Süddeutsche Zeitung

Geldanlage:"In Wälder zu investieren ist wie Lotto spielen"

Lesezeit: 4 Min.

Der Wald scheint in unsicheren Zeiten eine handfeste und stabile Wertanlage zu sein. Doch so ein Investment ist hochriskant - und selbst der Nutzen für die Natur bleibt umstritten.

Von Kathrin Werner und Paulina Würminghausen

Es sind keine guten Zeiten für den Wald. Zumindest nicht in Brandenburg, Sachsen oder vielen Teilen Südeuropas, wo durch die große Trockenheit momentan ein Funken ausreicht, um Brände zu entfachen, bei denen das Feuer ganze Wälder frisst. Fast überall: Dürre. Borkenkäfer. Doch ausgerechnet in der Welt der Finanzen erlebt der Wald gerade eine ganz neue Bedeutung. Denn man kann nicht nur in ihm spazieren gehen und Pilze sammeln - man kann auch sein Geld in Wälder stecken. Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert diese Art der Investition als "Finanzprodukt, das auf der Anpflanzung, dem Wachstum und/oder der Bewirtschaftung von Wäldern basiert". Das heißt übersetzt: Interessierte schließen einen Vertrag ab, in dem man festhält, dass der Wald Erträge erzielen soll und geben dafür einen Teil ihres Vermögens. Wachsen die Bäume wie geplant, erhalten Anlegerinnen und Anleger ihr Kapital zurück, plus Rendite. So ist zumindest die Hoffnung vieler Menschen.

Gerade in Zeiten von Inflation, Ukraine-Krieg und Pandemie wirken Waldinvestments für viele Anlegerinnen und Anleger verlockend. Die Menschen wollen in unsicheren Zeiten ihr Geld in etwas investieren, das man greifen kann, das man anfassen kann, das nicht so schnell wertlos wird. Da scheint der Wald eine sichere Investition zu sein.

Menschen wie Theresa Hauck profitieren von diesem Trend. Im vergangenen Jahr hat sie das Start-up Econos mitgegründet, das Kleinanlegern unter anderem Wald-Investments ermöglicht. Inzwischen hat sie gut 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. "Ich bin keine Waldexpertin, aber leidenschaftliche Wald-Investorin", sagt sie. Die 28-Jährige kommt aus einem kleinen Dorf mit 800 Einwohnern in der Nähe von Schweinfurt. Viel war dort früher nicht los. Was aber immer da war und immer wichtig für sie war: der Steigerwald. Hauck interessiert sich nicht nur für Wälder, sondern seit ihrer Kindheit auch für Geld und Investments. Schon ihr Kommunionsgeld hat sie investiert. Da lag es nahe, Wald und Geld zusammenzubringen.

Das erste Investment ist schon abgeschlossen. Econos hat für rund 1,5 Millionen Euro einen 107 Hektar großen Wald in Sachsen-Anhalt gekauft und binnen weniger als sechs Monate wieder verkauft. Rendite: 15 Prozent. Den Anlegern, eine Zahl Menschen im dreistelligen Bereich, hatte sie eigentlich nur zwei Prozent versprochen.

Doch wie bei vielen Dingen, die eigentlich viel zu gut sind, um wahr zu sein, haben auch Waldinvestments einen Haken. Sogar einen ziemlich großen: Das Ganze ist höchstriskant. "In Wälder zu investieren ist wie Lotto spielen", sagt Merten Larisch von der Verbraucherzentrale Bayern. Es bestehe eine große Möglichkeit, dass man sein Geld nie mehr wiedersehe. Oder es sich zumindest nicht vermehre, so der Experte. Die meisten Unternehmen hält er sogar für einen "Marketing-Gag". "Vielleicht ist das ja alles gut gemeint, aber das Risiko ist einfach viel zu groß", sagt Larisch. Viele Waldinvestments seien außerdem kaum bis gar nicht transparent. Man wisse schlicht nicht, was mit dem eigenen Geld passiere.

Ein Waldinvestment bedeutet hohes Risiko bei wenig Rendite, sagen Experten

"Es ist so, als wenn man an der Bushaltestelle steht und einem wildfremden Menschen Geld leihen würde", sagt Renate Daum. Sie ist Finanztesterin von der Verbraucherorganisation Stiftung Warentest und hat sich intensiv mit Waldinvestments auseinandergesetzt. 2018 führte die Organisation einen Finanztest durch. Alle Angebote bekamen ein mangelhaft attestiert und fielen durch. Auch deswegen, weil Informationen in Prospekten in wesentlichen Punkten nicht nachvollziehbar waren . "Aber im Vergleich zu Econos waren die Informationen damals insgesamt viel umfangreicher", sagt Daum. In welche konkreten Investments das Geld fließe, wie viel Einfluss Econos danach darauf habe - das alles sei bei dem Start-up nirgends auf der Website zu finden.

