Ursula von der Leyen:Die entzauberte Ministerin

Super-Nanny, Kult-Mutti und Beinahe-Bundespräsidentin: Ursula von der Leyen ist eine Meisterin der Selbstdarstellung und setzt vor allem eines auf die politische Agenda: sich selbst. Eines ihrer größten Projekte jedoch - das Bildungspaket - könnte zum Flop werden.

Thomas Öchsner

Ursula von der Leyen gilt als Frau der Superlative. Die Medien nannten sie als Familienministerin die "Super-Nanny". Als Bundesarbeitsministerin war sie schon die "Kult-Mutti" und "Super-Ursula". Der CDU-Politikerin wird alles zugetraut, bis hin zur Kanzlerin. Sie wird nach dem jähen Sturz des Märchenerzählers Karl-Theodor zu Guttenberg als letzter Star in der Regierung gehandelt. Doch zwischen dem, was von der Leyen sagt, und dem, was am Ende herauskommt, besteht ein himmelweiter Unterschied. Und das gilt nicht nur beim Bildungspaket für arme Kinder, das sie nun mit einem "runden Tisch" retten will.

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Ursula von der Leyen sitzt im Bundestag - und unterschreibt Autogrammkarten.

(Foto: dpa)

Die Arbeitsministerin ist eine Meisterin der Selbstdarstellung. Wie kein anderes Mitglied im Kabinett versteht sie es, dürftige Entscheidungen als große Errungenschaften zu verkaufen. In ihren Reden verwandelt sie ein vertrocknetes Stück Kuchen zu einer cremigen Sahnetorte, und kaum einer merkt es. Von der Leyen kann die Herzen der Menschen erwärmen. Nachdem die Union die Sozialpolitik wiederentdeckt hat, verkörpert sie - wie früher Norbert Blüm im Kabinett von Helmut Kohl - das sozialpolitische Gewissen der Union. Bei der CDU-Politikerin ist aber vieles mehr Schein als Sein. Ursula von der Leyen ist gerade dabei, sich selbst zu entzaubern.

Ihren glänzenden Ruf verdankt sie den Reformen in der Zeit als Familienministerin. Die CDU-Frau hat den Ausbau der Krippenplätze auf den Weg gebracht. Sie hat das Elterngeld eingeführt, wenn auch die bislang 15 Milliarden Staatsgeld die konstant niedrigen Geburtenraten in Deutschland nicht erhöhen konnten. Vor allem hat von der Leyen die Union modernisiert. Mütter dürfen Karriere machen, Männer aktive Väter sein, ohne dass noch jemand in der Partei vom "Wickelvolontariat" schwätzt.

Ihre Bilanz als Arbeitsministerin ist dagegen bislang dürftig. Angela Merkel hat ihre Vorzeigeministerin mehrmals brüskiert oder zurückgepfiffen. Von der Leyen wollte das belastete Wort "Hartz IV" durch "Basisgeld" ersetzen. Das Kanzleramt stoppte diese Schönheitsoperation. Die CDU-Frau machte sich für eine gesetzliche Frauenquote in Führungspositionen der Wirtschaft stark. Für diesen Mut verdient sie Lob, doch Merkel ließ erklären, dass es keine solche Quote geben werde. Und sonst?

Als Bundesarbeitsministerin tat sich von der Leyen vor allem als Fachfrau für wohlklingende Ankündigungen hervor. Hinter ihrem Gesetz gegen den Missbrauch der Leiharbeit verbarg sich nicht viel mehr als eine Luftnummer. Ihr mit großem Getöse angekündigtes Modellprojekt "Bürgerarbeit" für Hartz-IV-Empfänger läuft schlecht. Die Jobcenter, erklärte sie im Frühjahr 2010, sollen sich künftig mehr um arbeitslose Alleinerziehende, ältere Jobsuchende über 50 und Erwerbslose unter 25 Jahren kümmern. Tatsächlich verändert hat sich so gut wie nichts. Wie auch? Es gibt dafür keine konkrete, überprüfbare Vorgabe. Weder haben sich die Öffnungszeiten der Kitas so geändert, dass Alleinerziehende samstags als Verkäuferinnen arbeiten können, noch sind die Schulen plötzlich so gut geworden, dass nicht mehr jedes Jahr Zehntausende Jugendliche ohne Abschluss im Hartz-IV-System landen.

Auch bei ihrem größten Projekt, dem Bildungspaket für arme Kinder, hat die Arbeitsministerin alles andere als sozialpolitische Geschichte geschrieben. Sie riss das Thema an sich, obwohl dafür auch die Familienministerin zuständig gewesen wäre. Sie entfachte eine überflüssige Diskussion über eine längst vergessene Chipkarte, mit der die staatlichen Leistungen, vom Mittagessen in der Schule bis zum Nachhilfeunterricht, abzurechnen gewesen wären. Sie wollte unbedingt die Arbeitsvermittler in den Jobcentern damit betrauen, das Paket umzusetzen. Erst die Proteste von Ländern, Kommunen, der Bundesagentur für Arbeit und das Eingreifen von SPD und Grünen bei den Hartz-IV-Verhandlungen halfen, diesen absurden Plan aufzugeben und die Hilfe dort anzusiedeln, wo sie hingehört: bei den Städten und Kreisen, die sich ohnehin schon um bedürftige Kinder kümmern.

Vor allem hat von der Leyen aber versäumt, über mehr als das "warme Mittagessen" für arme Kinder zu reden, das es in vielen Kommunen ohnehin längst schon gibt. Sie hätte frühzeitig mit der Opposition über ein Programm verhandeln sollen, das Geld direkt in Schulen, Kindertagesstätten oder Vereine zu investieren, um Kindern aus Hartz-IV-Familien zu helfen. Dann gäbe es auch das Problem nicht, dass bislang nur wenige Betroffene die komplizierten Einzel-Anträge auf Hilfen ausfüllen.

Ursula von der Leyen hat jetzt zwei Probleme: Sie muss aufpassen, dass das Bildungspaket nicht zum völligen Flop wird. Gleichzeitig soll sie bei den Förder- und Qualifizierungsprogrammen für Arbeitslose etliche Milliarden sparen. Wie sie das schaffen will, ohne einen Kahlschlag bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern zu produzieren, konnte sie bislang nicht wirklich erklären.

Die Ministerin hat noch zwei Jahre Zeit, vieles besser zu machen. Als politisches Naturtalent ist von der Leyen stark genug, das zu schaffen. Sie sollte sich selbst jedoch nicht mehr auf Platz eins ihrer politischen Agenda setzen.

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