US-Konjunkturprognose drastisch gesenkt:Arbeitsmarktdaten entsetzen die Anleger

Die Erwartungen waren schon tief gesteckt, doch selbst die wurden noch unterboten: Zum ersten Mal seit rund einem Jahr wurden im August in den Vereinigten Staaten keine neuen Stellen geschaffen. Zugleich senkt die US-Regierung auch noch die Wachstumsprognose deutlich ab. An den Börsen geht es steil abwärts.

Es läuft denkbar schlecht für US-Präsident Barack Obama. So schlecht, dass sich jetzt die Regierung in Washington gezwungen sah, die Wachstumsprognosen sowohl für dieses als auch für das kommende Jahr drastisch zu senken. Schlimmer noch: Erstmals seit rund einem Jahr haben die Unternehmen in den Vereinigten Staaten keine neuen Stellen mehr geschaffen. Besserung ist also nicht in Sicht.

Börse in New York

Die jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten gefährden das Wirtschaftswachstum in den USA. Die Regierung senkte ihre Prognosen drastisch.

(Foto: dpa)

Die Anleger reagieren fast panisch: Die Börsenkurse stürzten nach Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten ab. Der Dax brach gleich um 3,7 Prozent ein und auch die Wall Street eröffnete tief im Minus. Der Dow Jones gab im frühen Geschäft gut zwei Prozent nach.

"Der August war ein ziemlich harter Monat für die Wirtschaft", sagte Ryan Sweet von Moody's Analytics.

Die jüngsten Arbeitsmarktzahlen waren weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Eigentlich hatten Ökonomen mit 70.000 neuen Jobs in den Vereinigten Staaten gerechnet. Davon ist nun nichts zu sehen - es ist ein herber Rückschlag für die bisherige Arbeitsmarktpolitik von Obama.

Derzeit sind etwa 14 Millionen Amerikaner auf Jobsuche. In der Produktion - gewöhnlich ein Wachstumsmotor - gingen allein im August 3000 Arbeitsplätze verloren. In der Baubranche waren es 5000, im Einzelhandel 8000 und im öffentlichen Sektor verloren gar 17.000 Beschäftigte ihren Job.

Die hohe Arbeitslosigkeit dämpft auch die Kauflaune der Amerikaner, deren Ausgaben mehr als zwei Drittel der Wirtschaftsleistung ausmachen. Das Bruttoinlandsprodukt werde daher in diesem Jahr nur um 1,7 und im kommenden um 2,7 Prozent wachsen, schätzt das Präsidialamt. Bislang wurde mit 2,6 und 3,6 Prozent kalkuliert.

Die für amerikanische Verhältnisse enorm hohe Arbeitslosigkeit gefährdet Barack Obamas Wiederwahl im kommenden Jahr. Der Präsident will am 8. September seine Pläne für mehr Wachstum und Beschäftigung vorlegen. "Die Projektionen machen deutlich, dass die Wirtschaft rasch angekurbelt werden muss", sagte der Chefhaushälter im Präsidialamt, Jack Lew. Trotz der schlappen Konjunktur will die Regierung die Neuverschuldung kräftig zurückfahren. 2012 soll das Staatsdefizit von 8,8 auf 6,1 Prozent sinken.

Die USA im Vergleich zu anderen Ländern

Experten bezweifeln aber, dass ein kräftiger Defizitabbau angesichts der widrigen Rahmenbedingungen gelingen wird. "Der Präsident geht davon aus, dass das Defizit von 1,3 Billionen Dollar auf 473 Milliarden Dollar 2014 sinkt. Sollen wir das wirklich glauben?", fragte Chris Edwards vom Cato Institute in Washington. "Das scheint doch eine sehr optimistische Annahme zu sein." Die USA muss sparen: Wegen der ausufernden Schulden hatte die Ratingagentur Standard & Poor's der weltgrößten Volkswirtschaft die höchste Bonitätsnote AAA entzogen - zum ersten Mal in der Geschichte.

Im Vergleich zu vielen anderen großen Volkswirtschaften steht die weltweite Nummer eins damit schlecht da. Ein Überblick:

China: Trotz der Schuldenkrise auf beiden Seiten des Atlantiks und den heftigen Börsenturbulenzen wächst die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nahezu ungebremst. Erwartet wird in diesem Jahr ein Plus von mehr als neun Prozent. Diese Zunahme entspricht in etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung der Schweiz. Die anziehende Binnennachfrage schützt die Volksrepublik vor größerer Unbill von außen. Der Einzelhandel setzte im ersten Halbjahr 16,8 Prozent mehr um, während die Unternehmen gut ein Viertel mehr investierten. China wird deshalb zugetraut, das hohe Tempo 2012 zu halten.

Japan: Die Folgen des Jahrhundertbebens, der Höhenflug der heimischen Währung Yen und die schwächelnde Weltwirtschaft setzen der Exportnation zu. Nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,7 Prozent schrumpfen, 2012 aber mit 2,7 Prozent deutlich wachsen. Japan ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt.

Deutschland: Trotz eines Konjunktureinbruchs im Frühjahr dürfte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um etwa drei Prozent wachsen. Für 2012 werden zwei Prozent für möglich gehalten. Exporte, Konsum und Investitionen geben dem Aufschwung eine breite Grundlage, wie die meisten Experten voraussagen. Im Unterschied zu den USA dürfte auch die Arbeitslosigkeit weiter spürbar sinken. Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt.

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