Vor dem EU-Gipfel:"Griechenland zu retten, ist wie Flipper spielen"

Für Athen wird es kurz vor dem EU-Gipfel eng: Das Land braucht dringend Geld, dass am Freitag die nächste Hilfstranche freigegeben wird, ist aber unwahrscheinlich. Auch Spanien hofft auf frisches Geld ohne zusätzliche Reformauflagen - will sich aber noch nicht auf einen konkreten Weg festlegen.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Es sind noch zwei Tage bis zum Gipfel, aber das Drehbuch für das Spitzentreffen ist längst geschrieben. Es sieht mehrere Akte vor, darunter einen griechischen und einen spanischen. Geht alles seinen vorschriftsmäßigen europäisch-bürokratischen Gang, was in Zeiten der Euro-Krise keineswegs mehr selbstverständlich ist, wird der griechische Premier Antonis Samaras Gelegenheit bekommen, den Kollegen ein paar Sätze über sein Land zu erzählen.

Anschließend werden diese dem konservativen Premierminister Mut machen: dass die Anstrengungen seiner Regierung, dem krisengeplagten Land wieder auf die Beine zu helfen, wirklich bemerkenswert sind. Und dass ihn alle unterstützen, nicht nachzulassen im Sparen und Reformieren.

Allerdings: Außer schönen Worten dürfte Samaras nichts im Gepäck haben, wenn er am Freitag nach Athen heimkehrt. "Auf dem Gipfel soll nicht darüber entschieden werden, ob die nächste Rate aus dem Hilfspaket ausgezahlt wird", sagte am Dienstag einer der Unterhändler. Dabei geht es um 31 Milliarden Euro, die Athen dringend braucht.

Natürlich sei die Dynamik eines Gipfels schwer vorherzusagen, "aber wir planen nicht, darüber zu debattieren", heißt es in Brüssel. Über die Auszahlung könne erst entschieden werden, wenn Samaras in Brüssel das von den Finanzministern der 17 Euro-Länder geforderte Ultimatum erfülle - sein Bekenntnis zu den vereinbarten Spar- und Reformplänen. Zudem müsse der Bericht der Troika, der Kreditgeber von Europäischer Union, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), vorliegen. Mit dem Papier sei jedoch erst im November zu rechnen.

Dass es so lange dauert, liegt vor allem daran, dass die Kreditgeber und Griechenland nicht wissen, wie sie die Löcher im Haushalt stopfen sollen. Mindestens 30 Milliarden Euro fehlen - zu viel, um das Geld irgendwo einzusparen.

Der IWF ist zu keiner zusätzlichen Zahlung bereit, auch die Europäische Zentralbank wird keine finanziellen Zugeständnisse machen. Im Gegenteil, beide drängen nun die Euro-Länder, die zusätzliche Rechnung zu begleichen. Aber auch im Klub der 17 regt sich Widerstand gegen noch mehr finanzielle Zugeständnisse.

"Griechenland zu retten, ist ein bisschen wie Flipper spielen", sagt ein EU-Diplomat. "Es gibt mehrere Knöpfe, die man drücken kann, um das Ziel zu erreichen." Aber welcher Knopf nun gedrückt werde, entscheide sich mit Sicherheit nicht am Donnerstag.

Spaniens Wunschzettel für die ESM-Hilfen

So klar wie die Absicht, Griechenland vorerst kein Geld zu zahlen, so unklar erscheint die Lage in Spanien. "Die Regierung hat noch keine Entscheidung getroffen", hieß es am Dienstag in Brüssel. Und wann Madrid sich entschließen werde, sei "von den eigenen Finanzierungskosten und den Märkten abhängig". Im Moment seien jedenfalls die Stimmen unter den Euro-Staaten lauter, die Madrid abraten, einen Antrag auf weitere Hilfen zu stellen.

Zuletzt hatte die Rating-Agentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit Spaniens auf die letzte Stufe vor Ramschniveau gesenkt. Dennoch lieh sich Madrid am Dienstag zu günstigeren Konditionen Geld bei Investoren, es verkaufte Anleihen in einem Volumen von insgesamt etwa 4,9 Milliarden Euro. Die Durchschnittsrendite von 18-Monats-Papieren sank von zuvor 3,07 Prozent leicht auf 3,02 Prozent. Die Rendite für einjährige Papiere fiel von 2,84 Prozent auf 2,82 Prozent.

Am Dienstag wurde bekannt, dass die spanische Regierung ernsthaft darüber nachdenkt, eines der neuen Instrumente des Euro-Rettungsfonds ESM zu nutzen - und die Einrichtung einer besonderen Kreditlinie zu beantragen. Diese ermöglicht es, neu ausgegebene spanische Staatsanleihen zu kaufen. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass die EZB auch bereits im Handel befindliche Staatsanleihen aufkaufen darf.

Medienberichten zufolge rechnet die Regierung mit einem schnellen und starken Rückgang der Refinanzierungskosten an den Anleihemärkten, sobald die Zentralbank eingreife. Als Vorteil sieht es Madrid zudem an, dass weitere Spar- und Reformauflagen dabei nicht vorgesehen sind. Ob die spanische Regierung den Antrag wirklich stellen will, war am Dienstag zunächst offen.

Die Euro-Länder erwarten frühestens im November ein Ersuchen Spaniens auf weitere Hilfen aus dem ESM, dann wenn auch über Griechenland entschieden werden soll.

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