Vorschlag zur Lösung der Schuldenkrise:Super-Anleihen sollen den Euro retten

Mit einem spektakulären Lösungsmodell wollen europäische Ökonomen die Gemeinschaftswährung retten. Ein Fonds soll den größten Teil der europäischen Staatsanleihen aufkaufen und dafür neue, extrem sichere Bonds ausgeben. Der Vorschlag könnte die Gefahr einer europaweiten Banken- und Finanzkrise reduzieren. Warum aber auch er nicht alle Probleme löst.

Nikolaus Piper

Wird eine neue Klasse von Super-Anleihen den Euro retten? Während die Lage Griechenlands immer bedrohlicher wird, hat eine Gruppe europäischer Ökonomen ein spektakuläres Lösungsmodell für die Krise vorgelegt: Ein Fonds soll den größten Teil der europäischen Staatsanleihen aufkaufen und dafür neue, extrem sichere Bonds ausgeben. Das Modell, mit dem sich inzwischen die Zentralbanken der Euo-Zone befassen, könnte verhindern, dass aus Haushaltskrisen europaweite Banken- und Finanzkrisen werden. Griechenland würde zu einem isolierten und leichter lösbaren Fall.

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Europäische Ökonomen haben einen Vorschlag zur Rettung des Euros ausgearbeitet: Neue Super-Anleihen sollen die Schuldenkrise beenden.

(Foto: dpa)

Über die Ursachen der europäischen Schuldenkrise herrschen, besonders in Deutschland, immer noch relativ einfache Vorstellungen: Die Einführung des Euro habe die Südeuropäer dazu verleitet, über ihre Verhältnisse zu leben. Die Lösung der Krise liege also darin, "Defizitsünder" zurück auf den Pfad der Tugend zu bringen, auf strenge Haushaltsdisziplin zu achten - oder die Sünder aus dem Euro zu werfen. Das Problem dabei: Die Erklärung stimmt für Griechenland, aber eben nur für Griechenland.

In allen anderen Problemländern sieht das Bild anders aus. Spanien und Irland erwirtschafteten vor Ausbruch der Krise Haushaltsüberschüsse. Noch heute ist der Schuldenberg Spaniens (68,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, BIP) niedriger als der Deutschlands (82,4 Prozent). Die spanische Krise lässt sich jedenfalls aus der Haushaltspolitik nicht deuten. Erst recht nicht ist zu erklären, warum Griechenland, das gerade einmal 2,6 Prozent zum BIP der EU beisteuert, den zweitgrößten Währungsraum der Welt in den Abgrund ziehen soll.

Markus Brunnermeier, einer der Initiatoren des Vorschlags, geht denn auch völlig anders an das Problem heran. "Ursache der Krise ist ein fundamentaler Widerspruch in den Regeln für die Währungsunion" sagt der deutsche Ökonom, der an der Universität Princeton lehrt. Einerseits dürften die Euro-Staaten einem Mitglied in Zahlungsschwierigkeiten nicht aus der Patsche helfen ("No-Bail-out-Klausel"). Andererseits würden alle Staatsanleihen der Euro-Zone gleich behandelt.

Ein "Teufelskreis" setzte ein

Banken durften die Papiere als quasi risikofreie Anlage ohne Sicherheiten in ihre Bilanzen nehmen, ob es sich nun um niederländische handele, oder um griechische. Und genau das taten die Banken im Überfluss. Deshalb wurden aus der Haushaltskrise Griechenlands und Portugals automatisch Bankenkrisen, die wiederum die Haushaltskrisen verschärften. Ein "Teufelskreis" setzte ein.

Hier setzt der Vorschlag der Ökonomen-Gruppe an. Sie nennt sich "Euro-Nomics" und besteht aus Markus Brunnermeier (Deutschland), Luis Garciano (Spanien), Philip R. Lane (Irland), Marco Pagano (Italien), Ricardo Reis (Portugal), Tano Santos (Spanien), Stijn Van Nieuwerburgh (Belgien), David Thesmar (Frankreich) und Dimitri Vyanos (Griechenland). Ihr Grundgedanke: Funktionierende Finanzmärkte brauchen als Voraussetzung sichere Papiere, die praktisch gegen alle Zahlungsausfälle geschützt sind und in denen Banken, Pensionsfonds und Versicherungen einen Teil ihres Kapitals anlegen können.

