Süddeutsche Zeitung

VW-Abgasaffäre:Rückruf bei VW? Nicht für Polizeiautos

  • Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat einen Rückruf für VW-Autos angeordnet. Die Software zur Abgas-Manipulation soll gelöscht werden.
  • Doch sein Parteikollege Joachim Herrmann, Innenminister in Bayern, sieht das skeptisch. Er ordnete an, rund 500 betroffene Polizeifahrzeuge vorerst nicht in die Werkstatt zu schicken.
  • Seine Befürchtung: Durch das Software-Update könnten Schadenersatzansprüche verloren gehen.

Von Kristiana Ludwig

Wenn es die Bayern nicht gäbe, dann könnte die Abgasaffäre für Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) endlich ein sauberes Ende nehmen. Bei mehr als zwei Millionen Dieselautos soll Volkswagen eine Software löschen, die zurzeit deren Abgasreinigung manipuliert. Der Minister hat dem VW-Konzern einen Rückruf verordnet. Wenn jeder Fahrer in der Werkstatt war, sollte die Sache bald erledigt sein: Ein Update schaltet das Mogelprogramm ab, dann fahren die Autos wieder umweltfreundlich. Ein schöner Plan.

Dumm nur, dass nicht jeder Kunde, dem nun eine kostenfreie Umwelt-Kur zusteht, sich auch darüber freut. Die bayerische Polizei zum Beispiel, soll ihre etwa 500 VW-Dienstwagen vorerst nicht in die Werkstatt bringen. Das hat Dobrindts CSU-Parteikollege und Landesinnenminister Joachim Herrmann angeordnet. Denn Volkswagen gibt seinen Kunden bis heute keine umfassende Garantieerklärung, dass durch die Tüftelei am Bordcomputer keine langfristigen Folgeschäden entstehen, auf denen sie dann sitzen bleiben. Wenn in fünf Jahren der Motor schlappmacht - wer kann dann noch Ansprüche auf Schadenersatz erheben? Verbraucherschützer und Juristen wiegen die Köpfe, Richter in ganz Deutschland haben jetzt VW-Verträge auf dem Tisch. Es gibt viele Bedenken bei Dobrindts Rückruf. Der Minister äußert sich nicht dazu.

Die bayerische Polizei jedenfalls hat keine Lust, dass bei der Umrüstung ihrer VW-Dienstwagen-Flotte "Fakten geschaffen werden, die die spätere Geltendmachung von Ansprüchen erschweren oder gänzlich ausschließen". Anstatt den Bundesverkehrsminister nach seiner Meinung zu fragen, hat Bayerns Innenminister direkt mit dem Autokonzern Kontakt aufgenommen. Volkswagen habe für alle betroffenen Fahrzeuge der bayerischen Polizei zugesichert, bis Ende des Jahres auf die Verjährung zu verzichten, heißt es aus dem Innenministerium: "Dadurch haben wir noch einen zeitlichen Handlungsspielraum." Zeit, um kommende Gerichtsprozesse und "die Entschädigung von Betroffenen" zu beobachten. Herrmanns Hausjuristen wollen ganz in Ruhe eine "interne rechtliche Bewertung zur weiteren Vorgehensweise" entwickeln. Sie wollen das Beste rausholen für die Staats-Volkswagen. So lange verpesten die Beamten erst einmal weiter die bayerische Luft.

Das ist ein Luxus, den Dobrindt den privaten VW-Fahrern nicht gönnt. Privaten Fahrzeughaltern, die ihre Dieselschleuder nicht umrüsten wollen, droht der Bundesverkehrsminister mit einer Stilllegung des Autos. Zwar gibt es für solch ein Szenario noch keine Frist. Doch sein Sprecher lässt wenig Zweifel daran, wie mit störrischen VW-Fahrern zu verfahren ist, die sich dem Abgas-Update verweigern: "Wenn sie dies nicht tun, erhalten sie gegebenenfalls ein Erinnerungsschreiben. Wenn sie ihr Fahrzeug nicht umrüsten, kann als allerletzte Konsequenz das Fahrzeug außer Betrieb gesetzt werden."

Eine unschöne Vorstellung, diese letzte Konsequenz. Bleibt zu hoffen, dass der bayerische Minister noch ein zweites Mal bei Volkswagen anruft: Um auch für den Rest der deutschen Dieselfahrer ein gutes Wort einzulegen.

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SZ vom 21.02.2017/vd
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