Wahlkampf:Endlich Entlastung für Familien

Happy family. Father, mother and children playing a video game Father and son playing video games together on the floor.

Alle strahlen und sind glücklich? Die Wirklichkeit vieler Familien sieht anders aus: Eltern zerreißen sich zwischen Vollzeitjobs, Kinderbetreuung und Beschulung, die in der Pandemie ganz zusammenbrach.

(Foto: imago images)

Die Bundesregierung interessiert sich nicht ernsthaft für Kinder und Eltern. Zeit, dass sich das ändert.

Kommentar von Kathrin Werner

Mama mit Kind auf dem Schoß, Papa daneben, alle über ein Bilderbuch gebeugt, alle strahlen, alle adrett gekleidet. Im Hintergrund die riesige, lichtdurchflutete Küche, frisches Obst griffbereit. So stellt sich die CDU Familienleben in Deutschland vor, so zeigt sie es auf ihrer Internetseite. "Familienfreundlichkeit ist Markenzeichen einer jeden unionsgeführten Bundesregierung", schreibt die Partei dazu in ihrem Wahlprogramm.

Die Wirklichkeit sieht anders aus, in sehr vielen Familien zumindest. In Wirklichkeit zerreißen sich Eltern zwischen ihren Vollzeitjobs, ohne die sie sich die Miete kaum leisten könnten, und einer Kinderbetreuung und Beschulung, die in der Pandemie ganz zusammenbrach und auch vorher nur mäßig funktionierte. In Wirklichkeit sahen die Jugendämter im Jahr 2020 das Wohl von circa 60 000 Kindern innerhalb ihrer Familien in Gefahr, etwa wegen prügelnder Eltern, neun Prozent mehr als im Vorjahr - ein neuer Höchststand. In Wirklichkeit gibt es in Deutschland 2,7 Millionen Alleinerziehende, die meisten von ihnen Frauen, die ein viermal so hohes Armutsrisiko haben wie Paarfamilien mit Kindern. Im neunten Familienbericht der Bundesregierung geben fast 40 Prozent von ihnen an, sich die Förderung für ihr Kind nicht leisten zu können, die sie sich eigentlich wünschen. Für frisches Obst in lichtdurchfluteten Küchen fehlt das Geld, für fröhliches Bücherlesen die Zeit. Und der Vater fehlt auch oft - weil er nicht mehr Teil der Familie ist, oder weil er mal wieder lange bei der Arbeit bleiben muss.

Ernsthaft für Familien interessiert sich diese unionsgeführte Bundesregierung nicht. Familienpolitik ist teuer. Jede Verbesserung, die einzelnen Familien ein paar Euro bringt, kostet gleich Milliarden. Und sie ist schwierig, weil alles mit allem zusammenhängt. Ein Beispiel: Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden hat seine Wurzeln auch in den ungleichen Chancen von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt. Wenn Frauen weniger verdienen in ihren "typischen Frauenjobs", nehmen sie eher eine lange Elternzeit als die Väter, nicht nur wegen tradierter Rollenbilder, sondern auch, weil es sich die Familie nicht anders leisten kann. Das Ehegattensplitting, das dem weniger verdienenden Partner, also meist der Ehefrau, den Anreiz zum Arbeiten weiter vermindert, tut sein Übriges. Und so landen Frauen in der Teilzeitfalle. Nach der Scheidung stehen sie mit so wenig Geld da, dass sie sich keinen Blockflötenunterricht für ihre Kinder leisten können.

Doch nur weil sich die gesellschaftlichen Probleme so schwer lösen lassen und alle Verbesserungen teuer sind, heißt das nicht, dass die Politik sie einfach ignorieren darf. Teuer ist vieles, auch das Lufthansa-Rettungspaket. Familienverbände haben nun von der künftigen Bundesregierung finanzielle Entlastungen für Familien und ernsthaftere Familienpolitik gefordert. Familien seien systemrelevant, heißt es beim Deutschen Familienverband. Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen spricht von einer "Auszehrung und Erschöpfung der Familien". Und der Verband alleinerziehender Mütter und Väter dringt auf steuerliche Entlastungen für Alleinerziehende und einen Ausbau der Kinderbetreuung. Recht haben sie, die Verbandslobbyisten.

Familien kann man mit Geld helfen, aber nicht nur

Familien kann man mit Geld helfen, aber nicht nur. Hier eine Liste mit Forderungen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Eine Entlastung bei den Sozialbeiträgen für Menschen mit Kindern, also ein Kinderfreibetrag bei Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Abgeschafft und durch gerechte Regelungen ersetzt werden sollte dagegen alles, was Mütter vom Arbeiten abhält: etwa das Ehegattensplitting, ihre Familienversicherung oder die steuerfreien Minijobs. Das Elterngeld sollte so neu gestaltet werden, dass Väter nicht nur die zwei "Vätermonate" nehmen, sondern einen finanziellen Anreiz haben, mehr Auszeit vom Beruf für ihre Babys anzustreben. Alleinerziehende brauchen einen deutlich höheren steuerlichen Entlastungsbetrag. Flexibles Arbeiten, was Arbeitszeit und Arbeitsort betrifft, muss ein gesetzlicher Anspruch werden. Mehr und bessere Kita-Plätze und mehr Gehalt für Erzieherinnen und Erzieher. Schulen, in denen das Internet funktioniert. Mehr bezahlbarer Wohnraum.

"So sehen wir Familie: Wenn Eltern mit ihren Kindern lachen, weinen, lernen und gemeinsam das Leben angehen", steht auf der CDU-Internetseite. Höchste Zeit, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen.

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