Süddeutsche Zeitung

Gipfel in Rom:Kampf um den Krisen-Kompromiss

Lesezeit: 4 min

Hollande und Monti machen Druck: Beim Gipfeltreffen in Rom wollen sie Kanzlerin Merkel davon überzeugen, den europäischen Rettungsfonds direkt Staatsanleihen kaufen zu lassen. Auch Spaniens Ministerpräsident Rajoy möchte Änderungen beim Banken-Rettungspaket durchsetzen. Was die drei Männer wollen - und welchen Plan die Kanzlerin verfolgt.

Bastian Brinkmann und Johannes Kuhn

Der Druck in der Euro-Krise wächst, doch ihr Abendprogramm möchte sich Angela Merkel nicht verderben lassen. Nur zwei Stunden nimmt sich die Kanzlerin beim Euro-Vierergipfel in Rom Zeit, um sich mit Frankreichs Präsidenten François Hollande, Italiens Ministerpräsidenten Mario Monti und dem spanischen Regierungschef Mariano Rajoy vor dem EU-Gipfel kommende Woche in Brüssel abzusprechen. Dann steigt sie ins Flugzeug nach Danzig, um rechtzeitig beim EM-Viertelfinale zu sein, wo Deutschland gegen Griechenland spielt.

Vor zwei Wochen erhielt ihr spanischer Amtskollege Rajoy für eine ähnliche Aktion viel Kritik. In einer Pressekonferenz verkündete er, dass Spanien seine angeschlagenen Banken nun doch nicht alleine stützen kann und Hilfe von der EU braucht - um im selben Atemzug zu behaupten, die Situation sei nun geklärt und er werde zum EM-Auftaktspiel der Nationalmannschaft gegen Italien fliegen.

Doch geklärt ist in Sachen Spanien überhaupt nichts. Seitdem die Euro-Finanzminister grundsätzlich zugesichert haben, dass Madrid Notkredite für seine angeschlagenen Banken bekommen wird, steigen die Renditen auf spanische Anleihen auf Rekordhöhen. Einen offiziellen Antrag hat die Regierung noch nicht gestellt. Zudem weiten sich die Proteste gegen den Sparkurs der Regierung aus: Als der Senat am Donnerstag die Arbeitsmarktreform beschloss, gingen Zehntausende auf die Straße.

Monti ist angeschlagen

Finanziell steht zwar Spanien noch unter dem größten Druck, politisch dürfte der italienische Ministerpräsident Monti aber der angeschlagenste im Quartett sein. Von den hohen Popularitätswerten, die ihn bei seiner Amtseinführung im November 2011 begleiteten, kann Italiens Ministerpräsident heute nur noch träumen. Steuererhöhungen und Rentenkürzungen haben viele Italiener gegen den 69-Jährigen und seine Übergangsregierung aufgebracht. Das nationale Statistikbüro rechnet mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 9,5 Prozent, der heimische Konsum ist eingebrochen.

Das Wachstumsprogramm, das Montis Kabinett am vergangenen Freitag verabschiedete, wurde vom Finanzminister so stark zusammengestrichen, dass am Ende nur kleinere Maßnahmen übrig bleiben. Viel Spielraum hat Italien nicht mehr: Hatten die Märkte noch vor einigen Monaten positiv auf das enorme Reformtempo reagiert, wächst nun der Druck auf Rom. Es wird für Monti deshalb nicht zuletzt darum gehen, genügend Mittel aus dem 120-Milliarden-Euro-Wachstumsprogramm zu erhalten, das auf dem Tisch des Quartetts liegt.

Seit Tagen streuen Montis Diplomaten außerdem weitere Vorschläge, mit denen er die Euro-Krise eindämmen möchte. In Rom will Monti nun seine europäischen Partner von seinen Plänen überzeugen: Die Rettungsfonds EFSF und ESM, der noch installiert werden muss, könnten Anleihen von Krisenstaaten kaufen und so die Märkte beruhigen. Monti könnte auch vorschlagen, dass die Europäische Zentralbank, die EZB, wieder Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt kauft.

Das sind keine revolutionären Forderungen. Die europäischen Verträge sehen diese Optionen explizit vor. Doch sie sollen eine Ausnahme bleiben, heißt es dort. Hauptsächlich sollen die Hunderte Milliarden großen Rettungsschirme EFSF und ESM angeschlagenen Ländern Kredite geben, denen die Finanzmärkte nicht mehr über den Weg trauen.

