Süddeutsche Zeitung

Vorstoß:EU-Länder wollen Finanzsteuer durchsetzen

Bis Mitte des Jahres wollen die neun europäischen Finanzminister, darunter Wolfgang Schäuble, die Finanztransaktionssteuer unter Dach und Fach bringen. Sie ist umstritten, Großbritannien und Schweden sind dagegen. Dennoch hoffen die Befürworter, dass alle 27 Mitgliedsstaaten mitmachen.

Cerstin Gammelin und Robert Roßmann

Über die Steuer wird in der EU bereits seit Jahren gestritten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und acht seiner europäischen Kollegen forcieren jetzt die Debatte. In einem gemeinsamen Brief an die dänische Finanzministerin Margrethe Vestager drängen die neun Ressortchefs auf eine schnelle Entscheidung. In dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es: "Wir sind fest davon überzeugt, dass eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene eingeführt werden sollte." Die Steuer sei ein "entscheidendes Instrument, um eine gerechte Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Finanzkrise sicherzustellen".

Außerdem könnten damit die europäischen Finanzmärkte besser reguliert werden. "Um eine schnelle Entscheidung in dieser politisch und ökonomisch sensiblen Frage zu erreichen", würden es die neun Finanzminister "begrüßen, wenn die Präsidentschaft den Verhandlungsprozess beschleunigt". Bis zum Ende der dänischen Ratspräsidentschaft Mitte des Jahres sollten "alle Schwierigkeiten überwunden" sein. Dies würden auch die Bürger erwarten.

Der Brief ist von den Finanzministern Deutschlands, Frankreichs, Spaniens, Österreichs, Belgiens, Finnlands, Portugals und Griechenlands sowie von Italiens Ministerpräsident Mario Monti unterschrieben. Monti ist in Personalunion auch Finanzminister seines Landes.

Bereits Ende September gab es einen ersten Vorschlag

Die Europäische Kommission hatte bereits Ende September einen Vorschlag zur europaweiten Einführung einer Umsatzsteuer auf Geschäfte mit Aktien, Derivaten und weiteren Finanzprodukten vorgelegt. Obwohl sich Großbritannien und Schweden sofort dagegen aussprachen, wurden seitdem viele technische Details einer solchen Steuer beraten.

Am Dienstag müssen nun erstmals alle 27 EU-Länder offenlegen, ob und unter welchen Bedingungen sie eine solche Steuer einführen wollen. Deutschland plädiert dabei für eine gesamteuropäische Lösung. Schäuble wolle "mit aller Kraft" dafür kämpfen, dass alle 27 EU-Staaten beteiligt seien, hieß es am Sonntag in Berlin. Wenn sich bis Jahresmitte aber keine solche Lösung abzeichne, werde man "nach Alternativen" schauen.

Neun ist die Mindestzahl an Staaten, um die Steuer einführen zu können

Die gemeinsame Aktion der Finanzminister zeigt, wie eine solche Alternative aussehen könnte: Neun ist die Mindestzahl an Staaten, die sich nach den europäischen Verträgen zusammentun müssten, um die Steuer im Rahmen der sogenannten verstärkten Kooperation alleine einführen zu können. Die Abgabe würde dann allerdings auch nur in diesen Ländern gelten.

Wegen des laufenden französischen Wahlkampfes forciert vor allem Präsident Nicolas Sarkozy die Einführung der populären Finanzmarktsteuer. In den kommenden Wochen wird das Thema aber auch in Berlin von entscheidender Bedeutung sein.

Deutschland muss wegen des europäischen Fiskalpakts das Grundgesetz ändern. Dafür bedarf es einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) benötigt deshalb auch die Unterstützung von Teilen der Opposition. In den vergangenen Tagen haben Spitzenpolitiker von SPD und Grünen mehr oder minder direkt ihre Zustimmung zu der geplanten Verfassungsänderung von der Einführung einer Finanztransaktionssteuer abhängig gemacht.

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SZ vom 12.03.2012/wolf
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