Die Queen Street in Auckland ist Neuseelands feinste Adresse. Die wichtigen Banken haben hier ihre Filialen, dazu jede Menge Kaufhäuser und edle Restaurants. Gleich um die Ecke liegt die Auckland Art Gallery, das Museum beherbergt die größte Kunstsammlung des Landes. Hausnummer 303 ist das Rathaus, hier tagt das Stadtparlament, ab und zu finden auch Konzerte in der Great Hall des Rathauses statt.
Nur eine Straßenecke weiter steht ein graues, mehrstöckiges Bürogebäude. Haus Nummer 369. Rechts die Tiefgarage, links der Eingang, dahinter die Briefkästen. Es müssen viele sein, richtig viele: Denn laut dem neuseeländischen Handelsregister haben tausende Firmen hier ihren Sitz. Aber nicht irgendwelche Firmen, sondern solche, die mit Waffenschmugglern, Drogenbossen und Steuerbetrügern geschäftlich verbunden sind. Und dann führen auch noch die Spuren des größten Finanzverbrechen Russlands direkt hierher, in den fünften Stock, zu einer Firma namens GT Group.
GT, das sind die Initialen des englischen Einwanderers Geoffrey Taylor. Der 70-Jährige bezeichnet sich als "Sir", als Ritter also, nur eben: zu Unrecht. Er führt auch den Professorentitel einer Briefkastenuniversität, die er selbst gegründet hat. Inzwischen leiten seine beiden Söhne Ian und Michael Taylor die GT Group. Ihr Geschäft besteht darin, gegen Gebühr im Herzen Aucklands anonyme Unternehmen zu registrieren. Auf Wunsch bekommt man auch noch einen Pro-Forma-Geschäftsführer dazu, 350 Dollar kostet ein Scheindirektor. All dies ermöglichen die laxen neuseeländischen Gesetze, und seit Mitte der Neunzigerjahre machen die Taylors damit ihr Geld.
Die Süddeutsche Zeitung hat in einer monatelangen Recherche tausende E-Mails und Unterlagen gesichtet, die einen tiefen Einblick in die Welt der Scheindirektoren und der Offshore-Branche gewähren. Es ist erstaunlich, wie oft die Stränge der internationalen Kriminalität in dem grauen Bürogebäude in der Queen Street 369 zusammenlaufen. Ob illegale Waffentransporte von Nordkorea nach Iran, mexikanische Drogenkartelle, die Milliarden mit Hilfe von Scheinfirmen waschen, oder der bislang größte Steuerskandal in Russland - überall haben die Taylors mitgewirkt und dabei geholfen, Spuren zu verwischen.
Mehrere Anfragen der Süddeutschen Zeitung haben die Taylors nicht beantwortet. Ihre Spuren aber lassen sich auch ohne Erklärung lesen - in Bangkok, auf den Britischen Jungferninseln, in Miami und Moskau.