Süddeutsche Zeitung

VW und Porsche:Angst vor Plünderung

Porsche und VW sind seit dem gescheiterten Übernahmeversuch durch Porsche in ein Gestrüpp aus juristischen Probleme verstrickt. Nun spielt Volkswagen Pläne durch, wie Porsche noch in diesem Jahr übernommen werden könnte. Klagende Aktionäre fürchten, dass sie ausgetrickst werden.

Thomas Fromm

Matthias Müller ist Porsche-Chef, und am liebsten spricht er über Autos. Seine Autos. Den Klassiker 911, den Cayenne, den Panamera. Über Absatzstrategien und Produktionsmethoden. Was ihm weniger liegt, sind Fragen zur geplanten Fusion von VW und Porsche. Jener geplanten Verschmelzung zweier Autobauer, die nun wegen der vielen Milliardenklagen aus Deutschland und den USA erst einmal auf Eis liegt. Dann sagt Müller, dass er sich zu solchen Dingen nicht äußern möchte. Dass darüber andere entscheiden. Und dass er sich "ausschließlich aufs Automobil" konzentriere. "Das können wir am besten."

Es ist kein Wunder, dass der Bayer mit den grau-weißen Haaren und den stahlblauen Augen lieber davon berichtet, wie er den Absatz mit Porsche-Modellen von heute 100 000 auf 200 000 ausbauen will. Denn dies dürfte einfacher sein, als das Gestrüpp der juristischen Probleme aufzulösen, in das Porsche und Volkswagen seit dem gescheiterten Übernahmeversuch durch Porsche verstrickt sind.

Auf mindestens fünf Milliarden Euro summieren sich die Schadenersatzklagen gegen Porsche und VW derzeit - die Autobauer stehen vor einer gigantischen internationalen Klage-Lawine.

In New York, in Braunschweig, in Stuttgart. In Stuttgart ermittelt die Staatsanwaltschaft unter anderem gegen Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und dessen damaligen Finanzvorstand Holger Härter; vor dem Landgericht Braunschweig soll es bereits am 27. Juni einen ersten Showdown zwischen Klägern und Autokonzernen geben.

Müller, seit Herbst 2010 an der Spitze des Sportwagenbauers, steht heute für das reine Autogeschäft von Porsche. Die Porsche AG. Es gibt aber noch ein zweites Porsche. Die Porsche Holding SE. Eine reine Finanz- und Beteiligungsholding, gegründet 2007, um dort die sukzessiv aufgebaute Porsche-Beteiligung an Volkswagen einzugliedern. Die Holding hält heute 50,7 Prozent an VW und 50,1 Prozent an der Porsche AG, also dem Autogeschäft.

Solange die Milliardenklagen noch im Raum stehen, ist die SE aber auch geballter Sprengstoff.

Bereits im vergangenen Jahr musste VW seinen Plan ad acta legen, mit der Porsche SE zu einem Großkonzern zu fusionieren. Zu gefährlich waren die Klagen, die auf der Holding lasteten und die man sich so ins Haus geholt hätte. Jetzt wollen die Kläger auch die Übernahme des reinen Porsche-Autogeschäfts - in VW-Kreisen kursiert diese Option als "Plan B" - vereiteln. Schon heute hält VW 49,9 Prozent der Porsche AG, 3,9 Milliarden Euro hatte der Konzern dafür hingelegt.

Vertraglich haben die Wolfsburger das Recht, auch die restlichen 50,1 Prozent zu erwerben. Der Haken daran: Die Anteile liegen indirekt bei der Porsche SE - die Kläger wollen einen solchen Schritt daher verhindern. "Sollte die Porsche SE leergeplündert werden, würden wir reagieren", sagte der Münchner Anwalt Franz Braun, der 72 internationale Investoren vertritt, der SZ. Man würde versuchen, "dies mit Hilfe eines Arrest-Antrags, einer Art Einstweiliger Verfügung, zu verhindern". Die Befürchtung, so der Anwalt: Ohne die Beteiligungen könnte es für die aus seiner Sicht Geschädigten schwieriger werden, Schadenersatzansprüche durchzusetzen. "Wenn die Holding die Anteile an der Porsche AG an VW oder eine Zwischenholding veräußert, würde ich den Arrest durch Pfändung der Aktien der Porsche AG vollziehen lassen", sagt Braun. Mit anderen Worten: Selbst Plan B wäre nach Meinung des Anwalts als Alternative zur Verschmelzung der Konzerne in Gefahr.

