Währungsunion:Euro-Staaten streiten erbittert über den Schutz ihrer Währung

Euro-Skulptur in Frankurt
(Foto: Arne Dedert/dpa)
  • Wie wird der Euro krisensicherer? Diese Frage sorgt für Konflikte innerhalb der Währungsunion.
  • Die Staaten haben unterschiedliche Vorstellungen, wer einspringen soll, wenn ein Land in Not gerät.
  • Für weitaus mehr politischen Konfliktstoff sorgt noch die angestrebte Vollendung der Bankenunion. Institute in Südeuropa bleiben aufgrund fauler Kredite ein Risiko.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Während in Berlin um eine neue Bundesregierung gerungen wird, hat in Europa ein anderer Machtkampf begonnen: der Wettstreit um die große Euro-Reform. Nach Griechenland-Drama, Brexit und anderen Turbulenzen ist die EU fest entschlossen, die Währungsunion krisensicher zu machen. Die Gelegenheit dafür ist günstig. Die Wirtschaft im Euro-Raum hat sich erholt, und politisch gibt es bis zu den Europawahlen 2019 ein seltenes Zeitfenster, das die Staats- und Regierungschefs nutzen wollen. Ihre Finanzminister sind dabei, Fahrplan und Themen abzustecken. Einfach ist das nicht, denn die Reform-Vorstellungen liegen weit auseinander. Das gegenseitige Misstrauen sitzt tief. Der Euro, der die Gemeinschaft einen sollte, ist zum Spaltpilz des Kontinents geworden. Der Kampf ums Geld ist in vollem Gange.

Bis zum EU-Gipfel im März wollen sich Deutschland und Frankreich auf eine gemeinsame Position verständigen. Bereits im Juni soll es nach dem Willen von EU-Ratspräsident Donald Tusk "konkrete Reformbeschlüsse" geben. Im Mittelpunkt stehen vor allem zwei Themen: die Vollendung der Bankenunion mit einer gemeinsamen Einlagensicherung für die Sparguthaben und der Ausbau des Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds. Andere strittige Themen, wie etwa die Schaffung eines Euro-Finanzministers, werden erst sehr viel später auf die Agenda kommen.

Fest steht: Die Bedeutung des bisherigen ESM wird in jedem Fall zunehmen. Da sich der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) aus der künftigen Überwachung von sogenannten Programmländern - zurzeit ist das nur noch Griechenland - zurückziehen wollen, bleibt das wohl der EU-Kommission und einem Europäischen Währungsfonds überlassen. Soweit herrscht Einigkeit unter den Euro-Staaten. Doch insbesondere südeuropäische Länder dringen darauf, dass es beim ESM (oder im EU-Haushalt) noch eine sogenannte Stabilisierungsfunktion geben soll. Diese könnte Ländern der Währungsunion helfen, die unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten; Ökonomen sprechen von asymmetrischen Schocks.

Lustige Wortwechsel unter Ministern

Würde etwa Irland wegen eines harten Brexit ins Taumeln geraten oder die Katalonien-Krise Spanien in große Not bringen, könnte die Gemeinschaft einspringen. Die brisante Frage ist nur: Woher soll das Geld dafür kommen? Und wer entscheidet darüber, ob es sich tatsächlich um einen Schock handelt, für den das betroffene Land nichts kann? Nachdem die EU-Kommission für ihre laxe Auslegung des Stabilitätspakts heftig kritisiert wird, pochen vor allem die Nordeuropäer darauf, dass die Brüsseler Behörde in diesen Fragen nicht das letzte Wort hat. Wenn es überhaupt so weit kommt, denn insbesondere Deutschland ist davon nicht überzeugt.

