Verkäufer sind, sondern von diesen erst noch beschafft werden müssen. Das macht solche Geschäfte unübersichtlich, da vorübergehend unklar ist, wem welche Papiere gehören, wer Dividenden bekommt, wer Steuern zahlen muss und wer Anspruch auf Steuererstattungen hat. Diese Verwirrung nutzten zahlreiche Banken, Börsenhändler und Aktienfonds, um den Fiskus mit mehrmaligen Steuererstattungen auszunehmen. Warburg trägt in der Klageschrift an das Landgericht Frankfurt vor, nur die Deutsche Bank als Depotbank der Börsenhandelsfirma aus London habe bestimmte Details der Aktiengeschäfte gekannt und hätte demzufolge fällige Steuern bei den Handelspartnern einbehalten und an den Fiskus abführen müssen. Das sei aber nicht geschehen.

Deutsche Bank verweist auf Londoner Handelsfirma

Die Deutsche Bank erklärte auf Anfrage, die Klage sei bislang noch nicht zugestellt worden, deshalb "können wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern". Aus der Klageschrift von Warburg geht hervor, dass die Deutsche Bank bereits im September 2016 dem Hamburger Finanzamt erklärt hatte, man hätte keine Steuern einbehalten und an den Fiskus abführen müssen. Die Deutsche Bank will lediglich auf Anweisung der Handelsfirma aus London Geschäfte ausgeführt haben. Warburg hat bereits vor Einreichung der Klage in einem Schreiben an die Deutsche Bank Ansprüche geltend gemacht. Die Deutsche Bank habe dies zurückgewiesen; ebenso wie einen Gesprächswunsch des Hamburger Geldinstituts. Auch das geht aus der Klageschrift von Warburg hervor.

Das Hessische Finanzgericht hat bereits im März 2017 die Finanzbehörden aufgefordert, auch die Depotbanken in Haftung zu nehmen. Einzelne Finanzämter haben das getan, sofern Hinweise vorlagen, dass Depotbanken grob fahrlässig agiert hätten. Zudem hat das Landgericht Frankfurt in einem Urteil vom April 2018 eine Depotbank zu Schadenersatz verurteilt. Auf beide Vorgänge beruft sich Warburg in der Klage gegen die Deutsche Bank.

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