Süddeutsche Zeitung

Vor drohender Zwangsversteigerung:Yukos sucht seine Rettung in den USA

Der russische Ölkonzern Yukos will im Konflikt mit dem Kreml nicht kampflos aufgeben. Er bat die US-Justiz um Schutz vor dem russischen Staat und sorgte mit diesem überraschenden Schritt am Mittwoch in Moskau für Unruhe.

Von Daniel Brössler

Yukos machte am Mittwoch klar, dass das Unternehmen mit allen Mitteln das Herausbrechen seines wichtigsten Produktionszweiges aus dem Konzern verhindern will. Ohne Yuganskneftegas, das am Sonntag in Moskau zwangsversteigert werden soll, hört Yukos auf, in seiner bisherigen Form zu existieren.

Nachdem die Yukos-Mutter Menatep in den Tagen zuvor in Anzeigen und vor der Presse weltweit Bieter und Kreditgeber gewarnt hatte, sich am "Raub" des Yukos-Vermögens zu beteiligen, schaltete das Unternehmen nun ein Gericht in Houston im US-Bundesstaat Texas ein.

Schutz des Gerichts

Yukos strebt ein besonderes Verfahren nach "Kapitel 11" des US-Konkursrechts an. Nach diesem Prozedere kann das Management ein zahlungsunfähiges Unternehmen unter dem Schutz des Gerichtes vor Gläubigern zeitweise weiter führen, es umorganisieren und sanieren.

Die Zuständigkeit eines US-Gerichts wurde von Moskauer Behörden massiv angezweifelt. Auch Alexej Makarkin vom Zentrum für politische Technologien in Moskau bezweifelt juristische Folgen in Russland. "Es ist unwahrscheinlich, dass dies die russischen Behörden aufhält", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Es gehe in Wahrheit um ein warnendes Signal an Banken und Investoren vor der Versteigerung von Yuganskneftegas am Sonntag.

In deutschen Bank-Kreisen wurde der juristische Vorstoß von Yukos ebenfalls skeptisch beurteilt. Es handele sich um eine politische Angelegenheit in Russland selbst, auf die ein US-Gericht kaum werde Einfluss nehmen können.

Schröder wird bei Putin schweigen

Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder wird nach Angaben der Bundesregierung beim kommenden Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin nicht über die Zukunft von Yukos sprechen.

Yukos machte hingegen geltend, das US-Konkursrecht sehe weltweite Geltung vor. Zudem sei Yukos in Texas wirtschaftlich aktiv.

Für diese Sichtweise sprach, dass das Houstoner Bezirkskonkursgericht für Donnerstag weitere Anhörungen ansetzte.

"Gutes Zeichen"

"Wir halten das für ein gutes Zeichen", sagte ein Yukos-Sprecher in Houston. Die zuständige Richterin Letitia Clark wollte die Anhörungen von Firmenvertretern am Donnerstagvormittag (Ortszeit) fortsetzen.

Das Unternehmen soll versteigert werden, um die enormen Steuerschulden zu begleichen. Yukos, Russlands bisher größter Öl-Exporteur, steht seit mehr als einem Jahr im Fadenkreuz der russischen Finanzbehörden und sieht sich Steuernachforderungen in Höhe von knapp 27 Milliarden Dollar ausgesetzt.

Zudem sitzt Firmengründer Michail Chodorkowskij seit einem Jahr in Untersuchungshaft. Er hatte sich vor seiner Verhaftung als Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin hervorgetan.

"Enteignung im Stil des 21. Jahrhunderts"

Yukos-Chef Steven Theede, ein US-Bürger, warf der russischen Führung am Mittwoch "Enteignung im Stil des 21. Jahrhunderts" vor. "Die selektive und rückwirkende Anwendung der Steuergesetze durch die russischen Behörden ist sowohl nach russischem als auch nach internationalem Recht unzulässig und hat direkt zu einem Marktwert-Verlust von 38 Milliarden Dollar für unsere Investoren geführt", sagte er.

Yukos geht es offensichtlich darum, seinen Konflikt mit den russischen Behörden so weit wie möglich zu internationalisieren, weil der Konzern in Russland keine rechtsstaatliche Behandlung erwartet.

Das Management von Yukos habe "unermüdlich und in gutem Glauben" daran gearbeitet, mit den russischen Behörden zu einer Einigung zu kommen, sagte Yukos-Chef Steven Theede. Ergebnislos seien mehr als 70 Kompromissvorschläge gemacht worden.

Auch Marktbeobachter in Moskau rechnen damit, dass die Steuernachforderungen an das Unternehmen und letztlich auch die Inhaftierung des früheren Yukos-Chefs Michail Chodorkowskij der Änderung der Besitzverhältnisse dienen.

Mit einem als äußerst niedrig angesehenen Einstiegspreis von 8,65 Milliarden Dollar werden am Sonntag 76,8 Prozent von Yuganskneftegas, der Hauptproduktionstochter von Yukos, versteigert. Ein Konsortium unter Führung der Deutschen Bank will dabei dem halbstaatlichen russischen Energieriesen Gasprom mit einem Milliardenkredit zum Kauf von Yuganskneftegas verhelfen.

Gasprom gilt als aussichtsreichster Bieter

Der Gasprom-Konzern, der eng mit dem Kreml verbunden ist und in Russland als eine Art Staat im Staate agiert, gilt als aussichtsreichster Bieter.

Durch die Fusion mit der russischen Ölfirma Rosneft und den Ankauf von Yuganskneftegas wird der Gasgigant Gasprom zu einem ernsthaften internationalen Spieler im Ölsektor.

Das ist auch von Bedeutung für den deutschen Energiekonzern Eon als größtem ausländischen Gasprom-Aktionär mit einem 6,5-Prozent-Anteil über die Tochter Ruhrgas. Wichtigster Anteilseigner von Gasprom ist allerdings der russische Staat, der daran interessiert ist, die Kontrolle über die russischen Ressourcen zurückzuerlangen.

Zerfallserscheinungen

Die Möglichkeiten, den Kreml dabei zu stoppen, gelten als minimal. Die Zerfallserscheinungen des Yukos-Konzerns mit seinen 100.000 Mitarbeitern wurden am Mittwoch auch durch den Rücktritt der Vorstandsmitglieder Sarah Carey, Raj Gupta und Jacques Kosciusko deutlich.

Das Trio sei in den Vorstand gewählt worden, als Yukos für "moderne Unternehmensführung" in Russland gestanden habe, erklärten sie.

Mittlerweile aber werde das Schicksal des Konzerns von den Behörden bestimmt. Deshalb sei es "irreführend" durch einen Verbleib im Vorstand den Eindruck zu erwecken, Yukos werde noch im Interesse der Anteilseigner geführt.

Ex-Miteigner will helfen

Der frühere Yukos-Miteigner Konstantin Kagalowskij setzte sich unterdessen für den Erhalt von Yukos auch nach dem Verlust von Yuganskneftegas ein. "Auch ohne Yuganskneftegas ist Yukos ein ernst zu nehmendes Unternehmen", zitierte ihn die Moscow Times.

Mit einer Investorengruppe sei er in der Lage, die Anteile des inhaftierten Michail Chodorkowskij zu übernehmen, sollten die Behörden das gestatten.

Chodorkowskij und sein Partner Platon Lebedew müssen sich in einem Strafverfahren vor einem Moskauer Gericht wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verantworten. Beide streiten die Vorwürfe ab und sprechen von einem politischen Prozess.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.900196
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.12.04
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.