Volkswagen: Überraschung in Genf:Feindlicher Akt? Nicht doch!

Volkswagen steigt bei SGL Carbon ein. Pikant daran ist, dass BMW-Aktionärin Klatten schon einen Anteil an SGL hält. Ist der Schritt von VW also ein Affront gegen BMW und Klatten? VW-Chefaufseher Piëch hat da eine ganz eigene Meinung.

Thomas Fromm

Da ist es wieder, das Ferdinand-Piëch-Lächeln. Einen Mundwinkel immer leicht angezogen, aber nicht zu stark. Manchmal bleibt er so, minutenlang, ohne dass der Mundwinkel wieder in seine Ausgangsposition zurückgeht.

HV Audi AG - Ferdinand Piech

Piëch: "Natürlich haben sie ja zu unserem Einstieg gesagt. Was wollen Sie sagen, wenn Sie so freundlich gefragt werden?"

(Foto: dpa)

Der Alte ist zufrieden, denn wieder einmal hat er es allen gezeigt. Und alle überrascht. Über Nacht war VW als Großaktionär beim Leichtbauteile-Hersteller SGL Carbon eingestiegen, und das allein wäre vielleicht noch keine Nachricht, wenn hier nicht die BMW-Großaktionärin Susanne Klatten bereits einen Anteil halten würde. Und wenn BMW die Wiesbadener Firma nicht längst zum zentralen Baustein seiner Zukunftsstrategie erklärt hätte.

Deswegen ist der VW-Aufsichtsratschef so zufrieden. Die Dinge laufen wieder einmal in seinem Sinne. "Bevor wir das gemacht haben, haben wir die Großaktionäre und BMW darüber informiert", sagt er knapp. Und man habe sie gefragt, ob "sie das stört". Und - hat es sie gestört? "Natürlich haben sie ja zu unserem Einstieg gesagt." Pause. "Was wollen Sie sagen, wenn Sie so freundlich gefragt werden?" Und - zack - schon wieder, das Ferdinand-Piëch-Lächeln. Ein Mundwinkel hoch, starrer Blick nach vorne.

BMW-Chef Norbert Reithofer zeigte sich hingegen verwundert. "Mich hat niemand von VW angerufen, um mit mir über einen Einstieg bei SGL Carbon zu sprechen", sagte er in Genf. "Ich finde das Ganze interessant." Und er fügte hinzu: "Zu mehr Kommentaren lasse ich mich jetzt nicht hinreißen." Weitere Kommentare gab es dazu dann aber von SGL-Hauptaktionärin Klatten. "Wir sehen das seitens Skion (der Beteiligungsgesellschaft) mit Distanz und Wachsamkeit", sagte ihr Sprecher. Sollte eine Sperrminorität erforderlich sein, könne man dies "in Kürze bewerkstelligen".

So oder so: Das Timing von VW war perfekt. Es war Montag, später Nachmittag, und gerade eben hatte BMW in einem Genfer Hotel seine Pressekonferenz mit Peugeot beendet und erklärt, wie man mit leichten Autos und elektrischen Antrieben in die Zukunft gehen will. Für einen Moment schien der Münchner Konzern strategisch weit vorne, unerreichbar. Da gab das auf leichte Bauteile für Autos spezialisierte Unternehmen SGL Carbon den neuen Großaktionär VW bekannt. 8,18 Prozent der Aktien hatten die Wolfsburger - unter anderem mit Hilfe der Landesbank Baden-Württemberg - übernommen.

Ein Affront gegen Klatten und BMW? Schließlich hatte sich die Frau aus der BMW-Eigentümerfamilie Quandt über ihre Beteiligungsgesellschaft Skion schon längst ein Paket von 22,5 Prozent gesichert. Es ist eine Beteiligung, auf der eine ganze Zukunftsstrategie aufbaut: BMW und SGL bauen gemeinsam ein Carbonfaserwerk im Nordwesten der USA, investieren 100 Millionen Dollar, haben eine Produktionskette aufgezogen, die vom Bundesstaat Washington über Wackersdorf und Leipzig nach München geht.