Aus Volkswagen-Kreisen heißt es dagegen, dies sei "juristischer Unsinn". Tatsächlich verweisen Finanzkreise auf den 50,7-Prozent-Anteil an Volkswagen, den die SE hält und der an die 19 Milliarden Euro wert sei. Außerdem bekäme die SE knapp vier Milliarden Euro für ihre Anteile an der Porsche AG, also am Autogeschäft. Geld wäre demnach genug da - selbst nach einem Verkauf der Porsche AG.

Dabei ist Plan B auch ohne die juristischen Scharmützel alles andere als ein Selbstläufer: Erst von Ende 2014 an wäre ein Kauf steuerfrei; bis dahin fallen Abgaben von mehr als einer Milliarde Euro an. In Wolfsburg arbeitet man daher an einer Alternative und sucht hinter den Kulissen nach einer Möglichkeit, das Steuerproblem zu lösen und die Transaktion noch in diesem Jahr zu stemmen. In Wolfsburg will man nicht über Zeitfenster sprechen. "Die Prüfung hält an", sagt ein VW-Sprecher nur. Ziel sei es, "die Anteile möglichst zeitnah und zu wirtschaftlich sinnvollen Bedingungen zu übernehmen". Mit anderen Worten: Je eher, desto besser. Also auch schon 2012.

Zumal es bei den juristischen Auseinandersetzungen ohnehin nur am Rande um Autos geht. Die Geschichte ist verzwickt, und sie beginnt spätestens im Herbst 2008. In der Zeit, in der sich Wiedeking und Härter daran machten, den viel größeren VW-Konzern mit Hilfe komplizierter und riskanter Finanzgeschäfte zu übernehmen. Mit irreführenden Aussagen, monieren die Investoren heute, sei der Kurs der VW-Aktie damals manipuliert wurden- zum Schaden der Anleger. Als Beleg dafür gilt eine Porsche-Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008, in der die Zuffenhausener indirekt einen VW-Anteil von mehr als 75 Prozent in Aussicht stellten.

Schlecht für Investoren, die auf fallende Kurse gesetzt hatten; der Kurs der VW-Aktie stieg so in wenigen Tagen von 200 auf 1000 Euro. Viele Anleger verloren viel Geld. Gut für Porsche: Der Sportwagenbauer machte dank der Optionsgeschäfte auf VW-Aktien mehr Gewinn, als das Unternehmen an Umsatz erzielte. Ein Kuriosum in der deutschen Industriegeschichte.

Dann kam die Finanzkrise, das Übernahmemanöver ging schief, und VW holte selbst aus, um Porsche zu schlucken. Seitdem wird gerechnet - und geklagt. Selbst Bundespräsident Christian Wulff ist ins Visier der Investoren geraten. Sie werfen Wulff - damals als niedersächsischer Ministerpräsident Mitglied des VW-Aufsichtsrats - vor, das Thema nicht ausreichend kommuniziert zu haben.

Dabei spielt es am Ende kaum noch eine Rolle, wie viel die Investoren mit ihren Milliardenklagen am Ende tatsächlich eintreiben werden - oder auch nicht. Viel wichtiger ist: Die Kläger torpedieren das Lebensziel des VW-Patriarchen Ferdinand Piëch. Der Traum einer Zusammenführung von Porsche und VW unter einem gemeinsamen Familiendach war seit langem geträumt und durchdacht. Nun droht er in den juristischen Schlachten unterzugehen.

Das dürfte noch schwerer wiegen als die Milliardendrohungen.

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Quelle:
SZ vom 28.01.2012/beitz
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