Süddeutsche Zeitung

Schärfere Klimaziele:VW-Chef Diess droht mit massivem Stellenabbau

  • Sollte die EU zu scharfe CO₂-Grenzwerte für Autos beschließen, sind bei VW laut Volkswagen-Chef Diess etwa 100 000 Arbeitsplätze in Gefahr.
  • Er hält eine Verschärfung der Klimaziele von höchstens 30 Prozent für machbar - die EU-Umweltminister wollen den Grenzwert jedoch um 35 Prozent senken.

Von Michael Bauchmüller, Mike Szymanski, Berlin, Max Hägler und Angelika Slavik

Volkswagen-Chef Herbert Diess hat vor massiven Jobverlusten gewarnt, sollte die EU zu scharfe Klimaauflagen für Autos beschließen. "Die Transformation in der Geschwindigkeit und mit den Auswirkungen ist kaum zu managen" sagte Diess der Süddeutschen Zeitung. Dadurch müsste in gut zehn Jahren etwa ein Viertel der Jobs in den VW-Werken wegfallen. Das entspreche etwa 100 000 Arbeitsplätzen. "So eine Industrie kann schneller abstürzen, als viele glauben wollen", warnte der Vorstandsvorsitzende des größten europäischen Autokonzerns. Als vertretbar nannte er eine Verschärfung der Klimaziele um maximal 30 Prozent.

In der Nacht zum Mittwoch hatten sich die EU-Umweltminister jedoch darauf verständigt, den Grenzwert für die Kohlendioxid-Emissionen von Autos zwischen 2021 und 2030 noch einmal um 35 Prozent abzusenken. Sie gingen damit über den Vorschlag der EU-Kommission hinaus, der bei 30 Prozent gelegen hatte. Auch die große Koalition in Berlin hatte diesen Wert favorisiert. Nach Rücksprache mit dem Kanzleramt hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) dennoch für die 35-Prozent-Lösung gestimmt. Rat, Parlament und Kommission müssen nun im sogenannten Trilog eine Lösung finden; das EU-Parlament strebt eine Verschärfung um 40 Prozent an.

SPD-Bundestagsfraktion dringt auf ein noch höheres Ziel

Schulze wies die Vorwürfe der Industrie zurück. "Ich halte die 35 Prozent für die deutsche Industrie auf jeden Fall für verträglich", sagte sie am Mittwoch. Vielmehr führten die neuen Ziele dazu, "dass sich die Industrie in Deutschland auf das vorbereitet, was unweigerlich kommt, nämlich das Aus des Verbrennungsmotors und alternativer Antrieb". Damit helfe die EU eher, "die Industrie fit für die Zukunft zu machen". Auch Kanzlerin Angela Merkel nannte die Einigung "vertretbar". Noch vor zwei Wochen hatte sie beim Industrieverband BDI vor einem Ziel jenseits der 30 Prozent gewarnt: "Das will ich nicht; das sage ich ganz ausdrücklich."

Die SPD-Bundestagsfraktion dringt in einem Positionspapier auf ein noch höheres Ziel: "Wir sind überzeugt, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Minderungsziel von 40 Prozent im Jahr 2030 möglich ist." Dies verlange der Klimaschutz. Auch im Streit um Dieselnachrüstungen schlagen die Sozialdemokraten rauere Töne an. So verlangt ihr parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider, die Industrie für jedes manipulierte Auto mit einer Strafe von 5000 Euro zu belegen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geriere sich als "oberster Autoverkäufer des Landes", statt Nachrüstungen alter Diesel von der Industrie einzufordern. Er habe es als Affront empfunden, sagte Schneider, wie sich die Industrie in dieser Frage "vom Acker" gemacht habe.

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SZ vom 11.10.2018/vit
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