Dreht Wladimir Putin der EU im Streit um die Ukraine den Gashahn zu? Diese Sorge treibt Politik und Wirtschaft seit Monaten immer wieder um. Deutschland würde ein Lieferstopp hart treffen, da die Importe aus Russland ein Drittel des heimischen Erdgasbedarfs decken. Die Hausbesitzer dagegen reagieren gelassen - sie haben offenbar keine Angst, dass ihnen der Brennstoff ausgehen könnte. Das Heizen mit Erdgas ist so beliebt wie nie zuvor, wie aktuelle Zahlen des Bundesverbands der Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) zeigen: Gaskessel hatten im vergangenen Jahr einen Anteil von 76 Prozent an allen neu installierten Heizungsanlagen in Deutschland. Das ist ein neuer Rekord.
Manche Experten hatten eigentlich erwartet, dass die Debatte um die Abhängigkeit vom russischen Erdgas den Erneuerbare-Energien-Heizungen Schub geben würde . Doch das Gegenteil trat ein: Nach dem ohnehin schleppenden Absatz in den Vorjahren haben die Öko-Anlagen 2014 weiter an Marktanteilen verloren. Am besten haben sich noch die Wärmepumpen geschlagen, deren Verkaufszahlen nur um drei Prozent gesunken sind. Der Rückgang geht auf das Konto der effizienten Sole-Wasser-Wärmepumpen, während die weniger sparsamen Luft-Wasser-Wärmepumpen sogar leicht zulegen konnten. Die Hersteller von Solarthermie-Kollektoren mussten ein Minus von zwölf Prozent verbuchen. Bei den Holz-Heizkesseln brach die Nachfrage sogar um ein Viertel ein.
BDH-Hauptgeschäftsführer Andreas Lücke verweist dabei auf ein interessantes Phänomen. Die Marktforschung des Verbandes zeige, dass die Hausbesitzer heute ganz anders handeln als noch 2008, als Putin schon einmal mit einem Lieferstopp drohte. "Damals gab es in der Folge einen enormen Boom bei den erneuerbaren Energien", sagt Lücke. Fast jeder zweite Eigentümer entschied sich zu dieser Zeit bei einer Modernisierung oder einem Neubau für eine Heizung, die ausschließlich oder teilweise erneuerbare Energien nutzt - also entweder für eine Wärmepumpe, einen Holzkessel oder eine Kombination aus Gas- beziehungsweise Ölbrenner und Solarthermie-Kollektoren. Heute tut dies nur noch jeder fünfte Hausbesitzer.
Der niedrige Ölpreis hat den Absatz alternativer Heizungen abgewürgt
Warum lassen die Deutschen derzeit beim Heizen lieber die Finger von Holz, Umweltwärme und Sonnenenergie? "Zum einen hat die leidige Diskussion um die Einführung eines Steuerbonus für energetische Sanierungen dazu geführt, dass Hausbesitzer Investitionen in eine neue Heizung verschoben haben", erklärt Dirk Mobers von der Energieagentur Nordrhein-Westfalen. Dies betrifft allerdings ebenso konventionelle Heizungen. Schwerer dürfte der Preisrutsch beim Heizöl wiegen, den Mobers als zweiten Grund anführt. "Früher wurden Ölheizungen häufig durch Holzkessel ersetzt, wenn eine Modernisierung anstand. Mit dem niedrigen Ölpreis steigen nun deutlich weniger Hausbesitzer auf Holz um", sagt der Energieexperte. Darunter leide in der Folge auch die Solarthermie, die oft mit einer Holzheizung gekoppelt werde. Allerdings sind Holzpellets mit einem Preis von etwa fünf Cent pro Kilowattstunde erzeugter Wärme immer noch deutlich billiger als die fossilen Brennstoffe. Für Gas und Öl müssen die Verbraucher momentan circa sechs bis sieben Cent bezahlen. Bei Wärmepumpen liegt der Preis je nach Anlagentechnik und Stromtarif zwischen fünf und neun Cent pro Kilowattstunde Wärme.
Gerade einmal zehn Prozent des heimischen Wärmebedarfs wird aus regenerativen Quellen gedeckt - beim Strom liegt der Anteil fast dreimal so hoch. Viel zu wenig, um die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen, meint die Bundesregierung. Sie will den Anteil bis 2020 auf 14 Prozent steigern. Mit dem gewünschten Nebeneffekt, die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu mindern.
Wichtigstes Instrument ist die finanzielle Förderung durch das Marktanreizprogramm, kurz MAP, das den Einbau von Ökoheizungen in Bestandsbauten bezuschusst. Zum 1. April hat die Bundesregierung die Fördersätze stark erhöht. Wie groß das Plus konkret ausfällt, hängt von der verwendeten Technologie ab. Zudem werden jetzt auch Anlagen wie etwa Solarthermiesysteme für die Warmwasserbereitung subventioniert, für die es zuvor kein Geld gab. "Das MAP wird damit deutlich attraktiver. Wir erwarten, dass die verbesserte Förderung den Absatz von Wärmepumpen, Solarthermieanlagen und Holzkesseln ankurbeln wird", erklärt BDH-Geschäftsführer Lücke.
Die Fördermittel können gleichermaßen von privaten wie gewerblichen Immobilieneigentümern in Anspruch genommen werden. Auch für den Bau von Wärmenetzen, etwa zur Versorgung von Neubauvierteln, steht künftig mehr Geld zur Verfügung.
Während das Zuckerbrot also recht üppig ausfällt, lässt die Bundesregierung die Peitsche lieber im Schrank - ein von Klimaschützern und einigen Verbänden geforderter Zwang zur Nutzung erneuerbarer Energien bei der Heizungsmodernisierung ist laut Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Das wäre auch kontraproduktiv, meint Corinna Merzyn, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Privater Bauherren (VBP). "Ein solcher Schritt würde Sanierungsbemühungen vielfach schon im Keim ersticken", ist Merzyn überzeugt. Ihre Sorge: Hausbesitzer würden ihre alten Kessel dann oftmals einfach weiterlaufen lassen, weil sie die Mehrausgaben für die alternative Technik nicht tragen können oder wollen. Ähnlich argumentiert die Heizungsindustrie.
Wer dagegen neu baut, ist bereits seit 2009 durch das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz des Wärmebedarfs aus regenerativen Quellen zu decken. Alternativ können die Bauherren in Ersatzmaßnahmen wie eine besonders dicke Wärmedämmung investieren. Im Zuge der anstehenden Novellierung des EEWärmeG will die schwarz-rote Koalition das Gesetz mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) abgleichen, um die Anwendung zu vereinfachen. Aus dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung ist zu hören, dass das EEWärmeG angesichts der geplanten Verschärfung der EnEV sogar ganz abgeschafft werden könnte. Der Wärmebedarf von Neubauten müsse nämlich künftig so weit gesenkt werden, dass eine eigene Vorgabe für erneuerbare Energien dann überflüssig sei.