Im Dollar-Raum gibt es dafür US-Staatsanleihen, im Euro-Raum fehlt etwas Vergleichbares. Den Anlegern stehen zwar deutsche Bundesanleihen zur Verfügung, aber deren Markt ist zu klein. Vor der Krise haben Investoren so getan, als seien alle europäischen Staatsanleihen gleich. Nun, da man weiß, wie falsch diese Annahme war, stehen die Märkte am Rande der Panik.

Zwei Typen von Anleihen

Um für Europa ein sicheres Wertpapier zu schaffen, wenden die Ökonomen einen Trick an: Sie schlagen eine Europäische Schuldenverwaltung (EDA) vor, die den größeren Teil der Anleihen der 17 Euro-Länder aufkauft, etwa bis zu einem Anteil von 60 Prozent des BIP. Diese Anleihen schichtet sie um und bündelt sie in zwei neue Typen:

Sichere Super-Anleihen ("European Safe Bonds, ESBies"): Sie wären so ausgestattet, dass sie selbst bei einem Bankrott Italiens und Spaniens noch bedient werden können. Banken und Versicherungen wären das Staatsrisiko los, die Europäische Zentralbank (EZB) hätte ein verlässliches Instrument für ihre Geldpolitik.

Riskante "Juniors Bonds": In diese Kategorie würde die Schuldenagentur EDA alle denkbaren Risiken packen. Es wären de facto hoch verzinsliche Schrottanleihen ("Junk Bonds"), die Spekulanten als Spielmaterial dienen könnten.

Das Modell könnte über einen Zeitraum von fünf Jahren eingeführt werden. Durch die neuen Super-Anleihen, so die Initiatoren, könnte der Teufelskreis von Haushalts- und Bankenkrise durchbrochen werden. Der Plan hat nichts mit dem heftig umstrittenen Plan zu tun, Euro-Bonds einzuführen. Bei Euro-Bonds würden alle 17 Euro- Staaten füreinander haften. Für die einzelne Regierung würde der Anreiz zu einer soliden Haushaltspolitik entfallen. Bei den ESBies gäbe es diese Haftung nicht.

Die Risiken würden von den Haltern der Junior-Bonds, also vom Markt getragen. Der Anreiz für Regierungen, sich solide zu verhalten, bliebe bestehen, denn die Schuldenagentur würde die Staatsanleihen zum Marktpreis aufkaufen; die Finanzierungskosten für Athen wären also immer noch höher als für Berlin. Die EDA selbst wäre völlig unpolitisch. Für ihre Gründung müssten nicht einmal die europäischen Verträge geändert werden.

Modell kann nicht alle Probleme lösen

Es gibt allerdings einen wichtigen Einwand gegen das Modell: Es erinnert fatal an Collateralized Debt Obligations (CDOs), ein in der Finanzkrise in Verruf geratenes Instrument. Damals hatten Banken US-Hypotheken aufgekauft, gebündelt und die Tranchen zu überhöhten Preisen weiterverkauft. Der Vergleich sei aber nicht fair, sagt Bunnermeier. "Die CDOs waren komplett intransparent, weil es für die einzelnen Hypotheken keinen Preis gab. Unsere Staatsanleihen würden dagegen am Markt gehandelt. Alles ist transparent."

Ihr Modell würde nicht alle Probleme lösen, räumen die Ökonomen ein. "Man muss weiterhin die europäischen Banken rekapitalisieren und das Wettbewerbsproblem Griechenlands lösen", sagt Brunnermeier. Aber das Modell könne dem Euro eine dauerhafte, solide Grundlage geben, selbst wenn die Umsetzung einige Jahre dauert. "Heute weiß niemand, wie es weitergeht in der Euro-Zone", sagt Brunnermeier. "Wenn es einen klaren Plan gibt, dann geht auch die Unsicherheit zurück." Die Gruppe "Euro-Nomics hat ihr Modell vorige Woche dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgestellt. Demnächst ist sie bei der EZB.

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