Süddeutsche Zeitung

Wachsender Textilriese Zara:Vom Geheimnis der durchsichtigen Bluse

Vom Entwurf bis zur Ladentheke in zwei Wochen: Das Textilunternehmen Zara macht mit günstiger Bekleidung weltweit enorme Gewinne. Sein Gründer Amancio Ortega ist nun sogar der drittreichste Mann der Welt. Wieso hat Zara einen solchen Erfolg?

Von Nakissa Salavati

Diesen Sommer werden viele Frauen durchsichtige Karohemden tragen, luftig-leicht und zugleich jungenhaft - zumindest, wenn es nach dem belgischen Designer Dries Van Noten geht. Seine Blusen kosten mehrere hundert Euro. Wer sich das nicht leisten will, geht zu Zara. Dort nämlich hängt ein ganz ähnliches Hemd. Für 40 Euro. Die spanische Modekette benötigt vom Entwurf bis zum Verkauf eines Kleidungsstücks gerade mal fünfzehn Tage - und führt so innerhalb kürzester Zeit nach den internationalen Modewochen eine Kollektion, die der teurer Labels zum Verwechseln ähnlich sieht.

Mit diesem Konzept - Schnelligkeit, Trendgespür und Preis - hat der spanische Textilkonzern Inditex, zu dem Zara gehört, unglaublichen Erfolg: 2012 erwirtschaftete das Unternehmen 2,4 Milliarden Euro, ein Plus von 22 Prozent. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent auf knapp 16 Milliarden. Mit einem Börsenwert von mehr als 65 Milliarden steht Inditex an der Spitze spanischer Unternehmen. Dem Konzern schadet offensichtlich weder die Euro-Krise noch sein größter Konkurrent: Der schwedische Textilriese H&M liegt mit einem Gewinn von knapp zwei Milliarden Euro hinter Inditex.

Zara-Gründer Amancio Ortega fing klein an - und ist heute Milliardär

Von dem Erfolg des Konzerns profitiert vor allem einer: Amancio Ortega, der Gründer von Zara. Das Magazin Forbes führt ihn als drittreichsten Mann der Welt. Im vergangenen Jahr hat er demnach 19,5 Milliarden US-Dollar verdient und besitzt nun ein Vermögen von 57 Milliarden Dollar. In der Finanzkrise kaufte er zudem billig Immobilien - Forbes schätzt sie heute auf einen Wert von vier Milliarden Dollar. 2011 stieg der heute 76-jährige Ortega als Chef des Unternehmens aus, hält aber noch immer 60 Prozent der Anteile.

Seine Geschichte klingt märchenhaft: Der Sohn eines Eisenbahn-Arbeiters aus Galicien verkaufte als Aushilfe T-Shirts bis er in seinem Wohnzimmer begann, selbst Kleidung herzustellen. In den sechziger Jahren baute er kleinere Textilfabriken auf und eröffnete 1975 das erste Zara-Geschäft in A Coruña, im nordspanischen Galicien.

1985 gründete Ortega Inditex, zu dem neben Zara auch Ketten wie Bershka oder Massimo Dutti gehören. Die Produktion der Zara-Kleidung hielt Ortega zunächst in Spanien und Portugal. In den folgenden Jahrzehnten eröffneten Tausende Läden weltweit - und viele der Produktionsstätten wanderten nach Asien.

In seiner Heimat genießt Inditex einen guten Ruf. Ortegas damalige Frau Rosalia Mera solidarisierte sich im Mai 2011 sogar mit den "Empörten", die gegen die radikalen Sozialkürzungen in Spanien aufbegehrten.

Sklavenähnliche Bedingungen in Brasilien, Fabrikbrand in Bangladesch

So traumhaft sich Ortegas Aufstieg liest - mit der Expansion von Zara wuchs auch die Kritik an seinem Konzern. Denn billig kann eine Kette nur sein, wenn sie unter entsprechenden Bedingungen herstellen lässt. Bereits vor zwölf Jahren veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Clean Clothes Campaign eine Studie, der zufolge Näherinnen in Marokko schlecht bezahlt und misshandelt wurden. Inditex reagierte und kündigte Verträge mit den Zulieferern.

Doch die Kritik wiederholte sich, als 2011 bekannt wurde, dass in Brasilien Arbeiter unter sklavenähnlichen Bedingungen für Zara herstellten. Der Konzern zahlte daraufhin 1,4 Millionen Euro an soziale Initiativen und wurde von Brasilien aufgefordert, seine Zulieferer strenger zu überprüfen. Der Name Zara fiel außerdem, als Ende 2012 in Bangladesch 120 Menschen bei einem Fabrikbrand ums Leben kamen. Inditex kündigte auch hier die Zusammenarbeit mit zwei Lieferfirmen. Die britische Unterorganisation von Clean Clothes Campaign betont allerdings, dass Inditex als einzige Firma das "framework agreement" abgeschlossen habe, und damit die Gewerkschaften in der Zuliefererkette stärke. Außerdem hat sich Inditex verpflichtet, keine usbekische Baumwolle zu verarbeiten, weil diese Menschenrechtsorganisationen zufolge unter Zwangs- und Kinderarbeit gewonnen wird.

Nach eigenen Angaben hat Inditex 2012 mehr als 10.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das Unternehmen eröffnete mit unterschiedlichen Marken im vergangenen Jahr 482 neue Läden, jeden vierten davon in China. Insgesamt sind es nun 6000 Filialen in 86 Ländern. Und wenn es endlich Sommer wird, werden auch in Armenien oder Ecuador Frauen Karohemden tragen, die fast so aussehen wie die Dries-Blusen vom Pariser Laufsteg.

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