Autoindustrie:VW setzt auf autonomes Fahren

kostenfreies Handout, Volkswagen, autonomes Konzeptfahrzeug bzw. Roboterauto "Gen Travel"

Das Auto der Zukunft soll ganz anders sein, als man es bisher kennt.

(Foto: OH)

Fahrgast statt Fahrer: Europas größter Fahrzeugkonzern hat eine neue Strategie für die nächsten Jahre - und will damit einen der härtesten Konkurrenten einholen.

Von Max Hägler, Wolfsburg

Mögen die anderen Autohersteller sich noch mit der Transformation zur Elektromobilität herumschlagen - Volkswagen ist bereits einen Schritt weiter. So ungefähr soll wohl die Geschichtsschreibung gehen in Wolfsburg: "New Auto" heißt die Strategie, mit der Europas größter Fahrzeugkonzern die kommenden Jahre beschreiten will. Tatsächlich ist die Elektrifizierung mitgedacht bei dem, was Konzernchef Herbert Diess an diesem Dienstag als den "noch radikaleren Wandel" bezeichnet: Das autonome Fahren, bei dem der Fahrer zum Fahrgast wird. Auf der Basis von Software sei der Übergang "zu deutlich sichereren, intelligenteren und schließlich autonomen Fahrzeugen" möglich, so Diess. Und sagt: "Das Auto hat eine glänzende Zukunft!" Wenn es auch ein ganz anderes Auto sein wird.

Grundlage von allem wird ein einheitliches Betriebssystem sein, das weitgehend im eigenen Haus entwickelt wird und das ab Mitte des Jahrzehnts in alle Fahrzeuge aller Konzernmarken verbaut werden soll: Ob Audi, Skoda, Seat, VW oder Porsche - alle Fahrzeuge sollen dann auf dem sogenannten Level 4 fahren können. Das bedeutet: Das Auto hat zwar noch Pedale und ein Lenkrad, aber es soll doch idealerweise weitgehend allein fahren. Zumindest auf den allermeisten Autobahnen der Welt bis 2030, so sagt Diess.

Seine Software-Leute sind noch zuversichtlicher: Selbst Stadtfahrten sollen absehbar per Roboter möglich sein. Wobei das eine unterschiedlich große Herausforderung ist. In rechteckig angelegten Straßenmustern ist das einfach, wie man sie in den USA vorfindet oder den jungen Metropolen Chinas. Aber auch in europäischen Städten sollen Volkswagen absehbar fahren. Vorreiter ist dabei Hamburg, wo man 2023 in einem Stadtviertel mit den Tests beginnen will und sich dann Straße für Straße vorarbeiten möchte. 2025 sollen die Busse unter dem Namen Moia im Regelbetrieb fahren.

Die automobile Zukunft ist also gerade in den gewachsenen Städten eine Art Häuserkampf. Und der wird, darauf hoffen sie beim VW-Konzern, umso einfacher, je mehr Daten gesammelt werden können: Eine Million Fahrzeuge hat Tesla derzeit auf der Straße, Diess hält die US-Firma derzeit für technologisch noch überlegen und für einen der härtesten Konkurrenten für seinen gesamten Konzern. Aber bis 2030 will man aufholen - dank der schieren Masse: Bis zu 40 Millionen Fahrzeuge über alle Konzernmarken hinweg sollen dann auf den Software-Plattformen des Konzerns basieren, samt der Ohren und Augen, die dabei auch installiert sind. Laserkameras oder Radaranlagen etwa.

Von dem digitalen Fahrer sollen die Autobesitzer profitieren, die sich die Annehmlichkeiten gegebenenfalls für bestimmte Fahrten dazu buchen können. Aber VW vollzieht mit seiner neuen Strategie auch eine Wende hin zu Mobilitätsdiensten. Diess hatte den Bereich bislang gering geschätzt, doch die autonomen Fahrfertigkeiten könnten alles ändern, glaubt seine Mannschaft. Bis zum Ende des Jahrzehnts werde der Konzern "Systemfähigkeiten für autonome Shuttle-Flotten aufbauen", einige der Sammeltaxis will man selbst besitzen, andere verkaufen. Mobilität als Dienstleistung werde "zum integralen Bestandteil" des Unternehmens und könne dabei "hochprofitabel" sein - auch, weil sich der digitale Fahrer womöglich verkaufen lasse an andere Hersteller.

Andere Konkurrenten wollen sich eher auf das Auto an sich konzentrieren

"Der Computer wird viel sicherer fahren als der Mensch", sagt Diess - aber es geht eben vor allem ums Geschäft: VW sieht den Wert für Kunden dabei vor allem im Wegfall der menschlichen Fahrer. Eine einmalige Investition statt laufender Löhne. Das ist eine Gegenbewegung zu den deutschen Premiumkonkurrenten BMW und Daimler, die derzeit wenig von Level 4 sprechen und sich derzeit auch eher auf das Auto an sich konzentrieren und Sharing-Angebote zurückfahren.

Die Größe von Volkswagen soll auch dazu führen, dass die erste Transformation - der Wechsel von Verbrenner auf elektrische Antriebe - vergleichsweise schnell ein finanzieller Erfolg wird. Im Jahr 2030 werde die Hälfte der verkauften Wagen mit elektrischen Antrieben fahren, heißt es. Der Konzern plant dafür eine hohe Gleichteilrate vor allem bei den Zellen und den Plattformen, in weit höherem Ausmaß als es bislang bei Verbrennerautos der Fall ist. VW produziert dabei auch zunehmend selbst die Batterizellen: Fabriken in Skandinavien, Deutschland und Spanien sind bereits beschlossen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass sich die Margen dieser beiden Technologien innerhalb der kommenden zwei bis drei Jahre angleichen werden, erklärte Arno Antlitz, im Konzernvorstand für Finanzen zuständig.

Sie erwarten in Wolfsburg sogar, die Konzernrendite auf acht bis neun Prozent steigern zu können. Und sie glauben, dass das Automobil-Geschäft weiter extrem wächst. Zwei Billionen Euro Umsatz mache die Autoindustrie derzeit weltweit, sagt Diess. Auch wegen der Software werde er auf fünf Billiarden Euro steigen bis 2030. Sie wollen die doppelte Transformation als Chance. Es bleibt ja nichts anderes.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: