Süddeutsche Zeitung

Vermutete Cum-Ex-Deals:Bericht von Wirtschaftsprüfern belastet Warburg-Bank

  • Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Olearius und zahlreiche weitere Manager und Mitarbeiter von Warburg wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung.
  • Jetzt spricht die Wirtschaftsprüfgesellschaft Deloitte in einem Prüfbericht für die Bankenaufsicht von "besonders schwerer Steuerhinterziehung". Dafür gebe es Erkenntnisse.
  • Warburg und Anwälte widersprechen. Der Bericht weise schwere Rechtsmängel und bemerkenswerte Denkfehler auf und verdiene "keinen rechtlichen Respekt".

Von Georg Mascolo und Klaus Ott, Hamburg

Christian Olearius, Mitinhaber und Aufsichtsratschef der Hamburger Traditionsbank M.M. Warburg, ist das, was man in der Hansestadt eine Institution nennt. Der gebürtige Schlesier zählt zu den einflussreichsten Privatbankiers im Lande. Er hat in jungen Jahren im Norden Firmen saniert, anschließend hat er Warburg als Chef der Bankgruppe groß gemacht - und ist ein begehrter Gesprächspartner, wenn Politprominenz, Geldadel, Sportgrößen und Konzernvorstände gemeinsam feiern. Im Mai 2012 hielt Hamburgs damaliger Erster Bürgermeister Olaf Scholz, heute Bundesfinanzminister, eine der Festreden zum 70. Geburtstag des Juristen mit Doktortitel.

Doch inzwischen ist sein Ruf in Gefahr. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Olearius und zahlreiche weitere Manager und Mitarbeiter von Warburg wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen. Die Beschuldigten sollen in den Cum-Ex-Skandal verwickelt sein, Deutschlands größten Steuerraubzug. Und nun hat die Wirtschaftsprüfgesellschaft Deloitte im Auftrag der Finanzaufsicht Bafin auch noch einen Untersuchungsbericht vorgelegt - der fällt verheerend aus für Warburg und Olearius. Nach derzeitigen Erkenntnissen und Einschätzungen soll sich Olearius zusammen mit zwei Beschäftigten der Bankengruppe bei Cum-Ex-Aktiendeals der "besonders schweren Steuerhinterziehung" strafbar gemacht haben. So steht es in einer 101 Seiten langen Zusammenfassung des Prüfreports, die der Süddeutschen Zeitung, NDR und WDR vorliegt.

Der bislang unveröffentlichte Untersuchungsbericht für die Bafin, die deutsche Bankenaufsichtsbehörde, datiert vom 19. Februar 2019. Darin kommt Deloitte zu dem Ergebnis, dass Olearius auch gegen gesetzliche Vorschriften für die Führung von Banken verstoßen habe. Die Bafin könne deshalb wohl verlangen, ihn als Aufsichtsrat bei Warburg abzuberufen. Dafür lägen, heißt es in dem Prüfbericht von Deloitte, "ausreichende Anhaltspunkte" vor.

Darüber hinaus hält Deloitte bei Warburg zusätzliches Kapital für notwendig, damit die Bankengruppe mögliche Steuernachforderungen in Höhe von bis zu 189 Millionen Euro inklusive Zinsen verkraften könne. "Nach unserem Dafürhalten", schreibt Deloitte, wäre im schlimmsten Fall für Warburg eine zusätzliche Rückstellung in Höhe von 144,5 Millionen Euro zu bilden. Die Bafin und Deloitte äußerten sich auf Anfrage nicht zum Prüfbericht und dessen mögliche Folgen.

Muss der Privatbankier jetzt eine Anklage fürchten?

Die 101 Seiten dürften die Kölner Staatsanwaltschaft eher darin bestärken als davon abhalten, das Verfahren gegen Warburg-Verantwortliche weiter voranzutreiben. Muss Olearius, der demnächst seinen 77. Geburtstag feiert, sich vor einer Anklage fürchten? Hat der wohlhabende Privatbankier aus dem Hause Warburg wirklich mitgemacht, als Geldinstitute aus der halben Welt und internationale Börsenhändler beim Kauf und Verkauf von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende in die Staatskasse gegriffen haben? Indem sie sich eine nur einmal gezahlte Steuer auf Dividenden von den trickreich getäuschten Finanzbehörden gleich mehrmals erstatten ließen. Der Schaden für Staat und Bürger soll mehr als zehn Milliarden Euro betragen.