Carbon, das ist der Stoff, der künftig den schweren Stahl der BMW-Autos ersetzen soll. Der Stoff, aus dem in zwei Jahren die ersten großen Elektroautos der neuen Marke BMW i gebaut werden sollen. Klatten, SGL, BMW - eine strategisch fein austarierte Dreiecksbeziehung. Und jetzt kommt VW.

"Es wäre falsch, das jetzt als feindlichen Akt gegen irgendjemanden zu verstehen", heißt es noch am Abend aus Wolfsburger Konzernkreisen. Und ein anderer sagt, es sei doch eigentlich eine feine Sache, dass sich deutsche Autokonzerne nun gemeinsam an die Zukunftsaufgaben machten. Piëch sagt es so: "BMW ist ein angenehmer Wettbewerber, wir tun einander doch nicht viel."

Da sitzt er nun in einer großen Halle am Stadtrand von Genf und lässt sich die neuesten Modelle des Konzerns vorführen. Neben ihm seine Frau Uschi, links VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh.

Vor sich Gläser mit in Schinken eingerollten Grissini, daneben ein Glas Wasser. Türkisfarbene Krawatte mit kleinen Schiffchen darauf, Hosenträger. Würde man ihm in einem Supermarkt begegnen - man könnte ihn leicht übersehen; für einen älteren Rentner beim Einkauf halten. Hier aber ist Genf, und Piëch der Patriarch. Audi, Porsche, Škoda, Lamborghini - alle ziehen sie an ihm vorbei, die Autos, die Markenchefs, präsentieren stolz die Projekte, an denen sie im letzten halben Jahr gearbeitet haben.

Dazwischen fährt der Konzern eine Mega-Show ab. Zirkusakrobatik, moderne Tanzchoreographien, Trommler, die sich an Seilen von der Decke hinunterlassen. Es ist wie in einem modernen Zirkus. Dazu mal zarte Kammermusik, mal dröhnende Heavy-Metal-Beats. Piëch schaut sich das alles regungslos an. Nur manchmal dreht er den Kopf. Und hebt den Arm wie ein General, der eine Parade abnimmt. Ab und zu nickt er nach unten. Und lächelt. Dann blickt er wieder stumm nach vorne.

Zwei Stunden später ist der Zirkus vorbei, und Piëch spricht noch einmal über die Dinge, die ihn bewegen. Sagt, dass es mit einer Zusammenführung der Lkw-Bauer MAN und Scania unter einem gemeinsamen VW-Dach nichts werden kann, solange die Schmiergeldaffäre bei der früheren MAN-Tochter Ferrostaal nicht geklärt ist. Und er spricht über Zukunftspläne.

Über die angeschlagene Fiat-Tochter Alfa Romeo, die er gerne kaufen würde, die ihm Fiat aber nicht geben will. Ob es ihm leidtue, dass die Marke bei Fiat gerade leide. "Umso lieber kommt sie zu uns." Ob es ihn schmerze, dass Fiat gerade die Logos von Chrysler-Autos auf Lancias klebe und so die Marken verwische. "Mich schmerzt das nicht, ich applaudiere", sagt Piëch. "Warum sollte ich traurig sein, wenn jemand einen großen Fehler macht?" Es sind Sätze, die den ganzen Piëch zeigen.

Am Ende hält VW-Chef Martin Winterkorn eine Rede, spricht über das Rekordergebnis vom vergangenen Jahr und vom Ziel, 2018 Toyota als größten Autobauer der Welt abzulösen. Irgendwann spricht er auch vom Einstieg bei SGL Carbon. Der Konzern werde auf vom Zukunftsmarkt partizipieren, sagt er. Die VW-Manager klatschen Beifall. Piëch lächelt. Auf seine Art.

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