Süddeutsche Zeitung

Von der Leyen und Hartz IV:Sparen wie noch nie

Finanzminister Schäuble will Schulden abbauen, für alle Minister heißt das sparen. Keinen trifft es dabei so hart wie Ursula von der Leyen. Die Arbeitsministerin streicht Milliarden - die Opposition fürchtet einen Kahlschlag bei den Arbeitslosen.

Thomas Öchsner

Wenn es nach Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geht, soll Deutschland künftig ohne neue Schulden auskommen. Für seine Ressortkollegen im Kabinett heißt deshalb die Losung: sparen, sparen, sparen. Doch wirklich hart tritt es nur Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sie muss in den nächsten Jahren in ihrem Etat so viele Milliarden wie kein anderer Minister der Regierung streichen. Wie das gehen soll, ist bislang unklar. Opposition und Sozialverbände warnen bereits vor einem Kahlschlag bei den Förderprogrammen für Arbeitslose.

Kaum ist das Hartz-IV-Paket auf dem Weg gebracht, steht von der Leyen vor einer neuen, schwierigen Aufgabe. In den nächsten Tagen muss sie Schäuble erklären, wo sie die vielen Milliarden einsparen wird, die der Finanzminister für das Budget ihres Ministeriums nicht mehr herausrücken will. Dabei geht es um gigantische Summen: Bereits 2012 sollen die Ausgaben von 131 auf knapp 127 Milliarden Euro sinken. Bis 2014 soll von der Leyen sogar nur noch über 124 Milliarden Euro verfügen dürfen. Ihr Spielraum zum Sparen ist jedoch kleiner, als es ihr riesiger Etat nahelegt: 80 Milliarden Euro entfallen auf Leistungen an die Rentenversicherung. Und dieser Etatposten wird in den nächsten Jahren nicht sinken, sondern eher steigen. Sparen muss von der Leyen also woanders. Nur wo?

Schäubles Beamte haben dafür ein einfaches Rezept. Sie rechnen den Schuldenberg der Bundesagentur für Arbeit (BA) einfach weg. Und das geht so: In diesem Jahr braucht die Bundesagentur etwa fünf Milliarden Euro aus dem Etat von der Leyens, um mit diesem Darlehen ihr eigenes Defizit auszugleichen. Das Finanzministerium geht nun davon aus, dass die BA 2012 wieder einen Überschuss erwirtschaftet und von da an ihr Darlehen zurückzahlt. Gleichzeitig soll der Bund im Zuge der Hartz-IV-Reform schrittweise immer weniger Geld aus Mehrwertsteuer an die Behörde überweisen.

Geht die Rechnung auf, wären ein Großteil der Einsparungen von der Leyens gedeckt. Schäubles Vorrechner sind allerdings äußerst optimistisch: Sie stützen sich darauf, dass die BA zukünftig noch effektiver arbeitet, gleichzeitig die Arbeitslosenzahlen zurückgehen und die Erwerbstätigkeit steigt. Die Bundesagentur selbst dies ganz anders: Sie rechnet bis 2014 mit einem Schuldenberg von 9,6 Milliarden. Die Behörde müsste das Ministerium also wieder um Geld anpumpen.

Das Absurde dabei: Sowohl die Bundesregierung wie auch die BA beziehen sich auf dieselbe Konjunkturprognose - nur unten raus kommen fast zehn Milliarden Euro Unterschied. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Alexander Bonde, spricht deshalb von "Luftbuchungen" in der Finanzplanung. Bei so einen finanzpolitischen Hokuspokus könne man nicht von einer "abgestimmten und transparenten Haushaltsführung" sprechen, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Bonde fürchtet nun "einen Kahlschlag bei den Vermittlungs- und Eingliederungshilfen für Arbeitslose".

Die Sparauflagen des Finanzministers

Dabei geht es um den "Instrumentenkasten" der BA: Die Bundesagentur hat etwa 40 verschiedene Programme, um Empfänger von Arbeitslosengeld I und II (Hartz IV) zu qualifizieren, an den Arbeitsmarkt heranzuführen oder zu unterstützen. Die Koalition hat sich schon lange vorgenommen, diesen Katalog zu durchforsten. Außerdem sollen die Vermittler in Zukunft mehr selbst entscheiden, wen sie in welcher Form fördern. Den dazu nötigen Gesetzesentwurf wird von der Leyen schon bald vorlegen.

Bei der Bundesagentur in Nürnberg gibt es dafür Verständnis: Das für Hartz IV zuständige BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt sieht in einem vereinfachten und flexibleren Instrumentenportfolio "einen wichtigen Beitrag zur Entbürokratisierung". Außerdem sei dies eine gute Gelegenheit, "kritisch die bisherige Anwendung zu hinterfragen". Darauf pochen auch die Arbeitgeberverbände und der Deutsche Landkreistag: "Die sinkende Zahl von Arbeitslosen suggeriert eine grundsätzlich positive Entwicklung bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende." Der Bestand an Hartz-IV-Empfängern sei aber "bedrückend konstant". Die Bundesregierung müsse deshalb die Arbeitsmarkt-Instrumente grundlegend ändern, heißt es in einem Papier des Landkreistags.

SPD-Arbeitsmarktexpertin Anette Kramme befürchtet dagegen, dass die geplante Reform "in erster Linie dazu dient, die Sparauflagen des Finanzministers zu erfüllen". Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, sieht dies genauso: Schäubles Sparauflagen zeigten, dass die Reform nichts anderes sei als ein "

mit vielen schönen Worten garniertes Abbruchprogramm". Es sei absurd, die Hartz-IV-Erhöhung, "von den Arbeitslosen selbst finanzieren zu lassen".

Sicher ist: Bei der BA wird längst fleißig gespart, etwa bei den umstrittenen Ein-Euro-Jobs, mit denen Langzeitarbeitslose gegen durchschnittlich 1,50 Euro Entschädigung die Stunde eine befristete Arbeit erhalten. Im Februar gab es nur noch gut 200000 Ein-Euro-Jobs. Ein Jahr vorher waren es 100000 mehr.

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SZ vom 07.03.2011/kar
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