In der Finanzbranche heißt es, Olearius sei aufgebracht über die Vorwürfe und den Deloitte-Bericht. Klaus Landry, der Anwalt des Warburg-Mitinhabers und Aufsichtsratschefs, äußert sich auf Anfrage und geht mit Deloitte hart ins Gericht. Der Prüfbericht enthalte keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Olearius "in strafrechtlich relevanter Weise" die betreffenden Aktiengeschäfte geduldet, angewiesen, ihnen zugestimmt oder sie genehmigt hätte. Wie Deloitte dann Olearius die "zumindest bedingt vorsätzliche Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten" vorwerfen könne, sei "unerfindlich". Die Glaubwürdigkeit von anderen Cum-Ex-Beschuldigten, die Warburg aus Sicht der Ermittler und der Prüfer belasten, habe Deloitte "nicht hinterfragt", teilte Landry mit.

Warburg und Olearius contra Bafin und Deloitte, und umgekehrt, das ist längst nicht die einzige Konfliktlinie. Noch bleibt abzuwarten, ob es zu einer Anklage und zu einem Prozess gegen Olearius & Co. kommt, doch schon jetzt beschäftigt der Fall die Justiz. Warburg klagt beim Verwaltungsgericht Frankfurt gegen die Bafin. Aus Sicht des Hamburger Geldhauses hätte die Bafin Deloitte gar nicht mit der Sonderprüfung beauftragen dürfen - wegen Befangenheit. Deloitte habe bei Cum-Ex an entlastenden Gutachten für die Deutsche Bank mitgewirkt, und die wiederum sei bei den fraglichen Aktiengeschäften der eigentlich Schuldige. Die Deutsche Bank habe es jahrelang "pflichtwidrig" unterlassen, fällige Steuern einzubehalten und an die Finanzämter abzuführen.

Beim Landgericht Frankfurt klagt Warburg deshalb sogar gegen die Deutsche Bank, die für sämtliche Cum-Ex-Risiken des hanseatischen Geldinstituts haften und eventuelle Steuernachzahlungen übernehmen soll. Die Deutsche Bank wiederum weist das zurück. "Die Klage ist nach unserer Überzeugung substanzlos. Warburg versucht von der eigenen Verantwortung abzulenken." Man werde sich energisch verteidigen und sei sehr zuversichtlich, sich vor Gericht durchzusetzen, erklärt die Deutsche Bank.

Es ist ein Hauen und Stechen, wie es in der Finanzbranche und selbst bei Cum-Ex selten vorkommt. Etliche Finanzinstitute, angefangen bei der Hypo-Vereinsbank, haben schon jeweils mehr als 100 Millionen Euro an den Fiskus zurückgezahlt. Warburg indes wehrt sich so heftig wie keine andere Bank gegen Vorwürfe. Und beteuert im Hinblick auf den Deloitte-Bericht, man habe finanziell alles im Griff. "Die Gesellschafter stehen hinter der Bank." Die Inhaber, das sind vor allem Christian Olearius und Max Warburg aus der Gründerfamilie der Bank, die seit 1798 besteht. Die im Norden über mehr als zwei Jahrhunderte hinweg viel bewegt hat und die bewegte Zeiten hinter sich hat.

Warburg-Anwalt bemängelt Fehler im Bericht

Christian Olearius und Max Warburg sollen bereit sein, ihrer Bank zusätzliches Kapital zu geben, heißt es in der Finanzbranche. Auch gegen Max Warburg, er ist Vizechef des Aufsichtsrats, wird ermittelt. Auch er weist den Verdacht zurück, in den Cum-Ex-Skandal verwickelt zu sein. Auch der Anwalt von Max Warburg, Otmar Kury, geht mit Deloitte hart ins Gericht. Seiner Ansicht nach weise der Prüfbericht schwere Rechtsmängel und bemerkenswerte Denkfehler auf und verdiene "keinen rechtlichen Respekt". Heftiger geht es kaum. Berechtigte Empörung oder Ablenkungsmanöver?

Warburg hat sich von 2007 bis 2011 mit Börsenhändlern und Anwälten eingelassen, von denen einige inzwischen zugegeben haben, bei Aktiendeals in die Staatskasse gegriffen zu haben. Von "betrügerischen Machenschaften" dieser Händler und Berater habe man nichts gewusst, erklärt die Bankgruppe. "Warburg wusste nichts von rechtswidrigen Geschäften." Deloitte sieht das anders. Eine "Gesamtschau der Umstände" spreche dafür, dass Olearius im Bilde gewesen sei, dass er von nicht gezahlten, aber erstatteten Steuern gewusst habe. Es gebe ausreichende Anhaltspunkte, dass Olearius bestimmten Geschäften und damit einer Steuerhinterziehung zugestimmt habe. Christian Olearius will auch das nicht auf sich sitzen lassen.

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Quelle:
SZ vom 17.04.2019/lüü/vwu
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