VW:Bei VW ist die Party noch nicht vorbei

Euphorisch ist die Stimmung nicht beim kriselnden Autokonzern, aber es gibt zumindest Optimismus. Neue Modelle und Milliarden-Investitionen sollen das Vertrauen der Mitarbeiter zurückbringen.

Von Max Hägler, Frankfurt

Wer sich den blassgelben VW-Bus genauer ansieht, der entdeckt zunächst einen irre grinsenden Buddha mit Schlumpfmütze. Stupide schaukelt er auf dem Armaturenbrett hin und her. "Das ist ein Wackeldackel", sagt Karlheinz Blessing, "aber neu interpretiert." Wenn der Personalvorstand des Volkswagen-Konzerns noch derlei Details kennt, dann können die Zeiten wohl so schlecht nicht mehr sein. Ausgelassen ist sie zwar nicht, die Stimmung bei Volkswagen am Vorabend der großen Autoschau in Frankfurt, aber sie ist immerhin recht gelöst. Natürlich unter Berücksichtigung, dass dieser Konzern immer noch im Diesel-Krisenmodus unterwegs ist. Und unter der Berücksichtigung, dass selbst ohne Krise gerade alles wahnsinnig herausfordernd ist in der Autobranche.

Blessing zeigt auf den gelben VW-Bus, der zwar mit einem Wackel-Schlumpf ausgerüstet ist, aber ohne Türgriffe daherkommt. In vier Jahren soll er in Serie gehen. Als E-Auto. So einen und einen Porsche wolle er sich einmal in die eigene Garage stellen, sagt der Manager. Womit auch die ganz grundsätzliche Herausforderung für Unternehmen wie VW beschrieben ist: "Wir müssen doppelt investieren", sagt Blessing, "in Elektroantriebe und herkömmliche Antriebe, und dazu soll auch die Marge stimmen." Das wird herausfordernd, für alle in der Autobauer in der Welt. Auch der große Volkswagen-Konzern wird also kämpfen müssen, damit vom vielen Umsatz, den vielen verkauften Autos also, auch möglichst viel Gewinn übrig bleibt.

Die Investitionen in neue Antriebe, die VW-Chef Matthias Müller am Montagabend ankündigte, klingen in der Tat recht beeindruckend: 20 Milliarden Euro will der Konzern in den kommenden Jahren in die Entwicklung von E-Autos und die zugehörige Infrastruktur stecken. Jedes der 300 Konzern-Modelle soll im Jahr 2030 auch in einer Batterievariante verfügbar sein oder zumindest einen elektrischen Hilfsmotor an Bord haben. Solche Dinge werden also bei dieser Party bekannt, die so nüchtern daherkommt, dass das Wort Stehempfang wohl besser passt.

Und das ist natürlich gewollt. "Die Zeiten, in denen sich unsere Branche hier in Frankfurt selbst gefeiert, sich im eigenen Glanz gesonnt hat, sind vorbei", sagte Konzernchef Müller schon zu Beginn des Abends. "Business as usual" reiche nicht mehr. Verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, das werde nur gelingen, "wenn wir berechtigte Kritik annehmen. Wenn wir - ganz konkret - bei Emissionen und Verbrauchswerten mehr Transparenz und Ehrlichkeit praktizieren. Und: Wenn wir die Zukunft noch mutiger anpacken als bisher."

Damit die E-Autos dann auch fahren, werde man mit Partnern - was übersetzt heißt: nicht selbst - in den kommenden Jahren vier Batteriefabriken bauen. Es ist ein teures Unterfangen, auch was später die Produktion anbelangt: 50 Milliarden Euro werden all die benötigten Batterien bis zum Ende des kommenden Jahrzehnts wohl kosten. Ein Zwischenziel hat sich VW gesetzt: Ab 2025 will man Weltmarktführer bei E-Antrieben sein. Wobei das mehr Arbeitsauftrag ist, als ein Grund, sich selbst zu feiern: "Das E-Konzept mag mächtig wirken, aber es ist nur die logische Entwicklung unseres Plans", sagt Müller später in kleinerer Runde. VW müsse jetzt liefern. Andere würden so eine Bühne mit werbenden Worten bespielen. Müller tritt auf wie stets: Direkt und schnörkellos.

Ein paar hundert Leute sind in die Halle Nummer 3 gekommen, die so groß ist, dass sie sich kaum überblicken lässt. Wenn sie vom Diesel und dem Skandal reden, heißt es oft, dass man die Diskussion "versachlichen" müsse. Oder: Dass man die Diskussion glücklicherweise schon versachlicht habe. Leslie Mandoki spricht davon, der Musikproduzent, der nicht nur mit Phil Collins und Sido arbeitet, sondern als Quasi-Hauskomponist des Konzerns auch eine kleine Melodie für den Audi A8 komponiert hat, die zu hören bekommt, wer den Wagen startet. Wolfgang Porsche, der Sprecher der Eigentümerfamilien sagt das. Immerhin: Die weiteren Querelen, die den Konzern zuletzt beschäftigten, haben sie zumindest für den Moment eingehegt. Herbert Diess, der VW-Markenchef, gibt sich gut gelaunt. Gerade führt er keinen öffentlichen Disput mit den Belegschaftsvertretern, die oft seinen harschen Führungsstil kritisieren.

"Du brauchst was, damit die Leute sehen, dass es weitergeht"

Und Rupert Stadler, der Chef der so ertragreichen Konzerntochter Audi, bekommt dann sogar noch ein wenig Redezeit auf der Bühne, als einziger. Stadler also, der Mann, der über Monate hinweg angeschlagen war, weil Audi, wie sich herausstellte, eine Art Mutter des Diesel-Betrugs war. Andere hätten eingepackt oder wären zum Rücktritt gedrängt worden. Stadler indes hat bisher alles durchgestanden. Dass er heute vor dem Publikum sprechen darf, zeigt: Er wird fürs Erste bei Audi bleiben. Beifall für ihn und das Konzeptauto, das er vorstellt. Aicon heißt es, es soll zeigen, wie ein Audi-Roboterwagen aussehen könnte, der - passend zum heutigen Abend - elektrisch fahren wird. Als danach Journalisten aus Japan am Auto stehen und fragen, wann das Auto denn auf der Straße zu sehen sein wird, grinst Stadler und sagt: We will see. Die Zukunft gestalten, es scheint wieder zu funktionieren. Und die Signale sind auch für die eigene Belegschaft wichtig: "Du brauchst was, damit die Leute sehen, dass es weitergeht", sagt der Audi-Chef.

Blessing, der VW-Personalchef, sieht das ganz ähnlich. "Natürlich ist die Belegschaft verunsichert." Sei es wegen des Dieselskandals im Speziellen oder dem Ruf der Branche im Allgemeinen. "Es scheint ja derzeit für manche leider zu gelten", sagt Blessing, "dass Menschen beinahe Übeltäter sind, wenn sie in der Autoindustrie arbeiten". Seine oberste Aufgabe in dieser Zeit? Die eigenen Leute päppeln, ihnen zeigen, dass Volkswagen auch in schweren Zeiten etwas auf die Bühne bringen kann. Er greift den Gedanken auf, den VW-Chef Müller vorher beschwor: VW solle wieder da stehen, wo der Konzern hingehört. Er soll ganz vorne mitmischen, die E-Revolution anführen. Klingt das nicht beinahe schon nach Euphorie? Naja, sagt Blessing: Bis die Euphorie wieder zurückkehre in diesen Konzern, werde es noch ein wenig dauern. Jetzt gehe es erstmal darum, dass alle wieder Vertrauen fassen.

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