Süddeutsche Zeitung

Wahlkampfhilfe für Koalitionsabgeordnete:Von der Leyens Trickkiste

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Ursula von der Leyen will ihren Parteikollegen beim anstehenden Wahlkampf helfen. Verboten ist das nicht. Wenn eine Ministerin allerdings ausschließlich Koalitionspolitiker über ihre Arbeit informiert, wird es heikel.

Thomas Öchsner

Bundestagsabgeordnete haben zwei Leben: das eine in Berlin, über das ihre Wähler häufig nichts mitbekommen, das andere zu Hause im Wahlkreis. Vor allem hier sammeln sie die Pluspunkte dafür, dass das, was oben in der fernen Hauptstadt entschieden wird, bei den Menschen ganz unten auch wirklich ankommt. Und dabei kann jede Meldung in der Lokalzeitung über das mehr oder weniger segensreiche Wirken des jeweiligen Bundespolitikers helfen.

Das Bundesarbeitsministerium, das von der umtriebigen Ursula von der Leyen (CDU) geführt wird, hat deshalb für die Abgeordneten eine besondere Dienstleistung entwickelt. Fördert ihr Haus ein Projekt in einem Wahlkreis, sollen die Beamten des Ministeriums die jeweiligen Volksvertreter darüber automatisch informieren.

Von diesem Extraservice sollen zunächst aber nur "alle Abgeordneten der Regierungsfraktionen des Deutschen Bundestags" profitieren, heißt es in einem internen Schreiben der Zentralabteilung des Ministeriums, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Von Vertretern der Oppositionsparteien, die sicherlich auch gerne wissen wollen, wann Geld aus Berlin in ihren Wahlkreis fließt, ist nicht die Rede.

Gebrauchsanleitung für den Extraservice

Damit dabei auch ja nichts schiefgeht, ist in dem Brief vom 22. Februar an die Abteilungsleiter I bis VI minutiös aufgeführt, wie die Sache vonstatten zu gehen hat: Ist eine bestimmte Zuwendung reif für die Bewilligung, soll die jeweilige Fachabteilung herausfinden, "ob das zu fördernde Projekt im Wahlkreis eines Koalitionsabgeordneten liegt". Danach sei der zuständige parlamentarische Staatssekretär zu informieren - und zwar "unmittelbar per E-mail (d.h. nicht auf dem Dienstweg)". Dieser soll dann an den jeweiligen Abgeordneten schriftlich die frohe Botschaft weiterreichen.

Weil die Staatsdiener im Ministerium dabei auch nichts falsch machen sollen, wurden der Anweisung gleich zwei Muster beigefügt: für das Informationsschreiben an die Abgeordneten und für den "Projekt-Steckbrief", der erläutert, wofür und in welchen Umfang das Geld der Steuerzahler verwendet wird. Dabei sollen die jeweiligen Volksvertreter möglichst bereits vor Bewilligung des Projekts über das Geschenk aus Berlin erfahren. Dies habe "Frau Ministerin" den Abgeordneten "verbindlich zugesagt", heißt es in dem Schreiben.

Nun gilt es als nichts Ungewöhnliches, wenn eine Regierung Abgeordnete der Regierungsfraktionen exklusiv mit Informationen bedient. Das ist politischer Alltag, egal wer regiert. Dafür ein formalisiertes schriftliches Verfahren zu schaffen, ist jedoch äußerst heikel, erst recht, wenn man sich dabei erwischen lässt.

Heil: "Ein dreistes Stück"

Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, sagt: "Das ist ein ziemlich dreistes Stück aus dem Hause von der Leyen. Hier werden Koalitionsabgeordnete einseitig begünstigt, um sie für die PR-Maschine der Arbeitsministerin einzuspannen." Von der Leyen setze mit ihrer Anweisung "den Apparat eines ganzen Ministeriums für ihre parteipolitische Werbestrategie ein".

Der Sprecher der Arbeitsministerin sieht dies natürlich ganz anders. Konfrontiert mit dem internen Schreiben sagt er: Die Abgeordneten der Regierungsfraktionen hätten "um einen verbesserten und systematischen Informationsservice gebeten". Diesem Wunsch werde mit dem neuen Verfahren "auf angemessene Weise" Rechnung getragen.

Wenn Abgeordnete der Opposition entsprechende Anfragen an das Ministerium richten würden, "werden die Informationen selbstverständlich in gleicher Weise aufbereitet und zur Verfügung gestellt". Für den Sprecher von der Leyens steht daher fest: "Es wurden und werden keine Abgeordneten von der Information ausgeklammert."

SPD-Fraktionsvize Heil hält diese Darstellung allerdings für "unglaubwürdig und durchsichtig". Nachdem von der Leyen bei diesem "unglaublichen Vorgang" ertappt worden sei, versuche ihr Pressesprecher, "die Angelegenheit offensichtlich zu vernebeln". Es bleibe eine Tatsache, dass "Frau von der Leyen mit Steuergeldern ein exklusives Informationssystem für Koalitionsabgeordnete aufbauen wollte", sagt er.

Für den Sozialdemokraten ist der Vorgang deshalb sogar "ein Fall für den Bundestagspräsidenten". Schließlich verletze die Anweisung aus dem Arbeitsministerium "eindeutig die Informationsrechte der anderen Abgeordneten des Deutschen Bundestags".

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SZ vom 03.03.2012
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