Vonovia und Co.:So funktioniert das System Großvermieter

Vonovia verdient dank höherer Mieteinnahmen deutlich mehr

Zu Vonovia gehört auch diese Immobilie in Berlin-Moabit, vielen Touristen von einer Spree-Fahrt bekannt

(Foto: dpa)
  • Immer mehr Menschen wohnen bei einer Aktiengesellschaft zur Miete.
  • Konzerne wie der Marktführer Vonovia verändern den Wohnungsmarkt - und sind immer profitabler.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Joachim Numrich gehört in seinem Viertel zum Inventar. Seit 1968 lebt der pensionierte Eisenbahner in seiner Mietwohnung in der Frankfurter Nordweststadt. Jahrzehntelang war er Mieter seines Arbeitgebers, der Bahn. Doch 2001 privatisierte der Bund die Eisenbahnerwohnungen. Seitdem führt Numrich Kämpfe mit dem neuen Vermieter. Er wehrt sich gegen überraschende Nebenkosten, etwa für die Kontrolle eines Sandkastens, der aber der Stadt gehört. Und gegen eine neue Heizung. Die würde seine Miete stärker erhöhen, als die Heizkosten sinken würden.

Die Geschichte von Joachim Numrich ist interessant, weil sein privater Vermieter nicht irgendwer ist. Seine Wohnung gehört Vonovia. Das ist Deutschlands größter Immobilienkonzern, die Aktiengesellschaft ist seit ein paar Monaten im deutschen Leitindex Dax gelistet. Und Vonovia verdient prächtig. "Das Jahr 2016 war ausgesprochen erfolgreich", sagt Vonovia-Chef Rolf Buch bei der Bilanzvorlage. Der operative Gewinn ist um 25 Prozent gestiegen - nicht zuletzt, weil die Firma die Mieten im Schnitt um 3,3 Prozent erhöht hat. Der pensionierte Eisenbahner Numrich sagt es so: "Die Vonovia will alles optimieren. Vor allem ihre Einnahmen."

Auch der Vonovia-Konkurrent Deutsche Wohnen, ein M-Dax-Konzern, hat seine Gewinne im vergangenen Jahr um 26 Prozent gesteigert. Börsennotierte Vermieter werden nicht nur profitabler, sondern immer bedeutender. Zeit, sich das System Großvermieter und ihre Methoden genauer anzusehen.

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zieht eine durchwachsene Bilanz. Zwar haben die Großvermieter den Leerstand abgebaut. Sie nutzten ihre Größe, um Gas für ihre Mieter günstiger einzukaufen. Ihr Schuldengrad sinkt, solange die Immobilien an Wert gewinnen. Insgesamt sind die Vermieter "deutlich stabiler und weniger riskant finanziert als vor den Börsengängen", schreibt das BBSR.

Aber: Wo sich früher Hausmeister und Immobilienkaufleute um die Belange der Mieter kümmerten, arbeiten heute Objektbetreuer und Callcenter-Beschäftigte, viele ohne Tarifvertrag. Das Verhältnis zwischen den Konzernen und ihren Mietern sei unpersönlicher, sagt Daniel Zimmermann, Koordinator des Deutschen Mieterbundes für große Wohnungsunternehmen. "Und börsennotierte Vermieter neigen eher dazu, Streitfälle juristisch zu klären." Davor schreckten viele zurück. Mietervereine berichten, dass vor allem über Nebenkostenabrechnungen und Mieterhöhungen gestritten wird.

Betroffen sind viele Menschen in Deutschland. Vonovia besitzt inzwischen 338 000 Wohnungen, besonders viele in Dresden und im Ruhrgebiet. Deutsche Wohnen vermietet 146 000 Wohnungen; gerade hat der Konzern weitere 3900 dazugekauft. Darunter sind viele einstige Sozialwohnungen, die allmählich aus der Preisbindung fallen.

Mieterhöhungen

Wirklich überrascht waren die Mieter in Wiesbaden nicht, als Vonovia im November eine Mieterhöhung ankündigte. Alle 15 Monate darf ein Eigentümer die Miete anpassen, bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Wo es der Markt zulässt, nutzen börsennotierte Vermieter diese Spielräume "weitgehend aus", berichtet das Bundesinstitut. Was ortsüblich ist, regelt in Wiesbaden der Mietspiegel.