Peter Altmaier, der geschäftsführende Bundesfinanzminister, sagt jedenfalls, dass ihm bislang noch niemand habe erklären können, wofür das gut sein soll. Er fühle sich dann immer an "lustige Wortwechsel" mit seinen Finanzminister-Kollegen erinnert. So mancher würde ihm entgegnen, eine Stabilisierungsfunktion sei wichtig, wenn sich die Konjunktur in einem Land abkühle. Nun, ein asymmetrischer Schock ist etwas anderes. Er habe deshalb "manche überzogenen Erwartungen dämpfen müssen", sagt Altmaier.

Die Vollendung der Bankenunion sorgt für Konflikte

In der Tat hoffen vor allem südeuropäische Staaten auf eine Neuausrichtung der deutschen Europa-Politik. Gerade das Sondierungspapier einer möglichen großen Koalition aus CDU, CSU und SPD hat die Erwartung geweckt, dass Berlin sich von der bisherigen Euro-Politik des früheren Finanzministers Wolfgang Schäuble verabschieden könnte. So ist im Europa-Kapitel davon die Rede, den ESM "zu einem parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds weiterzuentwickeln, der im Unionsrecht verankert sein sollte". Schäuble hatte immer darauf bestanden, dass der zwischenstaatlich geschaffene ESM nicht in EU-Gemeinschaftsrecht überführt wird - und stellte sich damit gegen die Pläne der EU-Kommission. Auch Altmaier will die Kontrolle der Mitgliedsstaaten über den Fonds nicht ganz aufgeben. Ihm schwebt ein ähnliches Modell wie bei der EZB oder der Europäischen Investitionsbank (EIB) vor. Neben dieser heiklen juristischen Frage, die über Zugriffs- und Kontrollrechte entscheidet, ist eine weitere mögliche Funktion des ESM relativ unumstritten. Der Fonds soll die Letztsicherung ("Backstop") für den Banken-Abwicklungsfonds übernehmen.

Für weitaus mehr politischen Konfliktstoff sorgt die angestrebte Vollendung der Bankenunion. Von deutscher Seite sträubte sich schon Schäuble gegen die geplante Einlagensicherung - wobei er diese nie ganz ausgeschlossen hat. Auch Altmaier versichert, dass Deutschland seine Haltung nicht geändert habe. Zunächst müssten die Risiken in den Bankbilanzen reduziert werden - erst dann sei man in Berlin bereit, "politische Arbeiten" in Sachen Einlagensicherung zu beginnen. Gerade in Ländern wie Griechenland und Italien sitzen Banken noch immer auf einem großen Berg fauler Kredite. Im Juni soll ein überarbeiteter Fahrplan für die Bankenunion beschlossen werden. Ob dann auch ein Termin für die Einlagensicherung feststeht, ist zweifelhaft. Altmaier erinnert in diesem Zusammenhang gern an die im Maastricht-Vertrag beschlossene Euro-Einführung. Diese ist Schritt für Schritt erfolgt - und dauerte am Ende zehn Jahre.

Sparkassen und Volksbanken bleiben stur

Wie es aussieht, wird Deutschland seinen Verhandlungswillen an vier Bedingungen knüpfen. Da wäre allen voran eine Obergrenze für die Summe an faulen Krediten, die Banken nicht überschreiten dürfen. Auch für heimische Anleihen, die ein Land hält, soll es ein Limit geben. Hinzu kommt: Die Euro-Staaten müssen ihr Insolvenzrecht anpassen und alle Banken genügend Kapital privater Gläubiger im Fall einer Pleite vorrätig haben. Erst wenn all diese Punkte erfüllt sind, dürfte die finale Debatte über die europäische Einlagensicherung beginnen, die von deutschen Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken kategorisch abgelehnt wird.

Der neue Euro-Gruppen-Chef Mário Centeno ist fest entschlossen, die Bankenunion zügig voranzutreiben. Er selbst kommt aus Portugal, das in der Euro-Krise auf die Hilfe der anderen Staaten angewiesen war. Das will keiner in Europa noch einmal erleben. Centeno erst recht nicht, denn er weiß noch wie es war - das ist es ja.

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