Süddeutsche Zeitung

Wohnen:Vonovia macht nur einen ersten Schritt

Lesezeit: 2 min

Älteren Menschen soll die Miete nicht mehr so stark erhöht werden. Doch wenn es schon ein Verdienst sein soll, Oma nicht aus der Wohnung zu drängen, verrät das einiges darüber, was in der Branche falsch läuft.

Kommentar von Benedikt Müller

Deutschlands größter Vermieter Vonovia will zeigen, dass er kein kaltherziger Miethai ist: Der Konzern hat eine Garantie für ältere Menschen ab 70 Jahren angekündigt. Er werde keine Miete derart erhöhen, dass Senioren deshalb ausziehen müssten, verspricht Vonovia. Auch bei Mieterhöhungen nach Modernisierungen, die viele Städter mittlerweile fürchten, verweist die Firma auf Härtefallregelungen: Man wolle da wirklich niemanden verdrängen.

Die angekündigte Garantie ist auf den ersten Blick eine gute Nachricht für betroffene Mieter; sie ist sogar bemerkenswert für einen Dax-Konzern. Doch was sagt diese Neuigkeit aus über den Zustand der sozialen Marktwirtschaft? War das Verdrängen von einkommensschwachen Senioren bislang etwa kein Tabu bei Deutschlands größtem Vermieter? Und wenn sich der Konzern mit seiner Garantie von anderen abheben will, was verrät das dann über das Gebaren anderer Immobilienunternehmen in hiesigen Städten? So begrüßenswert die Ankündigung von Vonovia sein mag, so sehr dürfte sie auch Vorbehalte gegenüber privatwirtschaftlichen Wohnungskonzernen bestätigen.

Zunächst jedoch zum Bemerkenswerten: Wenn Vonovia wirklich auf starke Mieterhöhungen bei Senioren verzichtet, dann ließe das Unternehmen freiwillig Einnahmen liegen, die der Wohnungsmarkt in vielen Städten wohl hergäbe. Das ist interessant, weil viele Konzerne behaupten, dass ein solches Verhalten gar nicht möglich sei. Eine börsennotierte Firma müsse in ihren Geschäften praktisch alles abschöpfen, was die Gesetze hergäben, argumentieren Vorstände gern. Übrigens auch, wenn sie rechtfertigen wollen, warum sie Geschäfte in Steueroasen verlagern. Wenn man bewusst Gelegenheiten zur Gewinnmaximierung auslasse, heißt es, veruntreue man ja das Vermögen der Aktionäre.

Vonovia zeigt nun im Kleinen, dass diese Idee auch Grenzen haben darf: Ein Konzern, der den Betriebsgewinn zuletzt auf eine Milliarde Euro steigerte, kann auch mal eine Mieterhöhung auslassen, wenn dafür eine Rentnerin in ihrem angestammten Stadtviertel bleiben kann.

Allerdings betonen Kritiker, dass Vonovias sogenannte Garantie bislang eine reine Absichtserklärung ist, auf die sich Mieter im Zweifelsfall kaum vor Gericht berufen könnten. Und es lohnt ein Vergleich mit anderen Akteuren auf dem Immobilienmarkt: Städte etwa können ihren eigenen, kommunalen Wohnungsgesellschaften viel verbindlichere, lokale Grenzen für Mieterhöhungen setzen. Auch die Vorstände von Wohnungsgenossenschaften - deren Immobilien dem Kollektiv der Mieter gehören - können es sich kaum leisten, Mieten gegen breite Interessen ihrer Mitglieder zu erhöhen. Ihr Modell stellt zudem sicher, dass die Gewinne der Genossenschaft zurück in die eigenen Immobilien fließen.

Die Städte brauchen alle Akteure, um die Not zu lindern

Dieser Vergleich ist pikant in Zeiten, in denen Bürgerinitiativen und Politiker eine Vergesellschaftung von Konzernen wie Vonovia oder Deutsche Wohnen fordern. Denn ja, diese Unternehmen sind gut darin, die Kosten pro bewirtschafteter Wohnung zu senken. Sie finanzieren sich erfolgreich am internationalen Kapitalmarkt - und bauen mit dem Geld zum Glück neuerdings auch neue Mietwohnungen im mittleren Preissegment. Sie geben zudem viel Geld für altengerechte und energetische Sanierungen aus, statt etwa alle Gewinne an die Aktionäre auszuschütten. Aber sie nutzen bislang eben auch auf breiter Front Mieterhöhungsmöglichkeiten, die der Markt und das Mietrecht ihnen bieten. Seit 2013 haben privatwirtschaftliche Vermieter die Preise stärker erhöht als städtische oder genossenschaftliche Akteure, zeigte kürzlich eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. Diese Erfahrung bereitet vielen Mietern mit niedrigen Einkommen und Renten Existenzängste.

Die Ankündigung von Vonovia mag ein erster Schritt sein, um derlei Sorgen entgegenzuwirken. Doch den Worten müssen nun auch Taten folgen. Bis dahin bleibt die dringende Erkenntnis, dass Städte alle Akteure brauchen, um die Wohnungsnot zu lindern: privatwirtschaftliche Immobilienunternehmen mit ihrer Finanzkraft, aber eben auch den kommunalen, kooperativen und sozialen Wohnungsbau. Das sollte die öffentliche Hand nie mehr vergessen, wenn sie Grundstücke vergibt und die Stadtviertel der Zukunft plant.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4449258
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.