Ist nun die Zeit für Ausnahmen, nachdem Italien und Spanien in den vergangenen Tagen für ihre Staatsanleihen Rekordzinsen bieten mussten? Nach den von den Euro-Finanzministern ausgehandelten Bedingungen müsste hierfür eine Ansteckungsgefahr festgestellt werden, bei der die Märkte Italien deshalb nicht mehr trauen, weil Griechenland und Spanien sich nicht mehr finanzieren können. Auch die EZB hätte ein Wörtchen mitzureden: Sie muss feststellen, dass außergewöhnliche Umstände auf den Finanzmärkten herrschen, also Staaten irrational unter Druck gesetzt werden, und dass die Stabilität des Finanzsystems gefährdet ist. Hier gibt es viel Ermessensspielraum.

Soll der Rettungsfonds aktiv werden, könnte er direkt bei den Auktionen mitsteigern. Das würde den Zins nach unten drücken und die angeschlagenen Länder sofort entlasten. Der Fonds könnte auch auf dem sogenannten Sekundärmarkt eingreifen. Hier handeln Investoren die Staatsanleihen nach den Auktionen. Die Renditen hier gelten als Indikator, wie viel ein Staat bei der nächsten Auktion zahlen muss. Fängt der Fonds an, hier zu kaufen, beruhigt das die Märkte: Nervöse Investoren würden die aus ihrer Sicht riskanten Papiere loswerden - doch das Risiko landet dann bei den Steuerzahlern, die ESM und EFSF finanzieren.

Bankenhilfe für Spanien könnte nachverhandelt werden

Auch Spaniens Regierungschef Rajoy könnte sich für eine andere Hilfe als bisher starkmachen: dass die Rettungsfonds direkt den spanischen Banken helfen. Das Geld für die Finanzierung des 62 Milliarden Euro großen Lochs soll Madrid eigentlich aus den Rettungsfonds erhalten, um es an den spanischen Bankenrettungsfonds namen Frob weiterzugeben. Doch damit stiege die Staatsverschuldung und der Druck von den Finanzmärkten. Direkte Bankenhilfen sind bis jetzt in den Verträgen allerdings bisher nicht vorgesehen.

Welche Idee die EU aufgreift, hängt vor allem vom Einvernehmen zwischen Berlin und Paris ab. Merkel steht unter großem Druck, die politische Lösung der Euro-Krise voranzutreiben und sich neuen Optionen zu öffnen. Zudem kassierte die Regierung in dieser Woche vom Bundesverfassungsgericht gleich zwei schallende Ohrfeigen, als Karlsruhe eine größere Mitsprache des Bundestags bei den Verhandlungen zum Euro-Rettungsschirm anmahnte und darum ersuchte, dass der Bundespräsident das Gesetz zum ESM nicht vor dem 1. Juli unterzeichnet.

Der französische Präsident Hollande hingegen kommt als Einziger aus dem Quartett gestärkt nach Rom. Die Parlamentswahlen vor knapp einer Woche bescherten den Sozialisten die absolute Mehrheit und das Wachstumspaket, das auf dem EU-Gipfel verabschiedet werden soll, könnte sein erster Akzent in der Krise werden. Montis Idee vom Anleihenkauf durch die Krisenfonds unterstützt Hollande öffentlich, wird aber in den Verhandlungen womöglich nicht darauf beharren. Immerhin will man im Élysée-Palast den Eindruck vermeiden, Berlin und Paris arbeiteten nicht mehr mit-, sondern gegeneinander.

Angela Merkel war bislang strikt gegen die Vorschläge der südlichen Länder. Sie fürchtet, dass solche Aktionen den Reformdruck von den verschuldeten Staaten nehmen könnten. Andererseits sieht das EFSF-Abkommen vor, dass sich die Staaten einem Spar- und Reformprogramm unterwerfen müssten, die von solchen Aktionen profitieren würden - es gäbe also Raum für einen Meinungsumschwung, bei dem Merkel das Gesicht wahren könnte.

Als letztes Mittel bliebt der Kanzlerin zudem ihr Vetorecht. Staatsanleihen-Käufe können nur einstimmig beschlossen werden.

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