Wolfsburg:Volkswagen macht viel Umsatz, hat aber auch viele Probleme

Views Of The Volkswagen AG Headquarters As 30,000 Job Cuts Announced

Standhafte Architektur in bewegten Zeiten: Die markanten Türme des VW-eigenen Kraftwerks am Hauptsitz in Wolfsburg.

(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)
  • Die Jahreszahlen von VW sind besser als vermutet. Der Umsatz des Konzerns soll im Jahr 2016 bei etwa 217 Milliarden Euro liegen.
  • In seiner Sitzung hat der Aufsichtsrat dennoch eine Deckelung der Vorstandsgehälter beschlossen.
  • In der Dieselaffäre gerät nun auch Audi-Chef Rupert Stadler unter Druck. Er soll von den Manipulationen gewusst haben.

Von Max Hägler und Angelika Slavik, Wolfsburg

Es kommen jetzt wieder bessere Zeiten, die Krise ist fast schon vorbei, jetzt schauen Sie sich doch die Jahreszahlen an! So in etwa wollten sie am Freitag vorgehen bei Volkswagen am Ende einer harten Woche. 600 000 Menschen beschäftigt das größte deutsche Industrieunternehmen, es gibt zwölf Marken - und eine ganze Menge Probleme.

An verschiedenen Stellen hat es gekracht in diesem Reich in den vergangenen Wochen, so sehr, dass schwer zu sagen war, wer diese Turbulenzen überstehen würde. Doch die Wagenburg scheint stabil dazustehen an diesem Freitag, an dem der Aufsichtsrat zusammenkam und überraschend lange bis nach 20 Uhr tagte.

Keine Personalwechsel

Die Themen seien halt kompliziert, und der Aufsichtsrat hatte viele Fragen, sagte Vorstandschef Matthias Müller danach. Brisante Personalien aber gab es nicht. VW-Markenchef Herbert Diess, der 2015 von BMW gekommen war, bleibt genauso wie Audi-Chef Rupert Stadtler. Mehrfach hatte Diess sich zuletzt mit dem Betriebsrat angelegt, sein wenig diplomatischer Stil beschert ihm viele Gegner. Mehrfach wurde über seine Absetzung spekuliert.

Aber die Zeiten sind ohnehin turbulent. Wer will da schon wieder den ganz großen Zoff riskieren? Die Zahlen, die Müller mitbrachte, sind jedenfalls gut. Der Konzernumsatz liegt im Jahr 2016 bei etwa 217 Milliarden Euro (plus zwei Prozent), mehr als zuletzt erwartet wurde. Unterm Strich bleibt ein Gewinn von 5,4 Milliarden Euro - die Aufräumarbeiten des Dieselskandals sind teuer.

2015 lag der Konzern noch im Minus. Das operative Ergebnis vor Sondereffekten (wie die Kosten für den Dieselskandal) lag bei 14,6μMilliarden Euro, eine neue Bestmarke. Die Dividende soll 2,06 Euro je Aktien erreichen, im Vorjahr gab es eine Miniausschüttung. Müller sagt: "Das alles gibt uns Zuversicht für die Zukunft."

VW will Bodenständigkeit

Bei der Aufarbeitung der Dieselmanipulationen hat Müller den "Kulturwandel" zu seinem zentralen Thema gemacht, was übersetzt so viel bedeutet wie: VW versucht, so etwas wie Bodenständigkeit zu entwickeln. Ein bisschen weniger eitel, ein bisschen weniger abgehoben, das ist nicht leicht für einen Konzern, der sich in den Jahrzehnten des Erfolgs ein beachtliches Maß an Arroganz zugelegt hatte.

Nun aber soll alles besser werden und als Ausdruck davon werden auch die Vorstandsgehälter weniger exzessiv ausfallen. Der Aufsichtsrat hat deshalb nun eine Begrenzung beschlossen, eine Deckelung: Müllers Grundgehalt etwa wird dem Konzept zufolge auf 2,125 Millionen Euro angehoben und die Gesamtsumme inklusive Boni auf zehn Millionen Euro begrenzt.

Zum Vergleich: Sein Vorgänger Martin Winterkorn verdiente im Jahr 2015 rund 16 Millionen Euro. Bei der Regelung sollen vor allem die Ziele für die variablen Vergütungsanteile, also die Boni, verschärft und stärker an die künftige Unternehmensentwicklung gekoppelt werden. Der Effekt nach eigener Berechnung des Unternehmens: etwa ein Drittel weniger Gehalt für Müller und seine Vorstandskollegen, sie haben dem dennoch zugestimmt.

Audi-Chef ebenfalls angegriffen

Die Dieselaffäre allerdings lässt VW trotzdem nicht los. Weiterhin geht es um die Frage: Wer wusste zu welchem Zeitpunkt was? Die wichtigsten Konzern-Aufsichtsräte waren vom ehemaligen Patriarchen Ferdinand Piëch beschuldigt worden, früher als eingestanden informiert gewesen zu sein von den Manipulationsvorwürfen.

Der Audi Aufsichtsrat sagt:

"Die dem Arbeitsgericht vorgelegten Dokumente sind seit längerer Zeit bekannt und belegen die Vorwürfe nicht. Der Aufsichtsrat spricht Rupert Stadler sein Vertrauen aus."

Die beschuldigte Runde, darunter Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, haben heftig widersprochen. Niemand im Unternehmen scheint recht zu wissen, was genau Piëch bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig ausgesagt hat. Deswegen fällt eine Erwiderung schwer und wird wohl vertagt.

Schwer angegriffen in dem Dieselskandal ist auch Rupert Stadler, der Chef der Konzernmarke Audi. Der ehemalige Diesel-Chef des Autobauers hat Stadler in den vergangenen Tagen in einem Arbeitsgerichtsprozess vorgeworfen, dieser habe von den Manipulationen gewusst. Zumindest am Freitag hatte das für Stadler noch keine Konsequenzen. Schon nach einer vorausgegangenen Sitzung des Audi-Aufsichtsrates hatte es geheißen: "Die dem Arbeitsgericht vorgelegten Dokumente sind seit längerer Zeit bekannt und belegen die Vorwürfe nicht. Der Aufsichtsrat spricht Rupert Stadler sein Vertrauen aus."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: