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Vorgaben von EZB, IWF und EU-Kommission:Griechenland will Troika Erleichterungen abtrotzen

Athen bekommt diese Woche ungeliebten Besuch. Die Troika aus EZB, IWF und EU-Kommission betont, wie sehr Griechenland bei Reformen und beim Sparen hinterherhinkt: Das aber sind die Grundvoraussetzungen für weitere Hilfszahlungen. Das Land steht am Abgrund - und die neue Regierung verlangt mehr als als nur Geld.

Fragen und Antworten.

Ihre Besuche sind Schuldenstaaten aus guten Gründen unangenehm. Die Troika aus Vertretern von EZB, IWF und EU-Kommission wird diese Woche die Situation in Griechenland analysieren. Der deutsche Chef der Troika, Horst Reichenbach, ist bereits vor Ort - er hat das Land dazu aufgefordert, seine offenen Rechnungen in Milliardenhöhe zu bezahlen. "Es wäre ein erster Schritt, die angehäuften Außenstände zu begleichen", sagte er in Athen.

Die Troika untersucht, ob das wirtschaftlich schwer angeschlagene Griechenland seine Sparvorgaben eingehalten hat. Solange die internationalen Prüfer kein Häkchen unter die Reformerfolge der vergangenen Monate setzen, gibt es für das hochverschuldete Land keine neuen Hilfszahlungen. Klar ist: Der griechische Premier Antonis Samaras hat nur wenig Aussicht auf Erfolg, für sein Land Erleichterungen vom strikten Sparkurs zu verhandeln. Was ein Troika-Besuch bedeutet - die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was macht die Troika eigentlich?

Etwa alle drei Monate bereist eine Abordnung der Troika aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds jene Länder, die auf die Hilfen aus den Rettungsfonds angewiesen sind. So sind gerade auch Vertreter der Troika auf Zypern. Der Inselstaat hatte erst in der vergangenen Woche Hilfen beantragt. Bei den Besuchen geht es um die Frage, ob die nächste Tranche der Hilfszahlungen ausgezahlt wird - oder ob die Staatspleite kommt. In Griechenland steht zunächst ein Kassensturz an. Dabei soll festgestellt werden, was nach fast drei Monaten Wahlkampf und zwei Wahlgängen in Griechenland vom Sparprogramm überhaupt umgesetzt wurde. Davon hängt dann ab, ob das Land die nächste Auszahlung von 30 Milliarden Euro bekommt oder nicht.

Wann war der letzte Troika-Besuch in Griechenland?

Zuletzt waren Vertreter der EZB, der EU-Kommission und des IWF im Februar in Griechenland - also vor mehr als vier Monaten.

Warum kommt die Troika erst jetzt wieder?

Eigentlich sollten die Prüfer schon viel früher kommen. Doch dann brach in Griechenland innenpolitisches Chaos aus, und die Troika hatte keinen Ansprechpartner mehr. Nach der Parlamentswahl vom 6. Mai konnten sich die Parteien nicht auf eine Regierung einigen, die Reformen stockten in dem führungslosen Land, erst die Neuwahlen am 17. Juni brachten eine regierungsfähige Koalition. Das proeuropäische Lager um den Chef der konservativen Nea Dimokratia, Antonis Samaras, siegte. Doch selbst dann ging es nicht eben zügig voran: Samaras musste für eine Augenoperation ins Krankenhaus, sein gerade erst ernannter Finanzminister Vassilis Rapanos erlitt einen Zusammenbruch und konnte erst gar nicht vereidigt werden. Die Troika sagte deswegen ihren für Ende Juni anvisierten Besuch in Griechenland ab. Beide Politiker verpassten so den wichtigen EU-Gipfel in Brüssel. Inzwischen hat das Land jedoch einen neuen Finanzminister: den Ökonomieprofessor Yannis Stournaras. Und die Troika weiß, wen sie in Athen treffen wird.

Wie kommen die Reformen in Griechenland voran?

Bei vergangenen Besuchen der Troika stand das Land ziemlich schlecht da. Die Sparziele für das Jahr 2011 verpasste der Staat, für 2013 und 2014 mahnte die Troika zusätzliche Sparmaßnahmen an. Auch bei ihrem jüngsten Besuch im Februar war die Troika unzufrieden. Demnach kann Griechenland selbst mit dem jetzigen Fahrplan, der bereits drastische Einsparungen vorsieht, langfristig nicht so viele Schulden abbauen, wie EZB, IWF und die EU fordern. Bis 2020 sollen die Schulden unter 120 Prozent der Wirtschaftsleistung fallen - erreicht werden wohl nur 129 Prozent, prognostizierte die Troika. Auch die eingeplanten Privatisierungen, die den Schuldenberg abtragen sollen, kommen kaum voran.

