Photovoltaik:Warum Vonovia Zehntausende Solardächer plant

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Plattenbau-Siedlung von Vonovia in Dresden: Bislang hat der Konzern 1000 eigene Dächer mit Solarzellen ausgerüstet. (Foto: Steffen Füssel)

Deutschlands größter Immobilienkonzern erzeugt mehr und mehr Sonnenstrom. Es geht ums Klima, aber auch um viel Geld: Vermieter wollen zunehmend auch Versorger werden.

Von Benedikt Müller-Arnold, Bochum

Im sprichwörtlichen Sinne würde es Ärger bedeuten, wenn der Chef eines Wohnungsunternehmens seinen Mietern aufs Dach steigt. Doch in dem Fall ließ es sich Rolf Buch nicht nehmen, über eine Gerüsttreppe auf das Flachdach eines zartblauen Mietshauses in Bochum zu kraxeln. Immerhin hat sein Konzern Vonovia, der größte Vermieter des Landes, hier oben gerade die tausendste eigene Solaranlage in Betrieb genommen. Und der Ausbau soll weitergehen: "Bis 2050 sollen es 30 000 Dächer werden", sagt Buch. "Vonovia meint es ernst mit der Solarenergie."

Das klingt, so kurz vor der Bundestagswahl, nach Rückenwind für die Energiewende. Voriges Jahr stammten neun Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms aus Solaranlagen. Und Fachleute sind sich einig: Wenn die Republik klimaneutral werden soll, also unabhängig von Ressourcen wie Erdgas oder Kohle, dann braucht es neben mehr Windrädern auch mehr Photovoltaik. Zugleich aber zeigt der Plan von Vonovia einmal mehr, dass Wohnungsunternehmen mit kleinen Schritten in einen Milliardenmarkt vorrücken wollen: die Energieversorgung.

Vonovia erzeugt mit den bisherigen Solaranlagen nach eigenem Bekunden gut 15 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr. Rechnerisch reicht das, um knapp 5000 Durchschnittshaushalte in Deutschland zu versorgen. Doch Vonovia gehören hierzulande etwa 350 000 Wohnungen, Tendenz steigend. In einem nächsten Schritt will der Bochumer Konzern deshalb bis 2030 die eigenen Solarkapazitäten mehr als verzehnfachen. Dafür will Vonovia etwa 240 Millionen Euro aus eigenen Mitteln ausgeben.

Doch lohnt sich das? Und wohin fließt der Sonnenstrom genau?

Vonovia-Chef Rolf Buch: Der bisherige Photovoltaik-Ausbau hat den Konzern 16 Millionen Euro gekostet. (Foto: Leon Kuegeler/Reuters)

Bislang, sagt Buch, speise seine Firma einen Teil ins öffentliche Netz ein. "Ein anderer Teil geht als Mieterstrom direkt an einige Mieterhaushalte", so der Vorstandschef. "Doch unter den jetzigen Bedingungen ist das wirtschaftlich noch ziemlich schwierig." Nicht, weil Sonnenstrom so teuer wäre - ganz im Gegenteil: Vonovia produziere zu etwa sechs Cent je Kilowattstunde. "Eigenheimbesitzer könnten mit derselben Technik sehr günstigen Strom für ihren Bedarf erzeugen", sagt Buch. "Sie müssten keine EEG-Umlage zahlen." Bei sogenanntem Mieterstrom ist das aber noch anders.

Elektroautos, Wärmepumpen: Sonnenstrom muss nicht direkt an die Mieter gehen

Mit der EEG-Umlage finanziert die Allgemeinheit vor allem Ökostrom-Anlagen früher Baujahre mit. Der Staat hat viele energieintensive Industriebetriebe teilweise von der Umlage befreit, die derzeit bei 6,5 Cent je Kilowattstunde liegt. Doch er kann, so ein verbreitetes Argument, nicht jede Gruppe von der Zahlung ausschließen. Buch hofft hier auf eine Reform: "Mieter sollten in dieser Frage genauso behandelt werden wie Eigenheimbesitzer", fordert der Vonovia-Chef.

Doch selbst wenn der Direktvertrieb an die Mieter schwierig bleiben sollte, sieht der Konzern zwei weitere Anwendungsfelder für "seinen" Sonnenstrom. Zum einen Elektroautos: Bislang betreibt Vonovia nur einige wenige Ladepunkte in Siedlungen oder - ganz privat - in Garagen von Mietern. Doch die Nachfrage dürfte mit der Zahl der Elektroautos steigen. Zum anderen tüftelt Vonovia in einer ersten Siedlung daran, Heizenergie zumindest zum Großteil mit Ökostrom zu gewinnen. Dafür nutzt der Konzern Wärmepumpen; zudem erzeugt er mit Sonnenstrom Wasserstoff, der an kalten Tagen eine Brennstoffzelle betreibt. Gelingt das Experiment, könnte Vonovia weitere solcher Wärmenetze bauen.

Wasserstoff-Speicher von Vonovia in Bochum: In einer einstigen Krupp-Siedlung tüftelt der Konzern an einer klimafreundlicheren Wärmeversorgung. (Foto: Simon Bierwald/OH)

Mieterschützer sind angesichts solcher Vorhaben hin- und hergerissen: Einerseits liegt es nahe, dass Vermieter ihre Dächer für Photovoltaik nutzen. Andererseits sollten Haushalte auch künftig frei wählen, von wem sie Strom beziehen, damit kein Anbieter überbordende Gewinnmargen aufschlagen kann. Vonovia versucht, hier zu beruhigen: Es werde für Mieter auf keinen Fall teurer, wenn sie Energie vom Vermieter beziehen, das regele das Gesetz. Und Projekte wie das "grüne" Wärmenetz steckten ohnehin noch in der Forschung.

Mit seinen Ambitionen ist der Konzern jedenfalls nicht allein. Auch LEG Immobilien, ein weiterer der großen Vermieter Deutschlands, verkauft seit zwei Jahren Ökostrom und Gas an seine Mieter. "Das wurde sehr gut angenommen", sagt Vorstandschef Lars von Lackum, "wir haben mehrere Tausend Verträge abgeschlossen." LEG habe auf diesem Wege testen wollen, ob Mieter auch Strom und Wärme kaufen würden, die der Konzern selbst erzeugen könnte. "Ich glaube, dass das ein Geschäftsfeld sein kann", sagt von Lackum. Allerdings hängt der Erfolg auch seiner Ansicht nach von Rahmenbedingungen ab: "Wenn wir den Strom erst ins allgemeine Netz einspeisen müssten, und der Kunde kauft ihn dann zurück, dann würde daraus kein Geschäft", so von Lackum, "und auch kein Vorteil für den Mieter."

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