Süddeutsche Zeitung

VW und Suzuki:Crash-Test

Erst warf VW dem Partner Suzuki Vertragsbruch vor. Jetzt greifen die Japaner an. Um Autos geht es hier schon lange nicht mehr. Die Beschreibung einer mittlerweile völlig verkorksten Partnerschaft.

Thomas Fromm

Wer enger mit japanischen Unternehmen zusammenarbeitet, sagt man in der deutschen Wirtschaft, brauche mehr als nur einen Übersetzer. Denn die Dinge könnten oft so oder so interpretiert werden, je nachdem, wer sie übersetzt. Kleine sprachliche Nuancen, große kulturelle Gräben. Und je nachdem, ob und wie der eine den anderen versteht, kann dies ein paar Hundert Millionen mehr oder weniger kosten. Daher sei es besser, man nehme mehrere Dolmetscher. Am besten aus beiden Ländern.

Oder man macht es wie Volkswagen und ruft gleich einen wie Hans Demant an. Der Mann war früher mal Opel-Chef und sehr nah dran, als die Konzernmutter General Motors Anteile an dem japanischen Autobauer Suzuki hielt. Als sich vor knapp zwei Jahren VW und Suzuki zusammentaten, war Demant der Richtige für die Mission. Automann, kultureller Übersetzer und Moderator zwischen zwei Welten.

Doch irgendwas lief dann schief in der deutsch-japanischen Autoehe, trotz Demant. Zuerst warfen die Deutschen den Partnern vor, sich nicht an die Vereinbarungen gehalten zu haben, als sie Dieselmotoren bei Fiat und nicht in Wolfsburg orderten. Jetzt schlägt Suzuki zurück - und meint, VW selbst habe Abmachungen verletzt. Der Ton wird härter, ein milliardenschwerer Rechtsstreit droht. Ende offen.

Wäre die Beziehung von VW und Suzuki eine Ehe, wäre dies nun die letzte Stunde der Eheberater. Ein letzter Versuch vielleicht, bevor die Sache an die Scheidungsanwälte geht. Die Berater würden feststellen, dass die Heirat der beiden keine Liebesheirat war. Und dass man vielleicht von Anfang an mehr hätte miteinander reden müssen.

Es fing damit an, dass Suzuki eine Partnerschaft auf Augenhöhe wollte. Das ist schwierig, wenn der eine vier mal so viele Autos verkauft wie der andere. Der Große fast 20 Prozent an dem Kleineren hält, der aber wiederum nur 1,5 Prozent der Aktien des großen Partners hat. Immer wieder hatte es aus Japan geheißen, VW kommandiere und wolle Suzuki im Grunde nur die Unabhängigkeit nehmen.

Ein typischer Reflex des kleineren, schwächeren Partners? War Suzuki nicht schon vor der Eheschließung klar, dass VW seit Jahren Unternehmen sammelt? Zuletzt Scania, Porsche, MAN.

Dass es schwer sein würde, Partner des größten europäischen Autoherstellers zu sein und gleichzeitig unabhängig zu bleiben? Als man 2009 anfing, zusammen über die Ehe zu sprechen, waren die Zeiten noch schlecht. Die Autohersteller steckten in der größten Krise seit langem und man glaubte, dass man gemeinsam stärker sein würde. Dann aber kam der Aufschwung. Er machte selbstbewusst.

Der Eheberater könnte VW fragen, warum man sich diese schwierige Partnerschaft überhaupt angetan an. Als der Konzern sein Ziel ausgab, bis 2018 größter Autobauer der Welt zu werden und zehn Millionen Autos zu verkaufen, hatte er Suzuki noch nicht als Partner mit auf der Rechnung. Es würde also auch ohne die Japaner gehen. Nur: Schneller wäre es mit ihnen. VW braucht Kleinwagen unterhalb des neuen Winzlings Up. Autos, die weniger als 7 000 Euro kosten. Die Japaner, die den indischen Markt beherrschen, Nummer vier in Japan sind und auf Märkten wie Thailand, Indonesien und Vietnam schwer zulegen, haben diese Kleinwagen. Deswegen sind sie für die Niedersachsen so attraktiv.

Auch Suzuki versprach sich viel von dieser Zweckehe. Vor allem Einblick in die Technologie des Partners. Heute stellen es die Japaner so dar: VW habe den Partner nicht in seine Karten schauen lassen. "Ich bleibe enttäuscht darüber, dass wir nicht bekommen haben, was uns versprochen wurde", kritisierte Suzuki-Chef Osamu Suzuki. " Wenn Volkswagen keinen Zugang gewährt, müssen sie ihre Anteile zurückgeben." Das klang schon mal anders: Man habe sich sämtliche Technologien des Partners bereits angeschaut, sagte der Firmenpatriarch im Juli. Es sei nichts Spannendes dabei gewesen, das man gekauft hätte.

Suzuki fährt nun die harte Tour: Entweder VW lasse die Ingenieure in seine Laboratorien schauen. Oder müsse seinen Suzuki-Anteil sofort zurückgeben.

Es wäre eine von drei Optionen, die VW heute hätte, um aus dem Dilemma herauszukommen: Die Wolfsburger könnten dem Druck Suzukis nachgeben und den 19,9-Prozent-Anteil wieder verkaufen. 1,7 Milliarden Euro hatte man vor anderthalb Jahren dafür bezahlt. Auch wenn man dabei womöglich kein Geld verlieren würde - VW will nicht aussteigen. Auf dem Weg an die Spitze ist Suzuki für VW so etwas wie das Zünglein an der Waage: Auch Toyota oder Renault/Nissan könnten bei den Japanern einsteigen - und so an die Weltspitze kommen. Für VW ein Albtraum.

Zweitens: VW könnte seinen Anteil auf über 20 Prozent aufstocken - und sogar versuchen, Suzuki feindlich zu schlucken. Ein Anteil von knapp unter 50 Prozent würde genügen, um die Hauptversammlungen der Japaner und damit die Tagespolitik des Unternehmens zu dirigieren. Allerdings wäre dies eine gefährliche Eskalation mit ungewissem Ausgangs. "Wer Japan kennt, weiß, dass da schnell die entsprechenden Bollwerke hochgezogen werden", meint ein Kenner des Landes. Die, die sie hochziehen, wären die anderen Anteilseigener, also japanische Banken, Fondsgesellschaften, Großkonzerne. Die Japan AG als "weißer Ritter" in der Not. Im schlimmsten Fall würde ein Übernahme-Duell VW vs. Suzuki in einem deutsch-japanischen Wirtschaftskrieg münden. Zu riskant.

Ein wahrscheinliches Szenario ist daher: VW könnte, um Suzuki entgegenzukommen, seine Anteile bei einem Treuhänder zwischenparken, um Zeit zu gewinnen und strittige Fragen zu klären. Es wäre ein Kompromiss.

Suzuki selbst hat weniger Optionen. Die Japaner könnten den Kooperationsvertrag aufkündigen. Dann aber würde eine Regelung entfallen, nach der VW nur mit Zustimmung der Japaner weitere Suzuki-Aktien kaufen darf.

So bleibt der Ehekrieg der ungleichen Partner bis auf Weiteres: Laut, kompromisslos, unversöhnlich. Und voller Missverständnisse und Misstöne. Die Japaner sind gereizt, sprechen von "Verunglimpfung" und von der Partnerschaft als einem "Klotz am Bein". In einer Branche, in der die Asiaten sonst als die pure Diskretion gelten, fällt so etwas besonders auf. Harte Zeiten für Dolmetscher.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2011/aum
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