Über die Provinzen in Schleswig-Holstein gibt es die Erzählung, es gäbe dort mehr als Kühe als junge Menschen, was freilich der Anzahl der Schafe nicht gerecht wird. Oder dem Umstand, dass auch in Brandenburg, Thüringen oder im Saarland Jugendliche eher selten sind, aber wie dem auch sei: Einmal im Jahr kehrt sich das Verhältnis in Schleswig-Holstein ins Gegenteil um. Stichwort Wacken, Stichwort 85 000 Besucher, die dann ihrer Leidenschaft für Heavy Metal nachgehen und tagelang auf einem riesigen Festivalacker ihre meist längeren Haare im Takt schütteln. 333 Euro kosten die Tickets, ein ertragreiches Geschäft also – und ein begehrtes.
Der US-Finanzinvestor KKR hat nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters und der Financial Times nun den Ausrichter des Festivals übernommen, den britischen Veranstalter Superstruct Entertainment. Der wurde 2017 unter anderem von der US-Beteiligungsgesellschaft Providence Equity gegründet und richtet noch über 80 andere Festivals in Europa und Asien aus. Seit 2019 gehört auch Wacken zum Superstruct-Portfolio. KKR hat auch schon Geld in Axel Springer, ProSiebenSat.1 und in den Musikkonzern BMG gesteckt, der Investor zahlt für die Übernahme nun laut Reuters rund 1,3 Milliarden Euro. Es ist ein Investment in eine Branche, die zuletzt wieder zugelegt hat: Die trüben Pandemiejahre sorgten für einen gesteigerten Konzert- und Festivalhunger bei Musikfans weltweit, Konzerne wie CTS Eventim feierten Rekordumsätze. Während kleinere Festivals mit hohen Kosten zu kämpfen haben, geht die Rechnung für die Branchenführer durch den immensen Zuspruch bestens auf.
Auch in Wacken steckt offensichtlich noch mehr finanzielles Potenzial. 2100 Einwohner hat das Örtchen ja nur, aber Grenzen des Wachstums scheinen für das Festival nicht zu gelten. Selbst das Schlammchaos vom vergangenen Jahr, als der vom Regen aufgeweichte Acker nur noch 61 000 Besucher zuließ, hat dem Hype offenbar nicht geschadet: Die Tickets für dieses Jahr waren in 4,5 Stunden ausverkauft – ein neuer Rekord. Und das, obwohl der Ticketpreis für Wacken allein in diesem Jahr um elf Prozent gestiegen ist. Von den 333 Euro war man 1990 bei der ersten Austragung noch weit entfernt: Damals sprangen 800 Menschen noch für zwölf Mark vor der einzigen Bühne auf und ab. Wie kommerziell die Veranstaltung geworden ist, interessiert unter den Metal-Fans nur noch Idealisten, nur am Rande werden Bratwurstpreise von 6,40 Euro angeprangert. Wacken ist schließlich nur einmal im Jahr.
Am 31. Juli geht das Festival in die nächste Runde, allzu tief sollten sich die Umweltbewussten unter den Fans bis dahin nicht mit KKR beschäftigen. Wie der englische Guardian vor zwei Jahren berichtete, gehört die Beteiligungsgesellschaft zu den größten Investoren in fossile Projekte. Dann doch lieber Schafe und Kühe gucken im grünen Schleswig-Holstein.