Süddeutsche Zeitung

Wohnen:Überlasst die Stadt nicht dem Konzern

Manche wollen Immobilienunternehmen wie Vonovia enteignen. Soweit sollte man nicht gehen. Doch es braucht eine neue Wohnungspolitik.

Kommentar von Benedikt Müller

Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia erwirtschaftet erstmals mehr als eine Milliarde Euro Gewinn. Das ist eine Nachricht, die zu Recht viele verärgert: Großstädte ziehen seit Jahren Menschen und Investoren an, der Neubau kommt kaum nach. Mieten steigen, Familien können sich ihr Viertel nicht mehr leisten. Und wer profitiert davon? Ein Dax-Konzern, der nun eine Rekorddividende von insgesamt mehr als 700 Millionen Euro an Aktionäre aus aller Welt ausschütten wird.

Der Unmut darüber geht so weit, dass eine Initiative bereits fordert, Konzerne wie Vonovia oder Deutsche Wohnen, den größten Vermieter Berlins, zu kommunalisieren oder gar zu enteignen. Doch wie böse sind die Wohnungsriesen wirklich?

Dazu ist es wichtig, deren Geschichte zu kennen. Die Deutsche Annington, heute Vonovia, ist 2001 entstanden, als die Bundesbahn Zehntausende bezahlbare Mietwohnungen für Eisenbahner verkauft hat. Später übernahm Annington die Gagfah, einst als gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten gegründet, doch 2004 privatisiert.

Und die Deutsche Wohnen wurde deshalb so groß in Berlin, weil sie zwei ehemals landeseigene Gesellschaften übernahm. Mithin hat der Staat mit seinem fahrlässigen Rückzug aus dem Wohnungsmarkt den Aufstieg hiesiger Immobilienkonzerne erst ermöglicht.

Dieser Staat würde den nächsten finanzpolitischen Fehler begehen, würde er die einst verscherbelten Bestände nun mitten im Immobilienboom viel teurer zurückkaufen. Aber ja, er sollte dringend aus Fehlern der Vergangenheit lernen.

Gewinne sind nicht böse, wenn Vermieter damit neue und bessere Wohnungen schaffen

Dabei geht es nicht darum, Gewinne per se zu verteufeln. Beispielsweise nehmen auch Wohnungsgenossenschaften mehr Miete ein, als ihnen unmittelbar Kosten entstehen. Diesen Gewinn nutzen Vermieter aber idealerweise, um Häuser in Schuss zu halten und neue Wohnungen zu bauen. Bei städtischen Gesellschaften kann hinzukommen, dass sie eine Dividende für den kommunalen Haushalt erwirtschaften. Richtig ärgerlich sind hingegen Miethaie, die Häuser verfallen lassen, nicht neu bauen und sämtliche Gewinne an Investoren ausschütten.

Vonovia ist weder das eine noch das andere Extrem. Neben besagter Dividende haben die Bochumer im vergangenen Jahr auch gut 1,5 Milliarden Euro für Instandhaltung, Modernisierung und erste Neubauten ausgegeben. Das alles kann sich der Konzern leisten, weil zusätzlich zum Betriebsgewinn seine Immobilien kräftig an Wert gewonnen haben.

Gut an Wohnungsunternehmen ist, dass sie viel fleißiger Fassaden dämmen, Heizungen oder Fenster erneuern als die meisten Privatvermieter auf dem Land. Solche energetischen Modernisierungen sind wichtig, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann. Die Sanierungen sind aber auch Teil der Strategie, dass Immobilienkonzerne - wo sie können - regelmäßiger die Mieten erhöhen als viele Amateurvermieter, denen es nicht um jeden Euro geht. Das verunsichert Mieter mit niedrigen Einkommen.

Deshalb sollte keine Stadt ihren Wohnungsmarkt alleine börsennotierten Immobilienkonzernen überlassen. Wachsende Städte sollten genug Baugrundstücke vorhalten und ihr Umland gut anbinden. Der Staat sollte dafür sorgen, dass Mieten nicht stärker steigen, als es die bestehenden Gesetze erlauben; die Mieterhöhungsmöglichkeiten nach Modernisierungen hat die Bundesregierung bereits eingeschränkt. Und an der Stadt der Zukunft sollten verschiedene Akteure bauen: nicht nur profitorientierte Investoren, sondern eben auch Genossenschaften, private Gemeinschaften und städtische Gesellschaften. Dazu braucht es keine Enteignungen, wohl aber eine aktive Boden- und Wohnungspolitik.

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SZ vom 09.03.2019/hgn
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