Süddeutsche Zeitung

Währungen:Was eine Euro-Dollar-Parität bedeutet

  • Der Euro verliert gegenüber dem Dollar immer weiter an Wert. Beobachter gehen davon aus, dass bald die Parität erreicht wird.
  • Der günstigere Euro hilft exportorientierten Firmen in der Eurozone.
  • Hintergrund ist unter anderem die Politik der EZB. Sie kauft Staatspapiere im Wert von Dutzenden Milliarden Euro.
  • Die Zinsen sind zudem extrem niedrig. Das bringt Anleger in eine verzwickte Lage.

Analyse von Nikolaus Piper

Der Kursrückgang ist atemberaubend. Noch vor einem Jahr musste man 1,39 Dollar bezahlen, um einen Euro zu bekommen. An diesem Mittwoch waren es weniger als 1,06 Dollar. Binnen zwölf Monaten hat sich die europäische Gemeinschaftswährung damit um 23 Prozent verbilligt. Allein in diesem Jahr verlor der Euro zwölf Prozent seines Wertes gegenüber dem Dollar, der Kursverfall hat sich zum Schluss deutlich beschleunigt.

Jetzt stellen sich die Finanzmärkte darauf ein, dass die Kurse der beiden wichtigsten Währungen der Welt noch in diesem Frühjahr Gleichstand erreichen. Ein Dollar für einen Euro - das gab es zuletzt am 26. Januar 2002, kurz nach dem Zusammenbruch der großen Internet-Spekulation. Was derzeit auf den Devisenmärkten passiert, geht weit über das übliche Auf und Ab der Währungen hinaus. Die Parameter der Weltwirtschaft haben sich geändert: Auf der einen Seite stehen die Vereinigten Staaten, deren Wirtschaft die Finanzkrise überwunden hat und nun nachhaltig wächst. Auf der anderen die Euro-Zone und die Gruppe der Schwellenländer. Sie kämpfen noch mit den Krisenfolgen, leiden unter anämischem Wachstum und führen einen Abwertungswettlauf, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

Der Kurs der Notenbanken macht die neue Lage deutlich. Diese Woche begann die Europäische Zentralbank mit ihrem Programm zum Kauf von Wertpapieren (Quantitative Easing), bei dem sie jeden Monat für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen erwerben wird. Insgesamt will die EZB auf diese Weise 1,1 Billionen Euro frisches Geld schaffen. Bei der Federal Reserve in Washington stehen die Zeichen dagegen auf Normalisierung. Kommenden Mittwoch wird die Fed vermutlich, so spekulieren amerikanische Medien, nach ihrer regulären Sitzung eine Erklärung veröffentlichen, aus der alle ablesen können, dass die Fed im Juni die Zinsen erhöhen wird.

Wolfgang Schäuble bekommt derzeit Kredit praktisch umsonst

Die Investoren an den Börsen versuchen derzeit noch, die neue Lage zu bewerten - mit zum Teil überraschenden Ergebnissen. Die Wall Street erlebte am Dienstag einen regelrechten Einbruch. Der Dow Jones ging um 1,8 Prozent zurück - der bisher größte Tagesverlust dieses Jahres. Offenbar fürchteten die Anleger, der teure Dollar könne den amerikanischen Exporten schaden. Zudem erwarteten sie eine schnelle Zinserhöhung durch die Fed. Tags drauf die Übertreibung in der anderen Richtung: Europas Aktienmärkte erlebten eine Rally, der Dax in Frankfurt legte um fast 1,8 Prozent zu. Hier stand die Hoffnung auf das billige Geld der EZB und die wohltuende Wirkung des billigen Euros auf die Exporte im Mittelpunkt. Aber auch die Börsen in New York erholten sich am Mittwoch wieder.

Die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere entwickelten sich dank EZB fast gespenstisch. Die Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen sank am Mittwoch kurzzeitig unter die Marke von 0,2 Prozent. Das bedeutet: Anleger sind bereit, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ihr Geld für zehn Jahre praktisch umsonst zu leihen. Amerikanische Staatsanleihen bringen derzeit noch 2,1 Prozent.

Marktexperten erwarten, dass diese Unsicherheit nicht so schnell verschwinden wird. "Mario Draghi hat für 2016 ein Wachstum von 1,9 Prozent vorhergesagt. Damit hat er die Latte sehr hoch gelegt", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Wenn diese Vorgabe nicht erreicht wird, so legt Krämer nahe, ist dies ein Grund, das Programm zum Anleihekauf auszubauen. Immerhin prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) der Euro-Zone nur 1,4 Prozent Wachstum. "Ich halte sowohl eine Verlängerung als auch eine Erhöhung der monatlichen Beträge für möglich." Draghi selbst verteidigte die Anleihenkäufe mit starken Worten: "Vermögenskäufe sind ungewöhnlich, aber nicht unorthodox. Sie sind sogar besonders orthodox", sagte er während einer Konferenz in Frankfurt. Für die Glaubwürdigkeit einer Zentralbank sei es entscheidend, dass sie auch die Mittel habe, um ihre Ziele zu erreichen. Die Ziele - das sind in diesem Fall höheres Wachstum und die Abwehr einer schädlichen Deflation. Und nicht zuletzt habe die Politik der EZB bisher Erfolg gehabt: "Die Schwächung des Wachstums wurde umgedreht."

Solche Aussagen sprechen dafür, dass es bei der EZB nicht so bald eine Trendwende geben wird. Nick Lawson, ein Händler bei der Deutschen Bank in New York, sagte dem Wall Street Journal: "Inzwischen werden die Dollar-Euro-Parität und Null-Renditen für Bundesanleihen offen diskutiert. Sie dürften für niemanden als Überraschung kommen."

Zu den Risiken zählt die schwierige Lage deutscher Lebensversicherungen

Die Politik Draghis entfaltet sich nicht so sehr über die Geldmenge oder die Zinsen direkt, sondern über den Wechselkurs. Wenn die Zinsen ohnehin schon nahe null sind, dann bewirken ein paar Mini-Senkungen nicht viel. Der billige Euro jedoch schlägt unmittelbar durch: Die Importpreise steigen, das bringt die Inflationsrate nach oben. Und er hilft der europäischen Exportwirtschaft, indem er deren Produkte billiger macht. Eigentlich gehört der Wechselkurs nicht zu den offiziellen Instrumenten der EZB, sie nimmt die positiven Effekte jedoch dankend hin. EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny bekräftigte diese Position am Mittwoch: "Wechselkurse sind relevant, ja, aber sie sind kein großer, dominanter Faktor in der Weltwirtschaft", sagte der Präsident der Österreichischen Nationalbank. Es sei falsch, "das, was jetzt stattfindet" als "Währungskrieg zu bezeichnen." Die EZB betreibe keine Politik der Wechselkurse. "Das ist ein Nebeneffekt anderer Dinge." Auf Deutsch: Die EZB kann mit dem Verfall des Euro-Kurses leben.

Langfristig jedoch birgt die Null-Zins- und Billiger-Euro-Strategie erhebliche Risiken. Nicht nur der Zorn der Sparer über fehlende Erträge wird zunehmen. Sowohl Lebensversicherungen als auch betriebliche Pensionskassen geraten immer mehr in Schwierigkeiten, wenn sie ihre Verpflichtungen erfüllen wollen. Auch diese Perspektiven werden in das Kalkül der Finanzmärkte eingehen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2388048
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.03.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.