Doch Vonovia nutzte einen anderen, legalen Weg: Anhand von drei vergleichbaren Wohnungen aus seinem Bestand ermittelte der Konzern seine eigene ortsübliche Miete, die deutlich über der des Mietspiegels lag. Viele Mieter haben die Erhöhung hingenommen. Einige wenige aber reagierten nicht - und ließen es darauf ankommen, ob Vonovia die höhere Miete per Klage durchsetzen würde. Geschehen ist nichts, berichtet Eva-Maria Winckelmann vom Mieterbund Wiesbaden.

War sich Vonovia nicht sicher, ob die Mieterhöhung vor Gericht Bestand gehabt hätte? Man prüfe die Fälle noch, teilt der Konzern dazu mit. Die Mieter wohnen nun vorerst günstiger weiter.

Winckelmann rät ihren Mitgliedern, bei Schreiben der Großvermieter genau hinzusehen. "Jedenfalls sollte man nicht ungeprüft sein Geld aus dem Fenster werfen." Daniel Zimmermann vom Mieterbund berichtet, dass Vonovia und der M-Dax-Konzern LEG immer häufiger auf die Methode der drei Vergleichsmieten zurückgreifen. Doch neben solchen regelmäßigen Anpassungen hat Vonovia im vergangenen Jahr vor allem nach Modernisierungen die Miete erhöht.

Wie Vonovia modernisert - und baut

Modernisierungen

Wer eine Wohnung modernisiert, darf elf Prozent der Kosten auf die jährliche Miete umlegen. So steht es im Gesetz. Vonovia gibt Jahr für Jahr mehr Geld aus für neue Fenster und Balkone, Dämmungen und Aufzüge. In diesem Jahr sollen die Investitionen um weitere 50 Prozent steigen.

Es sind wichtige Ausgaben, um Energie zu sparen und Gebäude seniorengerecht umzubauen. Und nicht immer legt Vonovia die vollen elf Prozent auf ihre Mieter um. Doch angesichts der niedrigen Energiepreise sind die Mietsteigerungen höher als die eingesparten Heizkosten, "sodass die Mieter eine höhere Warmmiete tragen müssen als vor den Modernisierungen", sagt Karin Lorenz-Hennig vom BBSR.

Zum Beispiel Joachim Numrich: Die neue Heizung seiner Mietwohnung soll 20 Prozent Energie sparen. So steht es in der Ankündigung. Der Mieter würde somit sieben Euro pro Monat sparen. Doch Vonovia würde die Monatsmiete um 70 Euro erhöhen. Ein krasses Missverhältnis.

Numrich weiß, dass er kaum Chancen hat, sich gegen diese Erhöhung zu wehren. Zwar hat die Bundesregierung versprochen, die Umlage der Modernisierungskosten abzusenken. Doch finden Union und SPD seit drei Jahren keinen Kompromiss. Darum, fürchtet das BBSR, haben Vermieter einen Anreiz, hohe Modernisierungskosten zu produzieren, um dann "einen möglichst großen Teil davon umzulegen".

Vonovia-Chef Buch weist dies für seinen Konzern zurück. "Wir folgen dem politischen Konsens, wonach der Gebäudesektor seine CO₂-Emissionen senken muss, um die Einsparziele zu erreichen." Vonovia modernisiere zudem vergleichsweise günstig.

Neubau

Beim Neubau hinken die privatwirtschaftlichen Konzerne den städtischen Gesellschaften hinterher. Städte wie München, Hamburg oder Frankfurt haben ihre kommunalen Gesellschaften dazu gebracht, Hunderte neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Doch die Großvermieter wagen sich nur zögerlich auf dieses Feld.

In diesem Jahr will Vonovia nun andere Akteure überholen und etwa 1000 neue Mietwohnungen auf bestehenden Grundstücken bauen, durch Aufstockung und Neubau in Städten mit steigenden Mieten. Auch Deutsche Wohnen treibt den Ausbau von Dächern und Obergeschossen voran.

"Wir werden vor allem bezahlbare Wohnungen bauen, um das knappe Angebot etwas zu erhöhen", sagt Vonovia-Chef Buch. Sein Konzern alleine wird das Problem der Wohnungsknappheit aber nicht lösen können, sagt er. "Dafür ist Vonovia viel zu klein."

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