Vorwürfe gegen Unternehmer Lavrentiadis:Griechenland will Millionär anklagen

Erstmals greift Athen bei einem reichen Unternehmer durch. 700 Millionen Euro soll Lavrentis Lavrentiadis ins Ausland gebracht haben. Jetzt soll er das Geld zurückbringen, sonst droht ihm eine Anklage.

Klaus Ott

Die Anklageschrift ist so gut wie fertig, sie umfasst mehr als 100 Seiten, und sie enthält schwere Vorwürfe: Betrug, Geldwäsche, Untreue und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Erstmals seit Beginn der Krise in Griechenland will die dortige Justiz hart durchgreifen und einen schwerreichen Unternehmer vor Gericht bringen, der horrende Summen in andere Staaten verschoben und so seine Heimat hintergangen haben soll. Es geht um insgesamt 700 Millionen Euro, die das Land zurückholen möchte. Noch im März könnte die Anklage unterzeichnet und zugestellt werden, ist aus Athener Justizkreisen zu hören.

Lavrentis Lavrentiadis

Der griechische Unternehmer Lavrentis Lavrentiadis soll Millionen unterschlagen haben. 158 Millionen Euro haben Schweizer Banken eingefroren, die Anklageschrift ist so gut wie fertig.

(Foto: dpa)

Lavrentis Lavrentiadis heißt der angebliche Übeltäter. Der erst 39 Jahre alte Geschäftsmann hat rasant Karriere gemacht und ein Wirtschaftsimperium aus Chemie-, Pharma- und Medienunternehmen geschaffen; er galt als Wunderkind und Vorzeige-Industrieller. Nun soll er zusammen mit sechs früheren Managern und Mitarbeitern aus seiner ehemaligen Privatbank Proton angeklagt werden. Lavrentiadis war Hauptaktionär und Vorstandschef von Proton. Dort hätten der Unternehmer und seine Leute, so der Vorwurf, in den vergangenen Jahren bis zu 700 Millionen Euro illegal auf die Seite geschafft. Später wurde die Bank verstaatlicht und mit Mitteln der Europäischen Union (EU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor dem Zusammenbruch gerettet.

700 Millionen Euro, das ist einerseits eine immense Summe. Das ist der Betrag, um den die Renten in Griechenland beim ersten Spar- und Rettungspaket gekürzt worden waren. Und das Doppelte dessen, was Hellas beim zweiten Paket am Ende noch zusätzlich aufbringen musste, um weiter internationale Hilfe zu erhalten und nicht pleitezugehen. Doch es ist wenig im Vergleich zu den geschätzten 50 Milliarden Euro, die große Unternehmen und reiche Griechen ihrem Staat schulden sollen. 50 Milliarden Euro, die offenbar zu einem großen Teil außer Landes gebracht und in Steuerparadiesen wie der Schweiz versteckt wurden.

Millionär Lavrentiadis könnte ein Präzedenzfall werden

Die Eidgenossen haben auf Antrag der Athener Justiz 158 Millionen Euro gesperrt, die auf drei Konten von Lavrentiadis in der Schweiz liegen. Auch das war ein Präzedenzfall, auch das ist im Verlauf der Krise noch keinem reichen Griechen passiert. Wird am Millionär Lavrentiadis ein Exempel statuiert, während Milliardäre ungeschoren davonkommen? Oder ist es so, dass die hellenische Justiz jetzt endlich aufwacht und Ermittlungen vorantreibt, die in vielen Fällen schon längst hätten geschehen müssen?

Im Fall Lavrentiadis kommt vieles zusammen, was die geplante Anklage begünstigt und befördert. Der Zorn der kleinen Leute und der Mittelschicht in Griechenland, die am meisten unter der Krise leiden. Der internationale Druck, endlich die Missstände in Behörden und Justiz anzugehen, endlich Steuern bei den Reichen einzutreiben und die Pfründenwirtschaft zu bekämpfen. Das hat ein Klima geschaffen, in dem Experten der Zentralbank in Athen akribisch die Geldströme bei Proton ausleuchten konnten, bis hin nach Singapur. Ein Klima, in dem ein unerschrockener Staatsanwalt seinen Job machen kann, ohne von der Politik gebremst zu werden.

Was an dem Verdacht gegen Lavrentiadis dran ist, muss sich aber erst noch zeigen. Der Unternehmer beteuert, es gebe "absolut keine Verbindung" zwischen den Anschuldigungen und seiner Person. Eine Anklage liege noch nicht vor. Und die bisherigen Untersuchungen müssten nicht automatisch zu einem Strafverfahren führen, teilt ein Sprecher von Lavrentiadis auf SZ-Anfrage mit. Der Sprecher bestätigt, dass der Unternehmer angeboten hat, 80 Millionen Euro nach Griechenland zurückzubringen. Das solle dazu dienen, Kredite zu begleichen und seine Firmen zu stützen. Falls zusätzliche Mittel nötig seien, will Lavrentiadis seinem Sprecher zufolge noch mehr Geld investieren. Als Unternehmer wolle er weiter Geschäfte machen und die 1500 Stellen in seinen Firmen sichern. Und er wolle sich mit der Justiz einigen. Das könnte dazu führen, so der Sprecher, dass die Untersuchungen eingestellt werden.

Mit 80 Millionen Euro mag sich Griechenland aber nicht begnügen. Lavrentiadis müsse alles zurückbringen, heißt es in Justizkreisen. 700 Millionen Euro.

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