Süddeutsche Zeitung

Volkswagen:Wolfsburger Buße

Aufträge nur gegen Sponsoring? Volkswagen soll Geschäfte mit einer Telekom-Tochter an die Bedingung geknüpft haben, dass sie den Werksverein VfL unterstützt. Gegen Zahlung von zwei Millionen wäre die Sache aus der Welt - peinlich bleibt sie trotzdem

Von Klaus Ott

Der VfL Wolfsburg hat Martin Winterkorn, dem Vorstandschef von Volkswagen, zuletzt wenig Freude gemacht. Der VW-Werksklub verlor in Hoffenheim 2:6, daheim gab es gegen Bayern München mit 1:6 eine noch heftigere Klatsche, und beim Tabellenletzten in Braunschweig reichte es nur zu einem Unentschieden. Obwohl die Braunschweiger im Vergleich zum VfL, den VW mit schätzungsweise 50 bis 100 Millionen Euro pro Saison sponsert, arm sind wie eine Kirchenmaus. So wird das nichts mit einem Spitzenplatz in der Fußball-Bundesliga und der Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb. Doch nach dem Willen von Winterkorn soll der VfL international mitspielen. Schließlich erhöht das die Chancen, mit den Kickern als Werbeträgern den Absatz der Autos zu steigern. Nur deswegen steckt Volkswagen ja so viel Geld in den Fußball.

Jetzt hat Winterkorn noch mehr Grund, sich wegen der Fußballer zu ärgern. Volkswagen soll zwei Millionen Euro Bußgeld an die Staatsanwaltschaft in Stuttgart zahlen, die dem Verdacht der Korruption nachgeht. Der Vorwurf: VW habe einen hoch dotierten Vertrag mit der Telekom-Tochter T-Systems erst dann fortgesetzt, nachdem die Telekom-Firma ihrerseits versichert habe, ein Sponsorabkommen mit dem VfL in Höhe von vier Millionen Euro pro Saison zu verlängern. Der Deal mit T-Systems über die teure Pflege der Computersysteme bei Volkswagen hätte aber nicht an die Unterstützung des VfL gekoppelt werden dürfen, glaubt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Solche Koppelgeschäfte mit lukrativen Aufträgen von Volkswagen und Sponsormitteln für den Werksklub soll es häufig gegeben haben, wie aus den Ermittlungsakten hervorgeht.

Das Verfahren in Stuttgart läuft seit Jahren, nun zeichnet sich nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Beteiligter eine große Lösung ab, die so aussähe: Der Autokonzern zahlt. Ein weiteres Bußgeldverfahren, das sich gegen Einkaufsvorstand Francisco Javier Garcia Sanz richtet, wird eingestellt. Und das Landgericht Stuttgart verzichtet auf einen öffentlichen Prozess gegen zwei Führungskräfte aus dem VW-Einkauf sowie gegen zwei Ex-Manager und einen früheren Berater der Telekom-Tochter. Sie sind wegen Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung angeklagt. Das Landgericht will sich mit Geldauflagen für die fünf Beschuldigten begnügen. Unter anderem deshalb, weil nur VW von dem mutmaßlichen Koppelgeschäft finanziell profitiert hätte und keiner der Angeklagten. Die Justiz in Stuttgart ist zuständig, weil eine in den Deal involvierte Firma von T-Systems dort ihren Sitz hat.

Zwei Millionen Euro - für einen Konzern mit Umsätzen und Gewinnen in Milliardenhöhe ist das Kleingeld. Allein der brasilianische Nationalspieler Luiz Gustavo, den der VfL von Bayern München holte, dürfte 20 Millionen Euro gekostet haben. So hoch hätte das Bußgeld nach der aktuellen Gesetzeslage ausfallen können, doch die gilt für diesen Fall noch nicht. Nach den alten Regeln sind zwei Millionen Euro das Maximum, das die Staatsanwaltschaft von Volkswagen verlangen kann. Das absehbare Bußgeld wiegt dennoch schwer. Denn VW legt großen Wert auf die "hohe Reputation", die der Konzern in der Geschäftswelt und in der Gesellschaft genieße. Die Sühne in Stuttgart wäre ein peinliches Eingeständnis, gegen Recht und Gesetz verstoßen zu haben. VW und die Staatsanwaltschaft äußern sich wegen des noch laufenden Verfahrens nicht.

Mit den zwei Millionen Euro käme VW andererseits weit besser weg als mit einem öffentlichen Prozess, in dem die Ermittler ihre Aktenfunde bei einer Razzia in Wolfsburg ausbreiten würden. Die Strafverfolger stießen auf Unterlagen, in denen von einem "Kick-back" beim Telekom-Deal die Rede war. Eine verräterische Formulierung, mit der im Wirtschaftsleben oft Schmiergeldzahlungen umschrieben werden. Außerdem wurden jede Menge Vermerke, E-Mails und Protokolle gefunden, die darauf schließen lassen, dass der Autokonzern Lieferanten und andere Geschäftspartner systematisch drängte, den VfL zu unterstützen. Manches lief sogar über den Schreibtisch von Einkaufsvorstand Garcia Sanz, dem mächtigsten Mann in Wolfsburg nach Winterkorn.

Vor Jahren sollte Garcia Sanz einem Briefentwurf zufolge einem "lieben" Kollegen im Vorstand der Telekom das "Branding", also die Werbung auf der Brust der VfL-Kicker anbieten, "persönlich und exklusiv". Es wäre VW eine besondere Freude, auf diese Weise die Partnerschaft mit der Telekom zu vertiefen, stand in dem Entwurf. Ein anderes mal bekam Garcia Sanz von seinen Leuten eine Mail mit der Botschaft, jetzt habe man einen VW-Lieferanten, der im Jahr zuvor noch etwas "gezappelt" habe, von einem VfL-Sponsoring "überzeugt". Stuttgarter Kriminaler notierten angesichts der Funde, diverse Firmen hätten nicht ganz freiwillig in eine Unterstützung des VfL eingewilligt.

Das Landgericht in Stuttgart glaubt, die Ermittlungen, die Anklage und das "beachtliche mediale Echo" dürften in den Unternehmen den Blick für die mögliche Gefahren geschärft haben. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass es in absehbarer Zeit noch einmal zu einer solchen Konstellation, also zu Koppelgeschäften kommen werde. Das gelte nicht zuletzt für die VW AG, die wichtige Schritte eingeleitet habe, um eine künftige Vermengung von Fußball-Sponsoring und Lieferantenverträgen zu unterbinden. So steht es in einem Schreiben, in dem das Landgericht angeregt hat, das Strafverfahren gegen die fünf Angeklagten gegen Geldzahlungen einzustellen.

In dem Brief rügen die Richter, VW wie auch die Telekom-Tochter T-Systems hätten nicht genügend Vorkehrungen gegen eine "Verknüpfung" von Sponsoring mit anderen Geschäften getroffen. VW soll deshalb nach dem Willen der Staatsanwaltschaft nun zahlen. Die Telekom hingegen nicht. Die hat den Fall selbst angezeigt. Dass die Telekom von einem Bußgeld verschont wird, gilt als Signal der Ermittler: Wer Verstöße aufdecke, werde belohnt.

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Quelle:
SZ vom 21.03.2014/woja
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