Süddeutsche Zeitung

Vorstellung des Haushaltsentwurfs:Schäuble feiert seine Null

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Es ist der Traum jedes Finanzministers: Wolfgang Schäuble präsentiert ausgeglichene Haushaltspläne für die kommenden Jahre - das gab es seit 1969 nicht mehr. Doch die Null hat ihren Preis.

Von Benjamin Romberg, Berlin

Wolfgang Schäuble wirkt ausgelassen, ja für seine Verhältnisse fast schon euphorisch. Er sei "froh und dankbar", sagt er, und hat sogar Zeit, ein bisschen über Fußball zu reden. Ein Journalist will eine Frage zur Steueraffäre um Bayern-Präsident Uli Hoeneß stellen. Schäubles Antwort: "Der FC Bayern München ist für das Viertelfinale der Champions League qualifiziert." Der Grund für die ausgezeichnete Laune des Bundesfinanzministers: Er ist stolz. Auf sich, seine Arbeit - und vor allem auf das Zahlenwerk, das er nun in Berlin der Öffentlichkeit präsentieren darf.

Kurz zuvor hatte das Bundeskabinett Schäubles Haushaltsentwurf für das laufende Jahr, die Eckpunkte für 2015 und die Finanzplanung der Folgejahre durchgewunken. Schäuble wollte unbedingt einen ausgeglichenen Haushalt, die schwarze Null. Und Schäuble bekommt seine Null, so wie es derzeit aussieht. Die Frage ist nur: zu welchem Preis?

2015 soll der Bund ohne neue Schulden auskommen, verkündet der Finanzminister stolz. Diese Nachricht verhilft nicht nur Schäuble zu Ruhm und Ehre, sondern auch dem bereits verstorbenen Franz Josef Strauß. Er konnte als letzter Finanzminister einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren - im Jahr 1969. In den vergangenen Tagen wurden bereits historische Vergleiche angestellt, um Schäubles Leistung zu würdigen. Dabei fiel der Name des streitbaren CSU-Politikers so häufig wie lange nicht mehr.

Schäubles Negativrekord: die höchste Neuverschuldung aller Zeiten

Strauß, Schäuble und ihre 16 Kollegen, die seit Gründung der Bundesrepublik über die Finanzen des Landes wachten, haben Schulden in Höhe von fast 1,3 Billionen Euro angehäuft. Schäuble hat seinen Teil dazu beigetragen. Denn in seine Amtszeit fällt auch ein Negativrekord: 44 Milliarden Euro an neuen Krediten hatte die Bundesregierung 2010 aufnehmen müssen, die höchste Neuverschuldung ihrer Geschichte.

Im laufenden Jahr sollen es nur noch 6,5 Milliarden Euro sein - so wenig wie seit 40 Jahren nicht mehr. In den Folgejahren will die Bundesregierung dann ganz ohne neue Schulden auskommen. Vielleicht kann Schäuble seine Null nun deshalb umso mehr genießen, weil er weiß, dass es auch anders laufen kann. Nun lebt er den "Traum eines jeden Finanzministers", wie Hans Eichel sagt, einer seiner Vorgänger. Doch dieser Traum hat einen hohen Preis. Schäuble hat dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts vieles untergeordnet, auch wenn er selbst sagt: "Das ist nicht Trickserei."

  • Bei den von Experten dringend geforderten Investitionen in die Infrastruktur hält sich die Bundesregierung zurück. Etwa 500 Millionen Euro zusätzlich hat Schäuble im laufenden Jahr für Straßen und Brücken eingeplant, im kommenden Jahr soll es dann noch einmal eine Milliarde mehr sein. Damit steigt der Anteil der Investitionen im Vergleich zu den Gesamtausgaben nicht nur unterdurchschnittlich - insgesamt gibt der Bund im Jahr 2015 weniger Geld für Infrastruktur aus als noch vor zehn Jahren (unter Berücksichtigung der Inflation).
  • Die Entlastung der klammen Kommunen durch den Bund wurde - zumindest zum Teil - auf die nächste Legislaturperiode verschoben. Fünf Milliarden Euro sollen jährlich fließen, etwa für die Hilfe behinderter Menschen, allerdings erst von 2018 an. In den kommenden Jahren wird es jeweils nur eine Milliarde sein.
  • Eigentlich würde schon jetzt eine Kindergelderhöhung um zwei Euro pro Monat anstehen, ebenso wie einer Erhöhung des Kinderfreibetrags. Die Kosten hierfür sind auch im Haushalt eingeplant. Doch die Regierung will die Erhöhung nun auf 2016 verschieben, dafür soll sie dann üppiger ausfallen. Vor der Wahl hatte die Union 35 Euro mehr pro Monat versprochen. Durch den Aufschub würde sich Schäuble vorerst mehr als 400 Millionen Euro sparen, ein willkommener Puffer für sein Projekt Null.

"Diese große Koalition wird als Verschiebe-Regierung in die Geschichte eingehen", kritisierte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann. Gesine Lötzsch von den Linken sprach von einer "Ankündigungskoalition".

Überschüsse fließen in die Finanzierung der Wahlversprechen

Doch nicht alle teuren Projekte werden verschoben. In den Haushaltsentwürfen vergangener Jahre waren für die Zeit nach 2016 eigentlich Überschüsse vorgesehen, mit denen die Altschulden langsam abgestottert werden sollten. Doch das hat sich erledigt. Das Geld, immerhin 30 Milliarden Euro für die Jahre 2016 und 2017, fließt in die Finanzierung der Wahlversprechen. Und weil das nicht reicht, bedient sich Schäuble noch anderer Quellen:

  • Das Finanzministerium kürzt die Zuschüsse an die gesetzliche Krankenversicherung. Insgesamt sechs Milliarden Euro weniger fließen in den Jahren 2014 und 2015. Die Kassen kritisieren, dass die Beiträge für die Versicherten dadurch schneller steigen könnten. Erst von 2016 an will Schäuble wieder die eigentlich festgelegten 14 Milliarden Euro pro Jahr zahlen, im Jahr darauf etwas mehr.
  • Die von der Union geforderte Mütterrente soll aus der Rentenkasse bezahlt werden. Die höhere Rente für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, kostet jährlich etwa 6,7 Milliarden Euro. Bis 2017 will Schäuble das Geld dafür aus der Rentenversicherung nehmen. Danach muss sich eine neue Bundesregierung um die Finanzierung kümmern.

Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven-Christrian Kindler, spricht von einer "ideenlosen und feigen" Finanzpolitik. "Was Schäuble macht, ist der Griff in die Sozialkassen und das gewagte Hoffen auf eine weiter günstige Konjunktur", sagte er.

Doch die Konjunkturprognosen sind gut, die Steuereinnahmen sollen weiter sprudeln. Zudem hat Schäuble seinen Haushaltsentwurf vorsichtig berechnen lassen, es sind noch ein paar Reserven eingebaut. Ganz sicher kann sich der Finanzminister seiner Null dennoch nicht sein. Derzeit steht sie nur auf dem Papier, es kann immer etwas dazwischenkommen. Bei Peer Steinbrück etwa war das so, Schäubles Vorgänger von der SPD. Auf einmal kam die weltweite Finanzkrise, da waren alle Haushaltsplanungen hinfällig.

Schäuble weiß das. Und er weiß auch, dass ihn seine eigenen Vorgaben in Zukunft unter Druck setzen könnten. "Daran werden wir gemessen werden", sagt er. Auch deshalb genießt er diesen Moment.

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