Süddeutsche Zeitung

VW: Piëch regelt Nachlass:Alpha, Beta, Ursula

Macht, die über den Tod hinausgeht: VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch legt die Zukunft des Autobauers in die Hände von zwei Stiftungen - und in die seiner Frau.

Thomas Fromm

VW-Patriarch Ferdinand Piëch hat sein Erbe geregelt und sein milliardenschweres Autoimperium auf zwei österreichische Privatstiftungen übertragen. De facto behält der Aufsichtsratschef damit auch nach seinem Tod die Macht bei Europas größtem Autokonzern: Denn mit der Stiftungslösung wird es für seine Erben quasi unmöglich, Teile des Unternehmens abzustoßen, um Kasse zu machen. Stirbt der 73-Jährige, soll automatisch seine 19 Jahre jüngere Frau Ursula den Vorsitz der Stiftungen übernehmen.

Zuletzt war es beim Genfer Autosalon im Frühjahr, als Ursula Piëch zeigte, wo es lang geht. Irgendwann am Abend - die Party war noch in vollem Gang - ging die Österreicherin zum Ausgang, ihr Mann, Porsche-Miteigentümer und VW-Chefkontrolleur Piëch, folgte. "So ist das meistens", sagt einer, der beide kennt. "Sie entscheidet, wann Schluss ist."

Dazu passt es, dass Ursula, genannt Uschi, VW-intern schon seit langem als zweite Gralshüterin des VW-Imperiums gilt. Als vor zwei Jahren Gerüchte über eine schwere Erkrankung des Alten die Runde machten, hieß es in Wolfsburg, dann könne ja "die Uschi" ran. Solche Sprüche haben manchmal einen wahren Kern. Bereits im Februar hat Piëch, wie erst jetzt bekannt wurde, nicht nur sein Vermächtnis geregelt und seine Aktienpakete an Porsche und damit auch an VW auf die beiden österreichischen Stiftungen "Ferdinand Karl Alpha" und "Ferdinand Karl Beta" übertragen. Gleichzeitig hat Piëch, einer der mächtigsten Automanager der Welt, vorgesorgt: Stirbt er, soll ihm seine Frau an der Spitze der Stiftungen nachfolgen - und würde damit nicht nur zu einer der mächtigsten Frauen der deutschen Auto-Wirtschaft neben Maria-Elisabeth Schaeffler aufsteigen. Das frühere Kindermädchen Ursula Piëch stünde damit in einer Reihe mit anderen mächtigen Ehefrauen großer Unternehmer wie der Verlegerin Friede Springer, die ihrem Mann einst ebenfalls als Kindermädchen begegnete, und der Bertelsmann-Miteigentümerin Liz Mohn, die als Zahnarzthelferin und Telefonistin begann.

Pikant an Piëchs Schachzug ist nicht nur, dass er seiner Ehefrau weitgehende Machtbefugnisse einräumt. Pikant ist auch, wem er offenbar nicht vertraut - allen anderen nämlich. Dem Porsche-Enkel, der von 1993 bis 2002 VW führte und heute als Aufsichtsratschef die Fäden zieht, sagt man seit Jahren Allmachtsphantasien nach. Spätestens, seitdem er den Machtkampf zwischen Porsche und VW um die Zukunft des früheren Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking für sich entschied, gilt Piëch als unumstrittener Herrscher in dem Familienimperium. Der Wiener Nachlass legt nun nahe: Der Machtmensch Piëch zementiert seine Macht auch über seinen Tod hinaus - und sorgt dafür, dass der Vielmarken-Konzern, zu dem unter anderem Audi, Porsche und Skoda gehören, in seiner jetzigen Struktur kaum angetastet werden kann. 38 Seiten sind die Wiener Stiftungsurkunden lang, und sie legen unter anderem klare Regeln für Piëchs siebenprozentigen Anteil an Porsche und seiner zehnprozentigen Beteiligung an der Salzburger Porsche Holding fest, die VW im Zuge der Porsche-Übernahme für rund vier Milliarden Euro kaufen soll. Insgesamt geht es um Anteile, deren Wert auf über eine Milliarde Euro geschätzt wird.

Würden Erben Ansprüche auf einzelne Vermögenswerte erheben, könnte dies die gesamte VW-Politik der vergangenen Jahre torpedieren. Das jetzige Stiftungsmodell schirmt die Strategie der Wolfsburger daher wie eine Art Panzer ab: Nur wenn Vorstand und Beirat der Stiftung ihr Ja-Wort geben und mindestens neun der zwölf Kinder zustimmen, darf der Nachlass angetastet werden.

Das Problem von Piëch ist der über viele Konzernteile und Familien-Stiftungen verteilte Reichtum, aber nicht nur der. Allein Piëch, rechnen Kenner der Familie vor, habe zwölf Kinder von vier Frauen - ein unkalkulierbares Netz von potentiellen Neidern. Schon der Kampf innerhalb der Familienclans der Porsches und Piëchs, bei dem der kleinere Sportwagenbauer Porsche den vielfach größeren VW-Konzern übernehmen wollte, zeigte: Mit der Harmonie hört es bei den Familien dann auf, wenn es um Geld und Macht geht. Schon lange wird darüber spekuliert, was nach Piëch aus VW wird. Dann, wenn nicht nur die rivalisierenden Familienclans um die Herrschaft im Konzern kämpfen könnten, sondern auch Erben. Kämpfe, bei denen es nicht nur um Erbstreitigkeiten gehen würde, sondern auch um weitreichende Entscheidungen für mehr als 400000 Mitarbeiter weltweit. Und einen Konzern, dessen Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn seit Monaten verkündet, bis 2018 Toyota als weltweit größten Autobauer ablösen zu wollen. Ein Familienkrieg wäre das Ende dieses Plans.

"Mir liegt die gesicherte Zukunft unserer Unternehmen am Herzen", sagte Piëch daher dem Magazin Focus. "Deswegen und im Sinne der Nachhaltigkeit habe ich mich - ähnlich wie Bosch es getan hat - für die Stiftung entschieden." Die fünf Milliarden Euro schwere Robert Bosch Stiftung GmbH kontrolliert 92 Prozent der Anteile an dem Automobilzulieferer. Piëch erklärte, bei seiner Regelung habe er "die Mehrheit meiner Erben hinter mir".

Wie es aus Konzernkreisen heißt, wird seit Monaten über die Regelung gestritten. "Piëch hat im Vorfeld lange mit seinen Erben diskutiert und deren Einverständnis eingeholt", heißt es aus Piëchs Umfeld. Allerdings hat er dabei wohl nicht alle überzeugen können. Von einem seiner älteren Söhne ist die Rede, der dagegen vorgehen solle. "Dieser Sohn hat sich Berater geholt und sorgt nun für eine scharfe Opposition", heißt es aus mit dem Vorgang vertrauten Kreisen. Auch dass nicht alle Kinder gleich gestellt sind, dürfte noch für Ärger sorgen.

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Quelle:
SZ vom 20.09.2010/jab
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