Süddeutsche Zeitung

VW und Porsche:Schlappe für Piëch

"Schwerwiegende Pflichtverletzung": Ein Gericht hat gegen VW-Patriarch Ferdinand Piëch geurteilt. Er soll beim Übernahmekrieg mit Porsche gegen seine Pflichten als Aufsichtsrat verstoßen haben - er war zu ahnungslos.

Thomas Fromm

Für Ferdinand Piëch muss das Leben zurzeit ein Wechselbad der Gefühle sein. Einerseits rast der Volkswagen-Konzern von einem Absatzrekord zum nächsten und könnte schon bald größter Autobauer der Welt sein.

Andererseits muss sich der VW-Aufsichtsratschef mit Problemen herumschlagen, die er sich wohl lieber erspart hätte. Die Fusion mit dem Sportwagenbauer Porsche kommt wegen juristischer und steuerrechtlicher Probleme nicht voran; die einst hoch gelobte Allianz mit dem Partner Suzuki steht wegen der Streitereien mit den Japanern vor einem Londoner Schiedsgericht. Und nun muss Piëch, der im April 75 Jahre alt wird und kurz darauf für weitere fünf Jahre in den VW-Aufsichtsrat gewählt werden soll, auch noch eine ganz persönliche Schlappe einstecken: Beim Übernahmekrieg von VW und Porsche soll der VW-Patriarch seine Pflichten als Aufsichtsrat verletzt haben. Folge: Die Richter halten nun die Entlastung des gesamten Kontrollgremiums für ungültig.

Der Porsche-Großaktionär Ferdinand Piëch hat dem Urteil zufolge gegen seine "Kardinalpflichten" als Mitglied des Aufsichtsrats des Autobauers verstoßen - und im Umgang mit den umstrittenen VW-Optionsgeschäften von Porsche eine "schwerwiegende Pflichtverletzung" begangen, entschied das Oberlandesgericht Stuttgart in zweiter Instanz.

Für den Mann mit den vielen Ämtern und Rollen ist es ein unangenehmes Urteil: Es geht um den Plan von Porsche, den vielfach größeren Volkswagen-Konzern zu übernehmen. Ein Vorhaben, das von Piëch und den anderen Porsche-Aufsichtsräten gebilligt wurde. Es scheiterte im Zuge der Finanzkrise 2009. Damals machte sich dann VW daran, selbst Porsche zu übernehmen.

Allerdings: Im Mai 2009 hatte Piëch bei einer Journalistenveranstaltung noch seine Zweifel an den finanziellen Möglichkeiten von Porsche geäußert. So soll er bei der Konzernveranstaltung gesagt haben, er habe sich keine Klarheit über die Risiken der Optionsgeschäfte von Porsche verschaffen können, und er wisse auch nicht, wie hoch die Risiken seien. "Nimmt man diese Äußerungen beim Wort, hatte Dr. Piëch damit eine schwerwiegende Pflichtverletzung belegt, denn zu seinen Kardinalpflichten als Mitglied des Aufsichtsrats gehörte die Erfassung und Beurteilung bedeutsamer Geschäfte der Porsche Automobil Holding SE", urteilte das Stuttgarter Oberlandesgericht.

Die Crux daran: Hätte Piëch damals tatsächlich Recht gehabt, dann hätte er den Geschäften nach Einschätzung des Gerichts nicht zustimmen dürfen - und sie verhindern müssen.

Das Gericht gab damit einer Klage des Vereins Verbraucherzentrale für Kapitalanleger statt. Die Argumentation der Anlegerschützer: Vorstand und Aufsichtsrat von Porsche hätten bei der Übernahmeschlacht mit VW riskant gehandelt. Sie beantragten, die bereits erteilte Entlastung des Porsche-Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008/09 aufzuheben. Der Übernahmekampf dürfte Staatsanwälte und Gerichte noch länger beschäftigen. Porsche hatte bis Oktober 2008 bestritten, einen Anteil von 75 Prozent bei VW anzustreben.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2012/jab
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