Autoindustrie:VW will Jobsicherung kündigen, Werke könnten dichtgemacht werden

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Die Produktionslinie der ID3 Modelle im Werk in Zwickau, Sachsen. (Foto: Uwe Meinhold/IMAGO)

Die neuen Sparpläne des Autoherstellers sind drastisch. Eigentlich waren die Arbeitsplätze bis 2029 sicher – doch das soll nicht mehr gelten. Auch ganze Fabriken stehen zur Disposition.

Von Christina Kunkel

Die Lage bei Deutschlands größtem Autobauer VW ist offenbar so schlecht, dass der Konzern neue drastische Sparpläne für nötig hält. Für die Mitarbeiter bedeutet das, dass sie schon bald um ihre Jobs bangen müssen. Eigentlich gilt für die Beschäftigten hierzulande eine Jobsicherung bis 2029 – bis dahin sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Doch diese Garantie, die seit 30 Jahren im Konzern immer weiter fortgeschrieben wurde, will VW nun aufheben. Das heißt: Schon bald könnten Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren.

Am Montagmorgen informierte die Konzernspitze den Betriebsrat über die Pläne, am Nachmittag dann die Führungskräfte. Die Mitarbeiter in den Werken wurden für Mittwoch zu außerordentlichen Betriebsversammlungen geladen.

Bisher hatten die Sparmaßnahmen vor allem Leiharbeiter getroffen, die nach Ende ihres Zeitvertrages nicht mehr weiter beschäftigt wurden. Das waren zuletzt etwa Mitarbeiter in der Fabrik im sächsischen Zwickau, wo ausschließlich E-Autos gebaut werden, die aber aktuell kaum nachgefragt werden.

Doch die Pläne des Vorstands gehen viel weiter. Auch Werksschließungen in Deutschland schließt der Konzern nicht mehr aus. Das war bisher ein Tabu. Zur Disposition steht zwar bereits das Audi-Werk in Brüssel, das möglicherweise schon kommendes Jahr dichtmachen muss. Doch für die Standorte in Deutschland gab es eine solche Option bisher nicht – auch, weil die Beschäftigungsgarantie das zumindest für die kommenden fünf Jahre ausgeschlossen hat.

In einer Mitteilung des VW-Betriebsrats an die Beschäftigten, die der SZ vorliegt, heißt es, das Management halte mindestens ein größeres Autowerk sowie eine Komponentenfabrik für überflüssig. „Damit geraten alle deutschen Standorte in den Fokus – egal ob Standort der Volkswagen-AG oder Tochter-Standort, egal ob west- oder ostdeutsch“, schreiben die Arbeitnehmervertreter dort. Welche Werke konkret wegfallen könnten, blieb zunächst offen.

Die Betriebsratschefin macht klar: „Mit mir wird es keine Standortschließungen geben“

Die Pläne seien „ein Angriff auf unsere Beschäftigung, Standorte und Tarifverträge“, sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo. „Damit steht VW selber und somit das Herz des Konzerns infrage. Dagegen werden wir uns erbittert zur Wehr setzen“, so Cavallo. Sie gibt sich angriffslustig: „Mit mir wird es keine VW-Standortschließungen geben.“

Auch an den Vorstandschef Oliver Blume richtet Cavallo sich: „Das Problem der Kernmarke ist am Ende auch das Problem des Konzern-CEO. Ich erwarte, dass sich auch Oliver Blume entsprechend einbringt. Vor allem bei der Frage der Synergien muss er die Richtung vorgeben.“ Cavallo fordert einen „Masterplan 2025 – 2030 – 2035“. Kurzfristig gehe es dabei um Prozesse in Verwaltung und Produktentstehung. „Alles, was am Ende nicht relevant für unsere Kundschaft ist und nicht kaufentscheidend, muss überdacht werden“, so Cavallo.

Die Arbeitnehmervertreter verfügen bei VW zusammen mit dem Land Niedersachsen über eine Mehrheit im Aufsichtsrat. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, bei den Kostensenkungen werde „aller Voraussicht nach nicht über das ob, wohl aber über das wie intensiv zu diskutieren sein“. Er erwarte, dass sich die Frage einer Schließung von Standorten „schlichtweg nicht stellt“ – weil erfolgreiche Alternativen dazu gefunden werden.

Besonders brisant sind die Sparpläne, da im Herbst auch neue Tarifverhandlungen anstehen. Die Gewerkschaft fordert sieben Prozent mehr Lohn für die VW-Beschäftigten im Haustarifvertrag. Zudem findet im November auch die nächste Planungsrunde statt, in der konzernweit über die Investitionen für die kommenden Jahre entschieden wird und auch über die Werksbelegungen. Die Ergebnisse könnten in diesem Jahr Hinweise darauf geben, für welche Standorte es kritisch werden könnte, wenn das verschärfte Sparprogramm nicht schnell Erfolge bringt.

Konzernchef Oliver Blume begründet den neuen Kurs mit der sich zuspitzenden Lage. „Die europäische Automobilindustrie befindet sich in einer sehr anspruchsvollen und ernsten Lage. Das wirtschaftliche Umfeld hat sich nochmals verschärft, neue Anbieter drängen nach Europa“, sagte er. „Dazu kommt, dass vor allem der Standort Deutschland bei der Wettbewerbsfähigkeit weiter zurückfällt. In diesem Umfeld müssen wir als Unternehmen jetzt konsequent agieren.“

Alle bisherigen Sparanstrengungen hätten nicht ausgereicht, heißt es von der Konzernspitze. „Das Performance-Programm der Marke Volkswagen ist gut aufgesetzt und zeigt Wirkung. Doch der Gegenwind ist deutlich stärker geworden“, sagt VW-Markenchef Thomas Schäfer. Man müsse „deshalb jetzt noch mal nachlegen und die Voraussetzungen schaffen, um langfristig erfolgreich zu sein.“

Den bisherigen Plänen zufolge soll allein die Marke VW bis 2026 bereits zehn Milliarden Euro sparen. Das Ziel ist, die Rendite auf 6,5 Prozent zu bringen. Zuletzt schaffte VW gerade einmal 2,3 Prozent. Die Kernmarke Volkswagen hat seit Jahren mit hohen Kosten zu kämpfen und liegt bei der Rendite weit hinter Konzernschwestern wie Škoda, Seat und Audi zurück. Auch andere Volumenhersteller wie etwa Stellantis mit den Marken Opel, Peugeot und Citroën stehen deutlich besser da als VW.

Jetzt ist von weiteren vier Milliarden Euro die Rede, die bei VW in den kommenden zwei Jahren eingespart werden sollen. Offiziell bestätigt das Unternehmen diese Zahl nicht. Die Lage ist laut Markenchef Schäfer allerdings „äußerst angespannt und nicht durch einfache Sparmaßnahmen zu bewältigen.“ Was aus Sicht des Managements heißt, dass ein Stellenabbau durch großzügige Altersteilzeitregelungen und Abfindungsprogramme nicht ausreichen wird. Damit hatte der Konzern zuletzt versucht, seine Kosten zu senken.

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