Mit seinem "wissenschaftlichen Walfang" habe Japan jahrelang gegen das Moratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) verstoßen, hielt der Internationale Gerichtshof in Den Haag im März 2014 fest. In ihrem verbindlichen Urteil wiesen die Richter Japan an, den Walfang im Südpazifik aufzugeben. Australien und Neuseeland, die Kläger, warfen Tokio vor, die angebliche Forschung sei ein Deckmantel für kommerziellen Walfang. Die Forschungsresultate wären auch zu erzielen, ohne dass man die Meeressäuger töte. Tokio gab erst klein bei, kündigte aber ein Jahr später an, man nehme die Jagd vor der Antarktis wieder auf. Dazu wurde die "Forschung" etwas umformuliert.
Japans Regierung verlangt in internationalen Streitereien von den Gegenparteien, sie müssten sich an die "Rule of Law" halten, also an die Gesetze. Tokio selbst denkt jedoch nicht daran, das Urteil von Den Haag in seiner Intention zu akzeptieren. Mit formaljuristischen Kniffs rechtfertigt die Regierung die Wiederaufnahme seines Walfangs in der Antarktis.
Zudem versucht Tokio seit Jahren, die Gewichte in der Walfangkommission zu manipulieren. Dazu hat es arme Binnenländer wie die Mongolei und Laos in die IWC geholt. Die Solomon-Inseln und Nauru im Pazifik, die keinen Walfang betreiben, haben schon für Japans Vorstöße gestimmt, den kommerziellen Walfang wieder zuzulassen. Der frühere Umweltminister Australiens warf ihren Vertretern vor, sie hätten ihre Stimme an Tokio verkauft. Ministern von Dominica, einer Insel in der Karibik, konnte die Presse nachweisen, dass sie sich von Japan bestechen ließen.
An der IWC-Tagung in Portoroz an der slowenischen Adria-Küste vorige Woche fehlten 23 von 88 Mitgliedsstaaten, vor allem Entwicklungsländer. Japan setzte deshalb die Schaffung eines Fonds durch, aus dem armen Ländern die Teilnahme finanziert werden soll. Zugleich wurde Joji Morishita, Japans langjähriger Unterhändler, zum Vorsitzenden gewählt. Beides zusammen verbessert Tokios Chancen, dass die IWC-Tagung in zwei Jahren Regeln zu seinen Gunsten beschließt.
Wirtschaftlich ist der Walfang für Japan weitgehend bedeutungslos, er kostet nur. Die Steuerzahler unterstützen die Fangflotte jährlich mit etwa acht Millionen Euro. Das Walfleisch, das zur Finanzierung der angeblichen Forschung verkauft werden soll, bleibt in den Kühlhäusern liegen. Umfragen zufolge ist der Walfang einer Mehrheit der Japanern egal; fast 90 Prozent essen kein Walfleisch. Es stimmt auch nicht, dass Walfang eine lange Tradition habe. Historisch betrieben nur einige Küstenstädtchen Walfang, einige weitere sogenannten Gelegenheits-Walfang - sie jagten ein Tier, wenn es sich in ihre Bucht verirrte. Wichtig war Walfleisch nur nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Japaner zu wenig Protein erhielten. Aber seit 1960 ist der Absatz um 99 Prozent zurückgegangen. Die einzigen, die von Japans Walfang profitieren, so der "International Fund for Animal Welfare" (IWAF), seien Bürokraten der Regierung. Joji Morishita erzählt gern, wie viele Länder er als Unterhändler schon besucht habe.