So wie bisher kann es nicht weitergehen bei Volkswagen, darin sind sich Vorstand und Betriebsrat sogar einig. „Wir liegen in der Analyse der Probleme nicht auseinander, aber meilenweit bei der Antwort auf die Probleme“, sagte Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo bei einer Veranstaltung Anfang vergangener Woche, bei der die Arbeitnehmervertreter die radikalen Sparpläne des Konzerns publik machten. Seitdem verging kein Tag, an dem VW nicht den Schlagzeilen war.
Zehntausende Arbeitsplätze sind beim Wolfsburger Autokonzern in Gefahr, bis zu drei Werksschließungen in Deutschland stehen im Raum, außerdem Kürzungen bei Tarifgehältern, Boni und Sonderzahlungen. Während Betriebsrat und IG Metall für die strukturelle Krise des Unternehmens vor allem Fehler des Managements als ursächlich ansehen, argumentiert der Vorstand, dass es ohne Einbußen für die vergleichsweise gut entlohnten Beschäftigten nicht geht. „Unsere Kosten in Deutschland müssen massiv runter“, sagte VW-Vorstandschef Oliver Blume in einem Interview mit der Bild am Sonntag. Die Höhe der Arbeitskosten in den zehn deutschen Werken, in denen etwa 120 000 Menschen arbeiten, lägen oft mehr als doppelt so hoch wie an anderen europäischen Standorten. Auch bei den Aufwendungen für Entwicklung und Vertrieb sei VW nicht konkurrenzfähig.
Einer der Sparvorschläge ist, Jubiläumsgratifikationen an langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu streichen. Im bisher gültigen Tarifvertrag steht, dass Beschäftigte, die 25 Jahre im Betrieb sind, 1,45 Monatsgehälter als Prämie erhalten, nach 35 Jahren Betriebszugehörigkeit sind es 2,9 Monatsgehälter. Wie die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Betriebsratskreise schreibt, könnten davon mehr als 10 000 VW-Angestellte betroffen sein.
Die Probleme in China seien nur ein Teil der Probleme, sagt VW-Chef Blume
Als die Sparpläne öffentlich wurden, hat sich Blume mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten. Jetzt nimmt er selbst Stellung und stellt klar, dass er keine Alternative zu den Sanierungsplänen sieht. Die schwache Nachfrage in Europa und die Probleme des Konzerns in China seien nur ein Teil der Probleme. Bei VW gebe es über Jahrzehnte gewachsene strukturelle Schwächen, die man jetzt konsequent angehen müsse. „Das Ziel für Kosten- und Kapazitätsanpassung steht“, so Blume in der BamS, lediglich der Weg dahin sei „flexibel gestaltbar“.
Blumes Ziel ist es offenbar, in der breiten Öffentlichkeit um Akzeptanz für die Sparpläne zu werben und sich Verhandlungsspielräume zu schaffen in den seit vergangenen Mittwoch laufenden Tarifverhandlungen bei VW. Sieben Prozent mehr fordert die Gewerkschaft IG Metall, so wie in anderen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie. Das Unternehmen will dagegen die Tariflöhne um zehn Prozent senken und zusätzlich bei Extraleistungen sparen. Im September hatte das Unternehmen die seit mehr als 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung gekündigt, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2027 ausschloss.
Wie die Bild am Sonntag weiter schreibt, hat VW im Geschäftsbericht etwa 900 Millionen Euro vorgesehen, mit denen die Umstrukturierung finanziert werden soll. Ein Teil davon könnte etwa in Abfindungen fließen, die an ausscheidende Mitarbeiter gezahlt werden.
Die Krux bei VW ist stets: In keinem anderen deutschen Konzern sind die Arbeitnehmer und die Politik so mächtig wie hier. Betriebsrat und das Land Niedersachsen, das 20 Prozent an VW hält und über eine Sperrminorität verfügt, können alle Maßnahmen blockieren, also zum Beispiel auch Werksschließungen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und seine Stellvertreterin Julia Willie Hamburg (Grüne) sitzen für das Land im Aufsichtsrat. Weil hat bereits mehrfach betont, dass VW eine Lösung ohne die Aufgabe von Standorten anstreben solle.
Mit Material von dpa und Reuters.