Econos hält dagegen: Alle relevanten Informationen würden sich auf ihrer Website befinden. "Hieraus ergibt sich eindeutig, um welche Art des Investments es sich handelt." Mit den Daten, insbesondere Namen und Investmentsummen ihrer Anlegerinnen und Anleger ginge man außerdem "mit höchster Sicherheit" um. Deswegen seien keine Angaben dazu auf der Website zu finden.

Das Start-up selbst schätzt das Investitionsrisiko ebenfalls als sehr hoch ein, Stufe sechs von sieben steht auf der Website. "Dafür sind die Renditeaussichten ganz schön mager", sagt Daum. Es sei ja gar nicht sicher, ob man sein Geld überhaupt jemals wiedersehe. Hauck begründet die niedrige Rendite aber mit einer hohen Sicherheit in diesen unsicheren Zeiten, ähnlich wie bei Gold. "Wald ist ein realer Wert und zeichnet sich durch Wertstabilität aus. Der Wert von Wäldern hat sich historisch unabhängig von politischen Krisen und Fluktuation am Aktienmarkt entwickelt", sagt sie. Experten widersprechen Aussagen wie diesen, die Inflation sei kein Grund dafür, in Wälder zu investieren.

Zwar habe es vergangenes Jahr einen Holz-Boom gegeben, doch diese Zeiten seien vorbei: "Der Höhepunkt bei den Holzpreisen ist schon wieder klar abgeflacht", sagt Finanzberaterin Stefanie Kühn aus Westerstede im Ammerland. Wie es in Zukunft aussehe, könne man kaum vorhersehen. Brandgefahr, Schädlingsbefall, Stürme - das alles könnten sehr wahrscheinlich große Herausforderungen für den Wald bedeuten. Für manche Risiken der Waldinvestments gibt es zwar Versicherungen, etwa für Waldbrände. Und viele Wälder kommen nicht infrage, zum Beispiel weil die Gefahr eines Ungezieferbefalls zu groß ist oder weil sie zu teuer sind. Dennoch bleibt ein Risiko, das es so bei anderen Anlageformen nicht gibt.

Es sei eine "ökologische Geldanlage", werben die Unternehmen - doch stimmt das?

Nun könnte man meinen, ein Waldinvestment sei zumindest gut für die Natur - und man könnte deswegen über eine schwache Rendite und hohe Risiken hinwegsehen. Unternehmen wie Forest Finance, Miller Forest Investment oder eben Econos werben genau mit diesem Argument, etwa mit Werbesprüchen wie: "Wir machen Wald", "Investieren mit Sinn" oder "eine ökologische Geldanlage". Natürlich ist der Wald ein Lebensraum für Tiere und Pflanzen, er atmet, er wandelt CO um. Ein Drittel der Landesfläche Deutschlands ist bewaldet. Das sind 11,4 Millionen Hektar. Trotzdem heißt es nicht, dass ein Waldinvestment unbedingt gut für die Umwelt ist. Im Ausland werde etwa zum Teil vergleichsweise schnell wachsendes Holz angebaut, wodurch Monokulturen entstünden, "die in wenigen Jahren hochgezüchtet werden", sagt Daum von Stiftung Warentest.

Theresa Hauck dagegen versucht mit ihrem Start-up unter anderem auch die Bewirtschaftung von Wäldern nachhaltiger und damit langfristig profitabler zu gestalten. So gelang Econos auch die große Wertsteigerung bei dem ersten Waldprojekt in Sachsen-Anhalt. Der Wald war eine Monokultur, es fehlte an Artenvielfalt und an Klimaresistenz, erzählt die Gründerin. Gemeinsam mit Experten habe das Start-up dann ein Konzept entwickelt, das etwa festlegt, welche Baumarten bis wann gepflanzt werden müssen und auf welchen Flächen eine Wiese entstehen soll für das Wild. Für jeden Wald müsse man einen genauen Plan erstellen. "Ein großes Problem ist, dass Wälder nicht nachhaltig bewirtschaftet werden", sagt Hauck.

Ob sich das wirklich durch Waldinvestments ändern lässt? Eine Fallstudie der Tropenwaldstiftung Oroverde und dem Global Nature Fund hat anhand von sechs Projekten untersucht, wie sich Waldinvestments in tropischen Wäldern sowie in der nördlichen Hemisphäre auf die Umwelt und die lokale Bevölkerung auswirken. Das Fazit ist ernüchternd: Es werde "die Mehrheit der untersuchten Waldinvestments ihrer ökologischen Verantwortung nicht gerecht".

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