Auch EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen bemängelte am Montag bei einem Besuch in Athen, dass das Sparprogramm bislang in Griechenland keine Ergebnisse gezeigt hat. Dies jedoch liege daran, dass "es nicht richtig in die Tat umgesetzt wird", sagte er. Dies gelte besonders für die vergangenen drei Monate wegen der zwei Parlamentswahlen. Athen müsse schnell die nötigen Maßnahmen ergreifen, damit das Programm der Einsparungen in Höhe von 11,5 Milliarden Euro für die Jahre 2013 und 2014 stehen könne, so Asmussen. Parallel müssten ein neues Steuergesetz gebilligt, die geplanten Privatisierungen schnell durchgeführt und weitere Reformen im Arbeitsmarkt durchgeführt werden, riet der Deutsche den Griechen.

In Athen liefen am Wochenende und am Montag intensive Beratungen zwischen Regierungschef Samaras und seinem Finanzminister Stournaras sowie weiteren zuständigen Ministern. Vor allem die im Rahmen des Sparprogramms geforderten Privatisierungen sollen nun so schnell wie möglich angegangen werden, hieß es in der griechischen Presse. Dabei geht es zunächst um die griechischen Eisenbahnen (OSE).

Wie ist die Situation für die Menschen?

Inzwischen ist der Geldmangel so groß, dass viele öffentlich finanzierte Bereiche wie die Stromversorgung mittelfristig vor dem Zusammenbruch stehen. Auch die staatlichen Krankenhäuser stehen kurz vor dem Kollaps. Die Renten wurden im Zuge des Sparprogramms gekürzt.

Arbeiter und Angestellte in Griechenland haben Gewerkschaften zufolge seit Ausbruch der schweren Finanzkrise im Jahre 2009 fast die Hälfte ihres Einkommens verloren. Dies sagte am Montag der Chef des Arbeitsinstituts des größten griechischen Gewerkschafts-Dachverbandes des privaten Sektors (GSEE), Savvas Robolis, im griechischen Rundfunk. Das Institut geht zudem davon aus, dass die Arbeitslosigkeit bis Ende des Jahres auf 24 Prozent steigen könnte. Bei Griechen unter 25 Jahren liegt sie schon jetzt höher als 50 Prozent. Experten rechnen damit, dass die griechische Wirtschaftsleistung 2012 (auf äußerst geringen Niveau) zum fünften Mal in Folge schrumpft - und zwar um 6,7 Prozent.

Wann braucht Griechenland neue Hilfen?

Griechenland geht das Geld aus. Die Reserven des Staates reichen Schätzungen zufolge noch bis Ende Juli, danach gibt es kaum noch Möglichkeiten, Beamte zu bezahlen und öffentliche Einrichtungen zu betreiben. Auch das Sparprogramm für 2013 und 2014 ist noch nicht mit den Geldgebern abgeklärt. Und spätestens im August muss Griechenland einen milliardenschweren Kredit an die EZB zurückzahlen.

Was erwartet die Prüfer dieses Mal?

Regierungschef Samaras will Vorschläge zur Abmilderung des Sparprogramms erörtern. Wie es aus Kreisen des Finanzministeriums in Athen am Montag hieß, will Athen mehr Zeit, um die strengen Auflagen zu erfüllen. Die Frist solle bis Ende 2016 hinausgeschoben werden. Außerdem geht es um die Frage, ob die rund 50 Milliarden Euro an Hilfen, die für die Rekapitalisierung der Banken bestimmt sind, den griechischen Staatsschulden zugerechnet werden.

Athen hat noch weitere Themen auf seiner Wunschliste: Kürzungen bei Renten und kleinen Gehältern sollen abgemildert werden, das Arbeitslosengeld soll zwei statt wie derzeit ein Jahr lang gezahlt werden. Die Mehrwertsteuer für die wichtige Tourismusbranche soll von heute 23 Prozent auf 13 Prozent gesenkt werden. Für die Umsetzungen der Forderungen sieht Athen einen Zeitraum von vier Jahren vor.

Haben die griechischen Änderungswünsche Aussicht auf Erfolg?

Nicht allzu große: Die Europäische Zentralbank (EZB) zum Beispiel forderte Griechenland auf, den Sparpakt einzuhalten. Dies sei die "einzige Lösung" für das hochverschuldete Land, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Asmussen. "Die neue griechische Regierung darf keine Zeit verlieren, indem sie sich mit einer Lockerung des Memorandums beschäftigt", warnte er. Am Wochenende hatte Asmussen hingegen betont, es könne über einzelne Bedingungen des Paktes gesprochen werden - von den grundsätzlichen Vorgaben dürfe aber nicht abgewichen werden.

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